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Befreiung des Schuldners

Begriff und Einordnung: Befreiung des Schuldners

Die Befreiung des Schuldners bezeichnet das rechtliche Ergebnis, dass eine bestehende Forderung gegenüber dem Schuldner nicht mehr besteht oder nicht mehr durchgesetzt werden kann. Je nach Ursache kann die Befreiung endgültig sein (die Forderung erlischt) oder lediglich die Durchsetzbarkeit hemmen (die Forderung bleibt bestehen, ist aber nicht mehr einklagbar). Der Begriff knüpft an die zentrale Frage an, wie und unter welchen Voraussetzungen ein Schuldverhältnis beendet oder in seinem Durchsetzungsumfang reduziert wird.

Kerngedanke

Im Mittelpunkt steht das Erlöschen oder die rechtliche Neutralisierung einer Forderung gegenüber dem Schuldner. Dies kann durch Erfüllung, vertragliche Abreden, gesetzlich vorgesehene Mechanismen oder besondere Ereignisse eintreten. Die Wirkungen erstrecken sich regelmäßig auch auf Nebenrechte und Sicherheiten.

Formen der Befreiung

Es lassen sich zwei Grundformen unterscheiden: die endgültige Befreiung, bei der die Forderung erlischt, und die Befreiung in Form einer Durchsetzungshemmung, bei der die Forderung als sogenannte Naturalobligation fortbesteht, aber gegen den Willen des Schuldners nicht mehr durchgesetzt werden kann.

Typische Befreiungsgründe im Überblick

Erfüllung (Leistung bewirkt Befreiung)

Die Erfüllung ist der Regelfall der Befreiung: Der Schuldner erbringt die geschuldete Leistung ordnungsgemäß, vollständig und an den richtigen Empfänger. Damit erlischt die Forderung. Eine ordnungsgemäße Erfüllung setzt grundsätzlich voraus, dass die Leistung dem Inhalt, dem Zeitpunkt und dem Leistungsort der geschuldeten Verpflichtung entspricht.

Leistung durch Dritte, an Erfüllungs Statt und erfüllungshalber

Eine Leistung kann auch durch Dritte erbracht werden. Sie befreit den Schuldner, wenn der Gläubiger sie als Erfüllung annimmt. Bei einer Leistung an Erfüllungs Statt akzeptiert der Gläubiger eine andere als die geschuldete Leistung als endgültigen Ersatz; die Forderung erlischt. Bei einer Leistung erfüllungshalber erhält der Gläubiger eine andere Leistung (etwa ein Zahlungsmittel oder eine Forderung) zur Verwertung; die Befreiung tritt erst mit erfolgreicher Verwertung ein.

Erlass und Vergleich

Der Erlass ist eine Vereinbarung zwischen Gläubiger und Schuldner, durch die der Gläubiger ganz oder teilweise auf die Forderung verzichtet. Ein Vergleich ist eine einvernehmliche Regelung, die streitige oder ungewisse Punkte abschließend klärt, häufig verbunden mit teilweiser Befreiung gegen Zugeständnisse beider Seiten.

Aufrechnung

Durch Aufrechnung werden zwei gleichartige, fällige Forderungen, die sich gegenüberstehen, in Höhe des geringeren Betrags zum Erlöschen gebracht. Die Befreiung wirkt insoweit, wie sich die Forderungen decken. Voraussetzungen und Ausschlüsse der Aufrechnung richten sich nach den jeweils geltenden gesetzlichen Regeln.

Hinterlegung und Annahmeverzug

Ist der Gläubiger im Annahmeverzug oder bestehen sonstige Hinterlegungsvoraussetzungen, kann der Schuldner die geschuldete Sache oder den Geldbetrag hinterlegen. Die ordnungsgemäße Hinterlegung kann die gleiche Wirkung wie Erfüllung entfalten und den Schuldner befreien.

Konfusion (Vereinigung von Schuldner- und Gläubigerstellung)

Vereint eine Person Gläubiger- und Schuldnerstellung in Bezug auf dieselbe Forderung (etwa durch Gesamtrechtsnachfolge), erlischt die Forderung in der Regel, da niemand von sich selbst Leistung verlangen kann.

Unmöglichkeit und Wegfall der Geschäftsgrundlage

Wird die Leistung dauerhaft unmöglich, kann der Leistungsanspruch erlöschen. Abhängig von Ursache und Verantwortungsbereich können Ausgleichs- oder Ersatzansprüche bestehen. Beim Wegfall der Geschäftsgrundlage kann eine Vertragsanpassung oder Beendigung in Betracht kommen; dadurch können einzelne Leistungspflichten entfallen oder umgestaltet werden.

