Definition des Begriffs „Benchmark“
Ein Benchmark ist im rechtlichen Kontext ein festgelegter Vergleichs- oder Referenzwert, der zur Beurteilung und zum Vergleich von Leistungen, Preisen, Zinssätzen oder anderen relevanten Messgrößen herangezogen wird. Benchmarks dienen als objektive Standardelemente in unterschiedlichen Rechtsgebieten, etwa im Vertrags-, Kapitalmarkt-, Bank- und Zivilrecht. Ursprünglich stammt der Begriff aus dem englischen Sprachraum und bezeichnet eine Messlatte oder einen Maßstab zur objektiven Bewertung.
Funktionen und Ziele von Benchmarks im Recht
Benchmarks erfüllen im Rechtswesen verschiedene Zwecke, darunter die Standardisierung von Bedingungen und die Förderung von Transparenz. Sie sind essenziell für die Erstellung von Rechtsverträgen, die Beurteilung wirtschaftlicher Verhältnisse, die Bestimmung von Marktzinsen sowie für gesetzliche oder vertragliche Regelungen, bei denen objektive Vergleichswerte benötigt werden.
Vertragsgestaltung
Im Vertragsrecht werden Benchmarks zur Bestimmung oder Anpassung von Preisen und Leistungen genutzt. Beispielsweise können variable Vergütungen an einen Index oder Benchmark gekoppelt sein. Solche Regelungen begegnen sich vor allem in langfristigen Liefer-, Lizenz- oder Dienstleistungsverträgen. Ziel ist es häufig, das wirtschaftliche Äquivalenzinteresse der Parteien abzusichern und Wertschwankungen während der Vertragsdauer auszugleichen.
Preis- und Zinsregulierung
Im Bank- und Kapitalmarktrecht ist die Referenzierung auf Benchmarks, wie etwa den EURIBOR oder LIBOR, weit verbreitet. Sie ermöglichen die Standardisierung von Kreditzinsen und derivativen Finanzprodukten. Die rechtssichere Verwendung und Anpassung solcher Benchmarks ist von zentraler Bedeutung für die Rechtssicherheit auf Finanzmärkten.
Rechtliche Rahmenbedingungen für Benchmarks
Die rechtliche Relevanz von Benchmarks wird durch nationale und supranationale Regelungen, insbesondere im Zusammenhang mit der Benchmark-Verordnung der Europäischen Union (EU) sowie nationalen Umsetzungsgesetzen, geprägt.
Die EU-Benchmark-Verordnung
Die Verordnung (EU) 2016/1011, kurz Benchmark-Verordnung (BMR), regelt die Verwendung und Erstellung von Benchmarks innerhalb der EU und verfolgt das Ziel, Manipulationen und Missbrauch, wie sie beispielsweise in der Vergangenheit beim LIBOR-Skandal bekannt wurden, zu verhindern. Die Verordnung schreibt unter anderem vor:
- Registrierungspflichten und Zulassungsvoraussetzungen für Benchmark-Administratoren
- Transparenzanforderungen hinsichtlich der Berechnungs- und Veröffentlichungsmethodik
- Sanktionsregelungen für Verstöße gegen die Verordnung
- Vorgaben für die Verwendung von Benchmarks in Finanzinstrumenten und Finanzdienstleistungen
- Anforderungen zur Sicherstellung der Integrität und Zuverlässigkeit von Benchmarks
Nationale Umsetzung und Überwachung
In Deutschland wurde die Benchmark-Verordnung durch das Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz (FISG) sowie Anpassungen im Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) in nationales Recht integriert. Zuständige Aufsichtsinstanz ist die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), die die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben durch Benchmark-Administratoren und -Nutzer überwacht.
Kartellrechtliche Bezüge
Im Kartellrecht können Benchmarks als „Information Hubs“ fungieren und dadurch den Wettbewerb beeinflussen. Die Aggregation und Veröffentlichung von Vergleichsdaten bedarf unter Umständen kartellrechtlicher Prüfung, insbesondere wenn diese geeignet sind, Preisabsprachen oder Markttransparenz zu fördern, die letztlich den Wettbewerb beeinträchtigen könnten. Die Bundeswettbewerbsbehörde und die Europäische Kommission prüfen im Einzelfall, ob die Nutzung von Benchmarks mit wettbewerbsrechtlichen Vorgaben vereinbar ist.
