Begriff und Abgrenzung der künstlichen Befruchtung
Die künstliche Befruchtung (medizinisch: assistierte Reproduktion) bezeichnet Verfahren, bei denen eine Befruchtung der weiblichen Eizelle mit männlichen Samenzellen außerhalb oder innerhalb des Körpers unter Mithilfe medizinisch-technischer Maßnahmen erfolgt. Ziel ist die Herbeiführung einer Schwangerschaft bei Paaren oder Einzelpersonen mit eingeschränkter natürlicher Empfängnisfähigkeit. Der Begriff umfasst verschiedene Methoden wie Insemination, In-vitro-Fertilisation (IVF) und Intracytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI).
Bei der rechtlichen Betrachtung ist zwischen künstlicher und natürlicher Befruchtung sowie weiteren Formen der Fortpflanzungsunterstützung (donogene, heterologe oder homologe Verfahren) zu unterscheiden.
Gesetzliche Grundlagen und Regelungen
Deutschland
Im deutschen Recht wird die künstliche Befruchtung maßgeblich durch das Embryonenschutzgesetz (ESchG), das Adoptionsvermittlungsgesetz und das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) geregelt. Daneben bestehen Vorgaben aus dem Gendiagnostikgesetz (GenDG) und berufsrechtliche Richtlinien für die Durchführung der Verfahren.
Embryonenschutzgesetz (ESchG)
Das Embryonenschutzgesetz setzt den zentralen rechtlichen Rahmen für den Schutz des Embryos bei künstlicher Befruchtung. Es regelt unter anderem:
- Begrenzung der Zahl der zu befruchtenden Eizellen (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG)
- Verbot der Eizell- und Embryonenspende in bestimmten Konstellationen (§ 1 Abs. 1 Nr. 7, 9 ESchG)
- Verbot des Klonens, der Geschlechtswahl und von Eingriffen in das Erbgut (§ 5, § 3 ESchG)
Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
Das BGB nimmt Bezug auf die Elternschaft bei künstlicher Befruchtung (§ 1592, § 1600d, § 1600e BGB) und regelt die Rechtsfolgen hinsichtlich Abstammung, Unterhalts- und Erbansprüche des Kindes.
Sozialgesetzbuch (SGB V)
Das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch regelt, unter welchen Voraussetzungen die Kosten der künstlichen Befruchtung von der gesetzlichen Krankenversicherung ganz oder teilweise übernommen werden (§ 27a SGB V).
Europäische und internationale Regelungen
Innerhalb der Europäischen Union existieren keine verbindlichen, einheitlichen Regelungen zur künstlichen Befruchtung; die Gesetzgebung obliegt den Mitgliedsstaaten. Internationale Standards setzen das Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte und Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin (Oviedo-Konvention) sowie Empfehlungen des Europarates.
Zulässige Verfahren und rechtliche Voraussetzungen
Zulässigkeit und Durchführung
In Deutschland sind folgende Verfahren unter bestimmten Bedingungen zulässig:
- Homologe Insemination: Befruchtung der Eizelle mit Samen des Partners.
- Heterologe Insemination: Befruchtung mit Spendersamen, sofern die Ehefrau oder Partnerin des Lebenspartners zustimmt.
Eine künstliche Befruchtung bei alleinstehenden Frauen, gleichgeschlechtlichen Paaren oder transgeschlechtlichen Personen ist rechtlich möglich, jedoch bestehen Einschränkungen hinsichtlich der Kostenübernahme und Anerkennung der Elternschaft.
Ärztliche Pflichten und Aufklärung
Vor Beginn der Behandlung sind umfassende ärztliche Aufklärung und Beratung zu rechtlichen, medizinischen und psychosozialen Aspekten verpflichtend (§ 630e BGB, § 27a SGB V, Richtlinien der Bundesärztekammer). Die Einwilligung beider Empfänger ist Voraussetzung für die Durchführung.
