Begriff und rechtliche Grundlagen der Bergung
Die Bergung stellt einen zentralen Begriff im deutschen Recht dar und bezeichnet Maßnahmen zur Rettung, Sicherung oder Wiedererlangung beweglicher Sachen, insbesondere im Zusammenhang mit Gefahrenabwehr, Schadensereignissen oder Unfällen. Rechtlich umfasst die Bergung unterschiedliche Anwendungsbereiche, die von den Vorschriften des Zivilrechts, Strafrechts, Ordnungsrechts bis hin zum öffentlichen Recht und speziellen Sondergesetzen geregelt werden.
Allgemeine Definition der Bergung
Gemäß allgemeinem Sprachgebrauch versteht man unter Bergung die Überführung einer aus ihrer natürlichen Umgebung entfernten, gefährdeten oder verloren gegangenen Sache in einen gesicherten oder ursprünglichen Zustand. Rechtlich relevant wird der Begriff häufig im Zusammenhang mit der Rettung von Menschen, Tieren, Fahrzeugen, Schiffen, Flugzeugen, Gefahrgütern sowie Wertgegenständen nach Schadensfällen.
Zivilrechtliche Aspekte der Bergung
Bergung als Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB)
Im Zivilrecht kann eine Bergung unter die Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB) fallen, sofern die Bergungsmaßnahme im Interesse und mit dem mutmaßlichen Willen des Eigentümers erfolgt. Der Handelnde (Bergende) erhält im Regelfall einen Ersatzanspruch für seine notwendigen Aufwendungen gegenüber dem Eigentümer der geborgenen Sache (§ 683 BGB), wenn die Voraussetzungen erfüllt sind.
Bereicherungsrechtliche Folgen
Ist eine Bergung nicht ausdrücklich beauftragt oder bestehen Unklarheiten hinsichtlich des Nutzens für den Eigentümer, können bereicherungsrechtliche Ansprüche (z.B. nach §§ 812 ff. BGB) entstehen. Auch hier ist zu prüfen, ob der Geborgene auf Kosten des Bergenden einen Vermögensvorteil erlangt hat.
Haftung im Rahmen der Bergung
Im Bereich der Bergung gehen mit der Handlung häufig Haftungsfragen einher, etwa für Schäden an der zu bergenden Sache, für Folgeschäden oder für Leib und Leben. Die Haftung des Bergenden wird im Regelfall nach allgemeinen deliktsrechtlichen Grundsätzen (§§ 823 ff. BGB) beurteilt. Stellt die Bergung eine Gefährdung für Dritte dar, können auch Ansprüche Dritter entstehen. In besonderen Konstellationen, beispielsweise bei schweren Verletzungen während einer Rettungs- oder Bergungsmaßnahme, besteht ein Haftungsausschluss nach § 680 BGB („Eigengefahr abwenden“).
Strafrechtliche Aspekte der Bergung
Strafbarkeit bei unterlassener Bergung
Im Strafrecht kommt insbesondere § 323c StGB – Unterlassene Hilfeleistung – Bedeutung zu. Wer bei Unglücksfällen, gemeiner Gefahr oder Not nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und zumutbar ist, macht sich strafbar. Die Nichtdurchführung einer notwendigen Bergung kann den Tatbestand erfüllen, sofern ein Notstand vorliegt.
Strafbare Handlungen während der Bergung
Bei der Durchführung einer Bergung können strafrechtliche Konsequenzen entstehen, beispielsweise durch fahrlässige Körperverletzung (§ 229 StGB) oder Sachbeschädigung (§ 303 StGB), sofern die gebotenen Sorgfaltspflichten überschritten werden.
Bergung und Diebstahlsdelikte
Es ist zu unterscheiden, ob eine Bergung tatsächlich als Hilfehandeln erfolgt oder ob sich die Bergungshandlung als Diebstahlserfahrung (§ 242 StGB) darstellt, insbesondere wenn die Absicht besteht, sich die Sache rechtswidrig zuzueignen.