Rücktritt, Kündigung, Anfechtung und Widerruf

Der Rücktritt wandelt das Schuldverhältnis regelmäßig in ein Rückgewährschuldverhältnis um; der ursprüngliche Erfüllungsanspruch erlischt, an seine Stelle treten Rückabwicklungsansprüche. Die Kündigung beendet Dauerschuldverhältnisse für die Zukunft; zukünftige Leistungspflichten entfallen. Anfechtung und Widerruf können dazu führen, dass vertragliche Ansprüche nicht entstehen oder rückwirkend wegfallen; daraus können Rückabwicklungs- oder Bereicherungsansprüche folgen.

Befreiende Schuldübernahme, Vertragsübernahme und Novation

Bei befreiender Schuldübernahme tritt ein neuer Schuldner an die Stelle des bisherigen, der damit aus der Verpflichtung ausscheidet. Eine Vertragsübernahme kann sämtliche wechselseitigen Rechte und Pflichten auf einen Dritten verlagern. Bei der Novation wird ein Schuldverhältnis durch ein neues ersetzt; die ursprüngliche Forderung erlischt.

Verjährung: Hemmung der Durchsetzbarkeit

Die Verjährung beseitigt die rechtliche Durchsetzbarkeit eines Anspruchs, ohne ihn als solchen zu vernichten. Der Schuldner kann die Leistung verweigern. Leistet er dennoch, ist dies grundsätzlich wirksam und kann nicht ohne Weiteres zurückgefordert werden.

Restschuldbefreiung in der Insolvenz

Die Restschuldbefreiung ist ein besonderer Mechanismus der Entschuldung nach einem Insolvenzverfahren. Sie bewirkt, dass bestimmte restliche Verbindlichkeiten des Schuldners nicht mehr durchgesetzt werden können. Nicht alle Forderungen werden erfasst; teils bestehen Ausnahmen. Die Restschuldbefreiung hat weitreichende Wirkungen auch gegenüber Mitverpflichteten und Sicherheiten, jedoch mit eigenständigen Besonderheiten.

Rechtsfolgen der Befreiung

Nebenforderungen und Sicherheiten

Mit dem Erlöschen der Hauptforderung entfallen regelmäßig akzessorische Nebenrechte, etwa Zinsen aus Verzug und persönliche oder dingliche Sicherheiten, soweit sie von der Hauptforderung abhängen. Selbstständige Sicherungen können abweichenden Regeln folgen.

Wirkung gegenüber Dritten (Bürgen, Mit- und Gesamtschuldner)

Bei Gesamtschuldnern führt die Erfüllung durch einen Schuldner zur Befreiung aller gegenüber dem Gläubiger. Im Innenverhältnis bestehen Ausgleichsansprüche nach den internen Abreden oder gesetzlichen Leitlinien. Wird der Hauptschuldner befreit, erfasst dies regelmäßig auch akzessorische Sicherungsgeber, sofern keine abweichenden Vereinbarungen bestehen.

Teilweise Befreiung und Anrechnungsfragen

Eine teilweise Befreiung reduziert die Forderung in der entsprechenden Höhe. Zahlungen werden nach Tilgungsbestimmungen oder gesetzlichen Anrechnungsregeln auf Zinsen, Kosten und Hauptforderung verteilt.

Nachweis- und Beweislast

Belege und Indizien

Für die Befreiung sind Nachweise von Bedeutung, etwa Zahlungsbelege, Kontoauszüge, Quittungen oder schriftliche Abreden. Bei nicht monetären Leistungen kommen Übergabe- oder Abnahmeunterlagen in Betracht. Die Darlegung, dass eine der Befreiungsursachen eingetreten ist, folgt den allgemeinen Regeln der Beweislast.

Streit über die Befreiung

Kommt es zum Streit, ob Befreiung eingetreten ist, stehen prozessuale Mittel zur Verfügung, um die Einwendungen geltend zu machen oder die Nichtexistenz der Forderung klären zu lassen. Maßgeblich sind die jeweiligen Verfahrensregeln.

Besonderheiten bei bestimmten Schuldverhältnissen

Dauerschuldverhältnisse

Bei fortlaufenden Leistungen (z. B. Miete, Versorgung) führt die ordnungsgemäße Erbringung der Einzelleistungen zum sukzessiven Erlöschen der jeweiligen Teilforderungen. Kündigungen beenden die zukünftigen Pflichten, ohne bereits entstandene Forderungen nachträglich zu beseitigen.