Embryonenschutz, Status des Embryos und Strafrecht
Embryonenschutz und Statistik
Das Embryonenschutzgesetz definiert den Begriff des Embryos und schützt diesen rechtlich ab dem Zeitpunkt der Kernverschmelzung. Die Herstellung, Verwendung und Weitergabe von Embryonen ist mit strengen Bedingungen belegt. Verstöße stellen Straftaten dar und werden mit Freiheits- oder Geldstrafe geahndet.
Strafrechtliche Aspekte
Strafbar sind unter anderem:
- Die künstliche Befruchtung zu nicht-therapeutischen Zwecken
- Herstellung überzähliger Embryonen (z. B. zu Forschungszwecken)
- Durchführung nicht erlaubter Geschlechtswahl oder Klonierung
Kostenübernahme und Versicherung
Die Kostenübernahme ist in Deutschland an enge gesetzliche Voraussetzungen geknüpft:
- Altersgrenzen: Beide Partner sollten das 25. Lebensjahr vollendet und die Frau darf das 40., der Mann das 50. Lebensjahr nicht überschritten haben.
- Eheliche oder eingetragene Partnerschaft erforderlich (nach Bundesmantelvertrag-Ärzte und SGB V).
- Maximal drei Behandlungszyklen werden übernommen, zu jeweils bis zu 50 % der Kosten.
Private Krankenversicherungen und Beihilfe können abweichende Regelungen vorsehen.
Abstammungsrecht und Elternschaft
Abstammung des Kindes bei künstlicher Befruchtung
Nach § 1592 BGB ist der Ehemann der Mutter Vater des Kindes, auch wenn eine heterologe Insemination mit Spendersamen erfolgt wurde, insofern er zugestimmt hat. Die Samenspender haben keine Unterhalts- oder Sorgerechtsansprüche, wenn die Behandlung ärztlich vorgenommen wurde und die Voraussetzungen des § 1600d Abs. 4 BGB erfüllt sind.
Problemfelder bei Patchwork-, gleichgeschlechtlichen und nicht verheirateten Paaren
Für nicht verheiratete oder gleichgeschlechtliche Paare sind die rechtlichen Konstellationen komplex. Hier kann es zu Fragen der Vaterschaftsanerkennung, Adoptionsverfahren oder gerichtlichen Entscheidungen kommen.
Informations- und Dokumentationspflichten
Kliniken, Praxen und Samenbanken sind verpflichtet, umfassende Akten zu führen und Informationen über Spender und die Durchführung der Behandlung aufzubewahren. Gemäß Gewebegesetz und Datenschutzregelungen bestehen Aufbewahrungspflichten von mindestens 30 Jahren.
Ethik und Zukunftsperspektiven
Die rechtliche Behandlung der künstlichen Befruchtung beinhaltet stets ethische Abwägungen, insbesondere bei Fragen der Embryonenforschung, Präimplantationsdiagnostik (PID) und Leihmutterschaft (letztere ist in Deutschland verboten). Laufende gesellschaftliche und rechtliche Debatten könnten in Zukunft zu Anpassungen der gesetzlichen Grundlagen führen, insbesondere im Hinblick auf neue Familienformen und wissenschaftliche Entwicklungen.
Literatur und Quellen
- Embryonenschutzgesetz (ESchG)
- Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
- SGB V – Fünftes Buch Sozialgesetzbuch
- Richtlinien der Bundesärztekammer zur Durchführung der assistierten Reproduktion
- Empfehlungen des Deutschen Ethikrates
Letzte Aktualisierung: Juni 2024
Häufig gestellte Fragen
Wer ist rechtlich als Mutter eines durch künstliche Befruchtung geborenen Kindes anzusehen?