Öffentliche Sicherheit und Ordnungsrecht im Zusammenhang mit Bergung
Pflichten zur Gefahrenabwehr
Bergungsmaßnahmen im Kontext der Gefahrenabwehr sind regelmäßig durch die Polizei- und Ordnungsbehörden sowie durch die Gefahrenabwehrbehörden der Länder und Gemeinden durchzuführen. Die rechtliche Grundlage hierfür bieten die Polizeigesetze der Länder (z.B. § 3 Abs. 1 PolG NRW), das Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) sowie spezielle Gesetze zur Katastrophenhilfe und zum Zivilschutz.
Kostenersatz und Anspruch auf Bergungskosten
Gemäß den jeweiligen Einsatzgesetzen und Gefahrgutverordnungen besteht ein Anspruch der Behörden auf Ersatz der Kosten für die Durchführung einer Bergung (§ 25 Abs. 1 BayKSG). Die Adressaten dieser Ansprüche können Eigentümer, Verursacher oder andere Beteiligte sein, abhängig vom Verschuldensgrad und der Zumutbarkeit der Kostenlast.
Sonderbereiche der Bergung
Bergung von Schiffen und Schiffswracks
Im Seerecht ist die Bergung detailliert durch das Bergungsrecht geregelt, insbesondere die §§ 577 ff. HGB und das Internationale Übereinkommen über die Bergung von Schiffen, 1989 (Salvage Convention). Das Abkommen regelt die Vergütung, Rechte und Pflichten des Bergenden und des Eigentümers sowie Umweltschutzaspekte.
Bergung in der Luftfahrt
Das Luftverkehrsgesetz (LuftVG), insbesondere die Vorschriften der §§ 33 ff. LuftVG, regeln die Bergung von Luftfahrzeugen. Sie umfassen Maßnahmen zur Sicherstellung der öffentlichen Sicherheit und die Koordination mit zuständigen Behörden.
Bergung von Kulturgütern
Kulturschutzgesetze auf Bundes- und Länderebene beinhalten Vorgaben über die Bergung und Sicherung von Kulturgütern, insbesondere im Katastrophenfall (vgl. Kulturgutschutzgesetz – KGSG).
Versicherungsrechtliche Aspekte der Bergung
Bergungskosten in der Versicherung
In der Sachversicherung, namentlich in der Kfz-, Transport- oder Gebäudeversicherung (z.B. § 13 AKB), sind Aufwendungen für Bergungsmaßnahmen als erstattungsfähige Kosten erfasst. Voraussetzung ist, dass die Bergung zur Abwendung des Schadens oder zur Minderung der Schadenshöhe diente.
Obliegenheiten bei der Bergung
Versicherungsnehmer sind verpflichtet, nach Eintritt des Versicherungsfalles geeignete Maßnahmen zur Schadensminderung zu treffen. Dies kann die eigenständige oder veranlasste Bergung einschließen. Kommt der Versicherungsnehmer dieser Pflicht nicht nach, drohen Leistungskürzungen gemäß § 82 VVG.
Fazit
Die Bergung ist ein vielschichtiger Begriff mit umfangreichen rechtlichen Aspekten, die sowohl zivilrechtliche, strafrechtliche, ordnungsrechtliche als auch versicherungsrechtliche Vorschriften betreffen. Der genaue rechtliche Rahmen richtet sich dabei stets nach den konkreten Umständen des Einzelfalls und der Art des Bergungsgegenstandes. Die rechtzeitige und sachgerechte Durchführung von Bergungsmaßnahmen ist nicht nur im Interesse der Einzelnen, sondern auch im Interesse der Allgemeinheit und der öffentlichen Ordnung von erheblicher Bedeutung.
Häufig gestellte Fragen
Wer ist rechtlich zur Bergung verpflichtet?