Verbraucherdarlehen und Sicherheiten

Bei Darlehen führt die vollständige Rückzahlung zur Befreiung und regelmäßig zur Beendigung akzessorischer Sicherheiten. Vorzeitige Rückzahlungen, Zinsanpassungen oder Vergleiche können den Umfang der Befreiung beeinflussen.

Arbeitsentgelt

Die Zahlung von Lohnansprüchen bewirkt Befreiung in entsprechender Höhe. Abtretungen, Verpfändungen und Pfändungen können beeinflussen, an wen mit befreiender Wirkung geleistet werden kann.

Öffentliche Abgaben

Bei Abgaben und Beiträgen gelten besondere Regelungen zur Entstehung, Festsetzung, Fälligkeit und Befreiung. Erfüllung oder Verrechnungen im Verwaltungsverfahren können zur Befreiung führen; maßgeblich sind die einschlägigen öffentlich-rechtlichen Vorgaben.

Abgrenzungen und verwandte Begriffe

Naturalobligation

Bei der Naturalobligation besteht der Anspruch als solcher fort, ist aber nicht gerichtlich durchsetzbar. Eine erbrachte Leistung ist in der Regel wirksam und kann nicht ohne Weiteres zurückgefordert werden.

Stundung und Moratorium

Stundung verschiebt die Fälligkeit oder Durchsetzbarkeit, ohne die Forderung zu beseitigen. Sie ist daher keine Befreiung, sondern eine zeitliche Entlastung.

Vergleich gegenüber Erlass

Beide Instrumente können zur (teilweisen) Befreiung führen. Der Erlass ist ein Verzicht ohne Gegenleistung, der Vergleich beruht auf gegenseitigen Zugeständnissen zur Beilegung eines Streits oder einer Ungewissheit.

Tilgungsbestimmung und Anrechnung

Bei mehreren Forderungen zwischen denselben Parteien kann eine Tilgungsbestimmung festlegen, welche Forderung durch eine Zahlung erlischt. Fehlt eine Bestimmung, greifen gesetzliche Anrechnungsregeln.

Häufig gestellte Fragen

Was bedeutet Befreiung des Schuldners im rechtlichen Sinn?

Sie bezeichnet das Erlöschen einer Forderung oder die rechtliche Situation, in der eine Forderung gegen den Willen des Schuldners nicht mehr durchgesetzt werden kann. Die Befreiung kann endgültig sein oder als bloße Durchsetzungshemmung wirken.

Welche Vorgänge führen typischerweise zur Befreiung?

Zu den häufigsten Ursachen zählen Erfüllung, Erlass, Vergleich, Aufrechnung, Hinterlegung bei Annahmeverzug, Konfusion, befreiende Schuldübernahme, Vertragsübernahme, Novation, Rücktrittsfolgen sowie in besonderen Verfahren die Restschuldbefreiung. Je nach Konstellation erlöschen Forderungen ganz oder teilweise.

Ist Verjährung dasselbe wie Befreiung?

Verjährung beseitigt die gerichtliche Durchsetzbarkeit, lässt den Anspruch als Naturalobligation aber bestehen. Sie ist daher keine vollständige Befreiung im Sinne eines Erlöschens, sondern eine dauerhafte Einrede gegen die Durchsetzung.

Reicht eine Zahlung an einen Dritten zur Befreiung aus?

Eine Zahlung an einen Dritten befreit, wenn dieser zur Entgegennahme berechtigt ist oder der Gläubiger sie annimmt. Ohne Berechtigung oder Zustimmung kann die Leistung wirkungslos sein. Besondere Regeln gelten bei Abtretung, Pfändung oder gesetzlicher Empfangszuständigkeit.

Was geschieht mit Zinsen und Sicherheiten nach der Befreiung?

Mit dem Erlöschen der Hauptforderung entfallen regelmäßig akzessorische Nebenforderungen und Sicherheiten. Selbstständige Sicherungsinstrumente können fortbestehen, soweit sie nicht an die Hauptforderung gebunden sind oder abweichende Abreden bestehen.

Wie wirkt sich eine Restschuldbefreiung aus?

Sie führt dazu, dass bestimmte restliche Verbindlichkeiten nicht mehr durchgesetzt werden können. Ausnahmen sind möglich. Die Wirkungen erstrecken sich auch auf Mitverpflichtete und Sicherheiten nach besonderen Regeln des Insolvenzrechts.

Kann eine Forderung nach einer Befreiung wieder aufleben?

In Einzelfällen kann eine Forderung wieder aufleben, etwa wenn eine Befreiungsursache rückgängig gemacht oder angefochten wird. Besondere Konstellationen bestehen im Zusammenhang mit Insolvenzanfechtung oder auflösenden Bedingungen.