Nach deutschem Recht ist gemäß § 1591 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) die Frau rechtlich Mutter eines Kindes, die es geboren hat, unabhängig davon, ob die Eizelle von ihr stammt oder eine Eizellspende stattgefunden hat. Im Fall der künstlichen Befruchtung bleibt eine Frau, die eine von einer Dritten gespendete befruchtete Eizelle austrägt und das Kind zur Welt bringt, rechtlich die Mutter, auch wenn genetisch keine Verbindung besteht. Eine rechtliche Mutterschaft der Eizellspenderin wird ausgeschlossen. Dies dient der Rechtssicherheit und Klarheit in der Eltern-Kind-Zuordnung. Außerdem gilt diese Regelung unabhängig davon, ob die Befruchtung durch den Samen des Partners oder eines Dritten (Samenspender) erfolgte. Adoptionen, Anfechtungen der Mutterschaft oder Abtretungen der Elternschaft sind in diesen Fällen nach deutschem Recht nicht vorgesehen; vielmehr gibt ausschließlich die Geburt den maßgeblichen rechtlichen Status.
Unter welchen Bedingungen ist künstliche Befruchtung in Deutschland zulässig?
Die Zulässigkeit künstlicher Befruchtung in Deutschland ist im Embryonenschutzgesetz (ESchG) geregelt. Die Durchführung ist grundsätzlich nur zugelassen, wenn sie von einem Arzt vorgenommen wird und mit Einwilligung beider beteiligten Partner (im Regelfall eines verheirateten oder in einer festen Partnerschaft lebenden Paares) erfolgt. Zudem sind bestimmte Methoden, wie z.B. die Leihmutterschaft oder die Eizellspende, in Deutschland verboten (§ 1 Abs. 1 Nr. 7 und 8 ESchG). Zulässig sind hingegen die homologe Insemination (Samen des Partners) und die heterologe Insemination (Samen eines Spenders). Jede Maßnahme muss mit Achtung vor der Menschenwürde und dem Schutz des entstehenden Lebens erfolgen. Verstöße stellen Straftaten dar und können mit hohen Geld- oder Freiheitsstrafen geahndet werden.
Welche rechtlichen Ansprüche kann ein Kind gegenüber einem Samenspender geltend machen?
Ein durch künstliche Befruchtung mit Samenspende gezeugtes Kind hat gemäß § 1600d BGB ein Recht darauf, die Abstammung des Vaters feststellen zu lassen. Mit Inkrafttreten des Samenspenderregistergesetzes (SaRegG) 2018 wurde weiter festgelegt, dass das Kind ab dem 16. Lebensjahr Auskunft über die Identität des Samenspenders erhalten kann. Der Samenspender ist jedoch rechtlich nicht als Vater des Kindes anzusehen und hat keinerlei Unterhalts-, Erziehungs- oder Sorgerechtsansprüche oder -pflichten (§ 1600 Abs. 4 BGB). Eine Vaterschaftsfeststellungsklage ist gegenüber dem Samenspender nicht möglich, sofern das Kind durch künstliche Befruchtung und nach erfolgter Einwilligung des rechtlichen Partners (z.B. Ehemann) zur Welt kam.
Wer trägt die rechtliche Verantwortung für das durch künstliche Befruchtung gezeugte Kind?
Die rechtliche Verantwortung, insbesondere die Sorge- und Unterhaltspflicht, tragen die rechtlichen Eltern, also die Mutter (Gebärende) und ihr Ehepartner bzw. der Mann, der der Befruchtung zugestimmt hat (§ 1592 BGB). Diese Verantwortung ist unabhängig von einer etwaigen genetischen Vaterschaft des Samenspenders. Bei unverheirateten Frauen, deren Partnerschaft nicht bestand oder der Partner nicht zugestimmt hat, besteht die Möglichkeit, dass das Kind ohne rechtlichen Vater aufwächst oder eine Vaterschaftsanerkennung notwendig wird. Die rechtlichen Eltern sind für das Wohl und die Entwicklung des Kindes verantwortlich und können die Verantwortung nicht auf Dritte, etwa den Samenspender, übertragen.
Wie ist der Zugang zur künstlichen Befruchtung für gleichgeschlechtliche Paare rechtlich geregelt?