Verbraucherrechtliche Aspekte
Benchmarks haben auch im Bereich des Verbraucherschutzes eine wesentliche Rolle. Wird in Verbraucherverträgen, insbesondere bei Kreditverträgen, auf Benchmarks Bezug genommen, müssen diese transparent, nachvollziehbar und eindeutig definiert sein. Verbraucher müssen in der Lage sein, die Auswirkungen des Benchmarks auf den Vertrag – beispielsweise auf Zinssatzänderungen – hinreichend zu verstehen.
Datenschutzrechtliche Implikationen
Insbesondere wenn Benchmarks auf aggregierten personenbezogenen Daten basieren, sind die Anforderungen der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) zu beachten. Die Datenverarbeitung im Rahmen der Ermittlung von Benchmarks muss transparent, zweckgebunden und unter Einhaltung aller datenschutzrechtlichen Vorgaben erfolgen.
Haftung und Sanktionen bei der Verwendung von Benchmarks
Die fehlerhafte oder manipulative Verwendung von Benchmarks kann zu erheblichen Haftungsrisiken führen. Entsprechend sehen Gesetzgeber und Aufsichtsbehörden umfangreiche Sanktions- und Haftungsregelungen vor.
Zivilrechtliche Verantwortung
Wird ein Benchmark im Vertragsverhältnis falsch berechnet oder manipuliert, können Ersatzansprüche wegen Pflichtverletzung oder unerlaubter Handlung entstehen. Die Vertragspartner haben Anspruch auf Schadensersatz sowie gegebenenfalls Rückabwicklung betroffener Geschäfte.
Verwaltungsrechtliche und strafrechtliche Konsequenzen
Verstöße gegen die geltenden regulatorischen Vorgaben, insbesondere nach der Benchmark-Verordnung, können zu Bußgeldern, dem Entzug von Zulassungen sowie strafrechtlichen Ermittlungen führen. Die zuständigen Aufsichtsbehörden sind befugt, bei Verstößen erhebliche Sanktionen zu verhängen.
Benchmarks im internationalen Rechtsvergleich
Benchmarks unterliegen in verschiedenen Rechtsordnungen unterschiedlichen Regelungen. Während die EU mit der Benchmark-Verordnung einen einheitlichen Standard entwickelt hat, verfügen beispielsweise die USA mit dem Dodd-Frank Act über eigene Regulierungsmechanismen für Referenzwerte und Benchmarks. Der internationale Austausch von Finanzprodukten und -dienstleistungen erfordert daher häufig die Beachtung mehrerer nationaler und supranationaler Rechtsrahmen.
Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen
Die fortschreitende Digitalisierung und Automatisierung von Finanzdienstleistungen sowie der Wandel traditioneller Benchmarks (z.B. die Ablösung des LIBOR) führen zu ständigen Anpassungen im regulatorischen Umfeld. Aktuelle Herausforderungen bestehen insbesondere in der Berücksichtigung neuer Datenquellen, der Sicherstellung der Manipulationssicherheit und der Vereinbarkeit mit globalen Standards.
Fazit
Benchmarks übernehmen im rechtlichen Kontext eine zentrale Rolle, indem sie als objektive Vergleichswerte Transparenz, Standardisierung und Rechtssicherheit in zahlreichen Rechtsgebieten gewährleisten. Aufbau, Verwendung und Kontrolle von Benchmarks sind durch umfassende nationale und internationale Regelwerke geprägt und unterliegen strengen aufsichtsrechtlichen, zivilrechtlichen und datenschutzrechtlichen Anforderungen. Die sorgfältige Auswahl, Anwendung und Überwachung von Benchmarks stellt eine essenzielle Voraussetzung für vertrauenswürdige und rechtssichere Vertragsbeziehungen im Wirtschafts- und Finanzsektor dar.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Vorgaben müssen bei der Erstellung von Benchmarks beachtet werden?