Grundsätzlich regelt das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) sowie das See-Recht, wer zur Bergung verpflichtet sein kann. Im Straßenverkehr ist der Fahrzeughalter oder -führer nach § 34 der Straßenverkehrsordnung (StVO) dazu verpflichtet, bei einem Unfall oder einer Gefährdung durch ein liegengebliebenes Fahrzeug für dessen Entfernung und damit für die Bergung zu sorgen, wenn dies zur Abwehr von Gefahren notwendig ist. Im maritimen Bereich legt das Seerecht, insbesondere das Internationale Übereinkommen über Bergung von 1989 (Salvage Convention), die Verpflichtungen zur Bergung fest. Insbesondere kann der Eigentümer eines gesunkenen oder havarierten Schiffs dazu verpflichtet sein, für eine Bergung Sorge zu tragen, vor allem dann, wenn durch das Wrack Gefahren für die Schifffahrt, Umwelt oder öffentliche Interessen bestehen. Kommen die eigentlich verpflichteten Personen ihrer Pflicht nicht nach, kann die zuständige Behörde die Bergung anordnen und im Zweifel auf Kosten des Verpflichteten durchführen lassen.
Welche rechtlichen Folgen drohen bei unterlassener Bergung?
Die unterlassene Bergung kann unterschiedliche Rechtsfolgen nach sich ziehen, abhängig von der Gefährdungslage sowie den einschlägigen Rechtsvorschriften. Werden beispielsweise nach einem Unfall im Straßenverkehr Fahrzeuge nicht zeitnah geborgen und dadurch der Verkehr behindert oder gar weitere Gefahren geschaffen, kann dies eine Ordnungswidrigkeit oder, bei entsprechenden Folgen, sogar eine Straftat darstellen. Im See- und Binnenschifffahrtsrecht besteht für den Eigentümer eines gesunkenen oder havarierten Fahrzeugs eine ausdrückliche Pflicht, eine Bergung zu organisieren. Bei Nichterfüllung kann die zuständige Wasserbehörde die Bergung auf Kosten des Eigentümers verfügen (§ 31 Seeaufgabengesetz). Ferner kann die Nicht-Bergung zu zivilrechtlichen Haftungsansprüchen führen, zum Beispiel für Folgeschäden an anderen Personen, Fahrzeugen oder der Umwelt. Auch Versicherer können unter Umständen ihre Leistungen kürzen oder verweigern, wenn eine erforderliche Bergung unterlassen wurde.
Wer trägt die Kosten der Bergung aus rechtlicher Sicht?
Nach deutschem Recht trägt grundsätzlich der Eigentümer oder Verantwortliche des zu bergenden Gegenstands die Kosten. Im Straßenverkehr regelt § 24a Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) unter anderem die Verpflichtung, verkehrsbehindernde Fahrzeuge zu entfernen und die Kosten hierfür zu übernehmen. Im Schifffahrtsrecht ist laut Seeaufgabengesetz der Schiffs- oder Wrackeigentümer kostenpflichtig für die vom Staat oder beauftragten Unternehmen durchgeführte Bergung. Findet die Bergung auf behördliche Anordnung statt, kann die Behörde ihre Auslagen per Verwaltungsakt geltend machen und nötigenfalls zwangsweise durchsetzen. Im Versicherungsrecht kann bei Vorliegen einer entsprechenden Versicherung (z. B. Kfz- oder Schiffsversicherung) gegebenenfalls eine Kostenübernahme erfolgen, allerdings meist nur unter bestimmten Bedingungen und nach vorheriger Zustimmung des Versicherers.
Welche Genehmigungen sind für eine Bergung erforderlich?