In Deutschland besteht zwar kein explizites gesetzliches Verbot der künstlichen Befruchtung für gleichgeschlechtliche Paare, jedoch ergibt sich aus dem Recht der ärztlichen Berufsausübung und den ärztlichen Leitlinien meist eine Beschränkung auf heterosexuelle Paare oder Frauen mit Kinderwunsch. Ärztinnen und Ärzte dürfen die Behandlung nach eigenem Ermessen ablehnen, sofern medizinische oder ethische Bedenken bestehen. Rechtlich ist zu beachten, dass bei lesbischen Paaren nach aktueller Gesetzeslage nur die gebärende Partnerin als Mutter gilt; die Mitselbigkeit der Partnerin kann durch eine Stiefkindadoption begründet werden. Schwule Paare haben in Deutschland aufgrund des Verbots der Leihmutterschaft keinen Zugang zur künstlichen Befruchtung mit eigener Elternschaft, es sei denn, das Kind wird im Ausland nach dortigem Recht mit Leihmutter geboren und anschließend in Deutschland adoptiert.
Welche Aufbewahrungsfristen und rechtlichen Bestimmungen gelten für Samen- und Eizellproben?
Die Aufbewahrung von Samen-, Ei- und Embryoproben ist in Deutschland streng reguliert. Nach dem Samenspenderregistergesetz müssen die Daten über Samenspenden mindestens 110 Jahre aufbewahrt und gesichert werden, um dem Kind die Möglichkeit zur Abstammungsauskunft zu gewährleisten (§ 17 SaRegG). Für Embryonen besteht nach dem Embryonenschutzgesetz eine Pflicht zur Ausschöpfung der jeweiligen Zweckbindung; eine unbegrenzte Lagerung ist nicht zulässig. Eine Vernichtung ist vorzunehmen, wenn der Lagerungszweck entfällt oder eine Nutzung nach den gesetzlichen Vorschriften nicht mehr erlaubt ist. Die Einwilligungen, Herkunft und Verwendungszwecke müssen lückenlos dokumentiert und vor unbefugtem Zugriff geschützt sein.
Welche strafrechtlichen Sanktionen drohen bei Verstößen gegen die Gesetze zur künstlichen Befruchtung?
Verstöße gegen das Embryonenschutzgesetz oder das Samenspenderregistergesetz werden strafrechtlich verfolgt. Illegale Praktiken wie Eizellspende, Leihmutterschaft, unzulässige Mehrfachbefruchtungen und Manipulationen werden mit Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren oder Geldstrafen geahndet (§ 11 ESchG). Die unbefugte Offenlegung oder Nichtaufbewahrung personenbezogener Daten eines Kindes oder Samenspenders kann ebenfalls empfindliche Bußgelder und Schadenersatzforderungen nach sich ziehen (§ 39 SaRegG). Ärztliche Standesverstöße können außerdem zum Entzug der Approbation führen. Damit dienen die Sanktionen dem Schutz von Eltern, Kindern und dem medizinisch-ethischen Rahmen.
Inwiefern ist die grenzüberschreitende Inanspruchnahme künstlicher Befruchtung rechtlich riskant?
Immer mehr Paare nutzen ausländische Angebote, etwa zur Eizellspende oder Leihmutterschaft, da diese Methoden im Ausland oft legaler oder leichter zugänglich sind. Rechtlich problematisch ist jedoch, dass durch im Ausland erfolgte Behandlungen kein automatischer Anspruch auf Eintragung als rechtliche Eltern in deutschen Registern besteht. Insbesondere die Anerkennung von ausländischen Geburtsurkunden oder Elternschaften nach Leihmutterschaft kann in Deutschland rechtlich angefochten oder verweigert werden, was zu erheblichen rechtlichen Unsicherheiten, insbesondere hinsichtlich des Sorgerechts und der Staatsangehörigkeit des Kindes, führen kann. Eltern sollten sich daher vorab umfassend zu den rechtlichen Konsequenzen informieren und ggf. anwaltliche Beratung einholen.