Bei der Erstellung von Benchmarks ist insbesondere die EU-Benchmark-Verordnung (EU) 2016/1011 (Benchmark-Verordnung – BMR) zu beachten, die Vorgaben für die Erstellung, Bereitstellung und Verwendung von Benchmarks innerhalb der Europäischen Union macht. Maßgeblich ist, ob es sich beim entsprechenden Benchmark um einen sogenannten „regulierten“ Benchmark handelt – wie z.B. Zins-, Rohstoff- oder Aktienindizes -, der als Referenz für Finanzinstrumente, Finanzkontrakte oder zur Messung der Performance von Investmentfonds dient. Zu den wesentlichen rechtlichen Anforderungen gehören u.a. die Erlaubnispflicht bzw. Registrierungspflicht für Benchmark-Administratoren, die Verpflichtung zur Implementierung eines belastbaren Governance-Rahmens inklusive Kontroll- und Überwachungsverfahren, sowie Transparenzanforderungen hinsichtlich der Methodik und der Datenquellen des Benchmarks. Darüber hinaus sind Interessenkonflikte zu identifizieren und aktiv zu steuern. Benchmark-Administratoren müssen regelmäßig Prüfungen durch interne und ggf. externe Auditoren ermöglichen und alle relevanten Unterlagen dokumentieren und aufbewahren. Darüber hinaus besteht für Nutzer von Benchmarks die Pflicht, sich zu vergewissern, dass der Benchmark gemäß den gesetzlichen Bestimmungen bereitgestellt wird (vgl. Art. 29 BMR). Verstöße gegen diese Vorgaben können sowohl zivilrechtliche als auch aufsichtsrechtliche Konsequenzen bis hin zu Bußgeldern oder dem Entzug der Zulassung zur Folge haben.
Welche Haftungsrisiken bestehen für Anbieter und Nutzer von Benchmarks?
Sowohl Anbieter (Administratoren) als auch Nutzer von Benchmarks unterliegen spezifischen Haftungsrisiken. Anbieter haften insbesondere dann, wenn sie bei der Erstellung, Bereitstellung oder Veröffentlichung eines Benchmarks ihren Sorgfaltspflichten nicht nachkommen und hieraus Schäden entstehen. Dies umfasst etwa fehlerhafte Methodologien, unzureichende Governance-Strukturen oder das Verschweigen von Interessenkonflikten. Nutzer können haften, wenn sie Benchmarks verwenden, von denen sie wissen oder wissen mussten, dass diese nicht rechtskonform bereitgestellt wurden. Beispielsweise besteht eine Prüfpflicht für Nutzer hinsichtlich der Registrierung bzw. Zulassung des verwendeten Benchmarks und seines Anbieters. Fehlende oder fehlerhafte Prüfungen können haftungsrechtliche Ansprüche von Vertragspartnern oder Anlegern nach sich ziehen. Zudem kann eine Verletzung der Informations- und Transparenzpflichten insbesondere gegenüber Investoren zu Schadensersatzforderungen führen.
Welche datenschutzrechtlichen Aspekte sind beim Benchmarking zu berücksichtigen?
Bei der Erstellung und Nutzung von Benchmarks können personenbezogene Daten verarbeitet werden, was die Einhaltung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) erforderlich macht. Dies betrifft insbesondere Benchmarks, die auf individuellen Transaktionen, Kundendaten oder Mitarbeiterniveaus beruhen. Zu beachten sind hierbei die Grundsätze der Datenminimierung und Zweckbindung, die strenge Vorgaben für die Verarbeitung und Speicherung personenbezogener Daten machen. Betreiber von Benchmarks müssen nachweisen können, dass sie angemessene technische und organisatorische Maßnahmen zum Schutz der Daten ergriffen haben sowie die Betroffenen über die Verarbeitung informieren – auch wann, wie und zu welchem Zweck personenbezogene Daten verwendet werden. Die Einholung von Einwilligungen, das Vorhalten von Löschkonzepten und die Durchführung von Datenschutz-Folgenabschätzungen bei besonders risikobehafteten Verarbeitungstätigkeiten können erforderlich sein. Außerdem haben betroffene Personen Rechte auf Auskunft, Berichtigung und Löschung („Recht auf Vergessenwerden“).
Welche Rolle spielen Vertragsbeziehungen beim Benchmark-Einsatz?