In vielen Fällen sind behördliche Genehmigungen für umfangreichere Bergungsmaßnahmen erforderlich. Im Straßenverkehr genügt meist die Polizei- oder Ordnungsbehörde, die im Wege der Verkehrsregelung oder Gefahrenabwehr tätig wird und entsprechende Abschlepp- oder Bergungsmaßnahmen anordnet. Im Zusammenhang mit Gewässern, insbesondere beim Bergen gesunkener Schiffe oder Bauteile, ist regelmäßig eine Erlaubnis der zuständigen Wasser- oder Hafenbehörde einzuholen. Hinzu kommen gegebenenfalls genehmigungsrechtliche Vorschriften etwa aus dem Umweltrecht (z. B. bei Gefahrstoffen an Bord oder Umweltschäden). Werden Bergungsarbeiten ohne die erforderlichen Genehmigungen durchgeführt, drohen Bußgelder oder das Untersagen der Maßnahmen.
Welche Haftungsregelungen gelten im Rahmen einer Bergung?
Die Haftungsregelungen richten sich je nach Rechtsgebiet. Im Straßenverkehr haftet der Verantwortliche für Schäden, die durch pflichtwidrige oder fehlerhafte Bergungsmaßnahmen verursacht werden, nach den allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften, insbesondere §§ 823 ff. BGB (Schadensersatzpflicht). Im Seerecht ist der Bergungsunternehmer grundsätzlich für Schäden aus unsachgemäßer Bergung verantwortlich, allerdings sind die Haftungsgrenzen häufig durch internationale Übereinkommen wie das „Londoner Übereinkommen über die Begrenzung der Haftung für Seeforderungen“ limitiert. Im Umweltrecht besteht zudem eine verschärfte Haftung für Umweltschäden, die im Zusammenhang mit einer Bergung entstehen können, beispielsweise durch auslaufende Gefahrstoffe. Unabhängig davon kann ein Verursacher auch öffentlich-rechtlich in Regress genommen werden, wenn er durch Pflichtverletzungen (z. B. unterlassene Sicherung) zu Folgeschäden beiträgt.
Wann dürfen Dritte eine Bergung durchführen und welche Rechte erwerben sie dadurch?
Dritte dürfen eine Bergung grundsätzlich nur mit Einwilligung des Eigentümers oder auf behördliche Anweisung durchführen, es sei denn, es handelt sich um einen Fall der Notwehr oder Nothilfe (§ 34 StGB, §§ 683, 684 BGB). Wird eine Bergung ohne Zustimmung, aber im Rahmen eines sogenannten „Geschäftsführung ohne Auftrag“ durchgeführt, stehen dem Bergenden gegenüber dem Eigentümer eventuell Kostenerstattungsansprüche zu (§ 683 BGB), sofern die Bergung objektiv notwendig und im Interesse des Eigentümers war. Bei maritimen Bergungen regelt das Seerecht zudem den sogenannten Bergelohn (§ 741 HGB; Salvage Convention 1989), einen Anspruch auf angemessene Vergütung für erfolgreiche und freiwillige Bergung zur Rettung von Sachen aus Seenot, abhängig vom Wert der geborgenen Gegenstände sowie der Gefahrenlage.
Welche rechtlichen Besonderheiten gelten bei der Bergung gefährlicher Güter?
Die Bergung gefährlicher Güter (zum Beispiel Chemikalien, Sprengstoffe oder radioaktive Stoffe) ist besonders streng geregelt. Hier greifen nationale wie internationale Gefahrgutvorschriften, unter anderem das Gefahrgutbeförderungsgesetz (GGBefG), das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) sowie zuständigkeitsspezifische Regelungen wie das Sprengstoffrecht oder Strahlenschutzrecht. Besteht durch die geborgenen Güter eine akute Umwelt- oder Gesundheitsgefahr, ist unverzüglich die zuständige Behörde (z. B. Feuerwehr, Umweltamt) einzuschalten. Die Durchführung darf meist nur von hierzu autorisierten Fachunternehmen unter Einhaltung spezieller Schutzvorschriften erfolgen. Verstöße gegen diese Vorgaben können straf- oder bußgeldbewehrt sein und führen unter Umständen zu gesamtschuldnerischer Haftung aller Beteiligten für entstehende Schäden.