Beim Benchmark-Einsatz sind vertragliche Regelungen von entscheidender Bedeutung, um Rechte und Pflichten der beteiligten Parteien eindeutig festzulegen. Hierzu zählt vor allem die Vereinbarung, welcher Benchmark in welchem Umfang und zu welchen Bedingungen verwendet werden darf. Dabei ist zu unterscheiden, ob der Benchmark öffentlich (z.B. über eine Börse oder einen Indexanbieter) oder exklusiv (z.B. innerhalb eines Industrieverbands) zur Verfügung gestellt wird. Wesentlich ist dabei die Klärung von Lizenzrechten sowie Haftung und Gewährleistung im Hinblick auf die Korrektheit, Verfügbarkeit und Aktualität des Benchmarks. In der Regel werden Benchmark-Nutzungsbedingungen mit Disclaimern zu Haftungsbeschränkungen und Gewährleistungsausschlüssen versehen, deren Wirksamkeit im Einzelfall rechtlich zu prüfen ist. Auch Aspekte der Geheimhaltung und Wettbewerbsbeschränkungen („non-compete“) können geregelt werden. Besonders sensible Bereiche sind Preisbildungsmechanismen und die Absicherung gegen Manipulationen durch geeignete vertragliche Vereinbarungen.
Inwiefern sind Benchmarks regulatorisch zu genehmigen oder zu überwachen?
Die Bereitstellung bestimmter Benchmarks – insbesondere solcher mit Relevanz für Finanzmärkte – unterliegt in der EU mit der BMR einer behördlichen Zulassungs- und Aufsichtspflicht. Benchmark-Administratoren müssen sich bei der zuständigen nationalen Aufsichtsbehörde (in Deutschland z.B. bei der BaFin) registrieren bzw. genehmigen lassen. Die Behörde kann unter anderem die internen Organisationsstrukturen, Kontrollmechanismen und die Einhaltung der Verordnung prüfen. Für systemrelevante oder bedeutende Benchmarks gibt es zudem weitergehende Melde- und Prüfpflichten, die u.a. die Veröffentlichung von Methodologien, Notfallplänen und Verfahren für die Überprüfung und Anpassung der Benchmarks erfordern. Nationale Aufsichtsbehörden arbeiten hierfür eng mit der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) zusammen. Jegliche Verstöße können Sanktionen wie Geldbußen, Verwarnungen oder die Untersagung der Bereitstellung des Benchmarks nach sich ziehen.
Welche Anforderungen gelten hinsichtlich der Transparenz und Dokumentation bei Benchmarks?
Benchmarks unterliegen strengen Transparenz- und Dokumentationsvorgaben, um die Nachvollziehbarkeit und Integrität der Index-Bildung sicherzustellen. Dies betrifft insbesondere die Offenlegung der verwendeten Datenquellen, der Berechnungsmethodiken und der angewandten (Qualitäts-)Kontrollen. Zudem sind Änderungen an der Methodik oder an der Governance zu dokumentieren und zeitnah zu kommunizieren. Die EU-Benchmark-Verordnung verlangt u.a. die Veröffentlichung einer sogenannten „Benchmark-Erklärung“, aus der hervorgeht, wie der Benchmark gebildet wird, welche Annahmen und Limitationen bestehen und welche verwendbaren Datenquellen zugrunde liegen. Darüber hinaus müssen alle relevanten Vorgänge, wie z.B. Datenzugriffe, Rechenprozesse oder Kommunikationsflüsse mit Datenlieferanten, revisionssicher dokumentiert und ggf. den Aufsichtsbehörden zugänglich gemacht werden.
Was ist bei der grenzüberschreitenden Nutzung von Benchmarks zu beachten?
Die grenzüberschreitende Nutzung von Benchmarks erfordert besondere Aufmerksamkeit hinsichtlich der Kompatibilität verschiedener Rechtsordnungen und regulatorischer Vorgaben. Für die Nutzung von Benchmarks, die von Anbietern außerhalb der EU bereitgestellt werden, gelten besondere Zulassungsvoraussetzungen („Equivalence“, „Recognition“ oder „Endorsement“ gemäß BMR). Die EU-Benchmark-Verordnung schreibt vor, dass Drittländer-Benchmarks entweder von der EU-Kommission als gleichwertig anerkannt sein müssen oder eine Anerkennung durch eine nationale Aufsicht stattgefunden haben muss. Ohne eine solche Anerkennung dürfen in der EU ansässige Finanzinstitute solche Benchmarks grundsätzlich nicht verwenden. Dies betrifft insbesondere internationale Finanzinstitute, Investmentfonds oder Unternehmen mit globaler Geschäftstätigkeit, die Benchmarks aus verschiedenen Jurisdiktionen kombinieren. Verstöße können zu erheblichen aufsichtsrechtlichen und zivilrechtlichen Konsequenzen führen.