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Befreiung des Schuldners


Allgemeine Definition der Befreiung des Schuldners

Die Befreiung des Schuldners bezeichnet im deutschen Zivilrecht das Erlöschen oder die Beseitigung einer auf den Schuldner gerichteten Verbindlichkeit. Sie ist ein zentraler Begriff des Schuldrechts und beschreibt Situationen, in denen ein Schuldverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner vollständig oder teilweise beendet wird, sodass der Schuldner von seiner Leistungspflicht entbunden ist. Die Befreiung kann durch gesetzliche Regelungen, vertragliche Abreden oder hoheitliche Maßnahmen erfolgen.

Rechtsgrundlagen und gesetzliche Regelungen

Erlöschen der Schuld als Befreiungstatbestand

Das Erlöschen einer Verbindlichkeit nach §§ 362 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist der häufigste Fall der Befreiung des Schuldners. Die Erfüllung (§ 362 BGB) bewirkt die vollständige Tilgung der Schuld durch Bewirkung der geschuldeten Leistung. Daneben regeln verschiedene gesetzliche Institute weitere Befreiungsmechanismen, wie etwa die Aufrechnung (§§ 387 ff. BGB), die Hinterlegung (§§ 372 ff. BGB), die Leistung an Erfüllung statt (§ 364 BGB) oder die Leistung erfüllungshalber (§ 364 Abs. 2 BGB).

Vertragliche Befreiung durch Erlassvertrag

Gemäß § 397 BGB kann die Befreiung des Schuldners auch durch einen sogenannten Erlassvertrag erfolgen. In diesem Fall verzichtet der Gläubiger aufgrund vertraglicher Vereinbarung mit dem Schuldner auf die Erfüllung der Forderung. Der Erlass ist ein Vertrag, für dessen Wirksamkeit zwei übereinstimmende Willenserklärungen erforderlich sind.

Schriftform und Inhaltserfordernisse

Für die Wirksamkeit des Erlassvertrags ist grundsätzlich keine besondere Form vorgeschrieben, es sei denn, das Grundgeschäft unterliegt einer besonderen Form (z.B. bei Grundstücksgeschäften). Inhaltlich muss der Verzicht des Gläubigers auf die Forderung eindeutig erklärt werden.

Befreiung durch Aufhebungsvertrag

Neben dem Erlassvertrag kann auch ein allgemeiner Aufhebungsvertrag zwischen Gläubiger und Schuldner zur Befreiung führen. Hierbei wird das gesamte Schuldverhältnis einvernehmlich aufgehoben, was auch zur Befreiung des Schuldners von sämtlichen ausstehenden Verpflichtungen führt.

Besondere Befreiungstatbestände

Schuldbefreiung durch gesetzliche Anordnung

Bestimmte gesetzliche Vorschriften ordnen eine Befreiung des Schuldners von Gesetzes wegen an. Beispiele hierfür sind:

  • Verbraucherinsolvenzverfahren (§ 301 InsO): Hier kann der Schuldner durch gerichtlichen Beschluss von verbleibenden Verbindlichkeiten gegenüber Insolvenzgläubigern befreit werden (sog. Restschuldbefreiung).
  • Pfändungsschutz: Bestimmte Schulden (Pfändungsschutzkonten) und Forderungen sind gesetzlich von einer Vollstreckung ausgenommen, sodass der Schuldner insoweit frei bleibt.

Befreiung durch hoheitliche Anordnung

Unter bestimmten Umständen kann eine Behörde oder ein Gericht entscheiden, dass der Schuldner von einer Verbindlichkeit entbunden wird. Beispiele umfassen:

  • Steuererlass (§ 227 AO): Die Finanzbehörde kann aus Billigkeitsgründen die Befreiung von Steuerverbindlichkeiten anordnen.
  • Öffentlich-rechtlicher Forderungsverzicht: Beispielsweise können Kommunen durch Bescheid Verbindlichkeiten gegenüber dem Schuldner aufgeben.

Unterschied zur Leistungsbefreiung durch Dritte

Eine Befreiung des Schuldners kann auch in Form der Erfüllung durch einen Dritten erfolgen. Erbringt ein Dritter die geschuldete Leistung, wird der Schuldner gemäß § 267 BGB von seiner Verpflichtung frei, sofern keine höchstpersönliche Leistung geschuldet wird.

Arten und Praxisbeispiele

Vollständige und teilweise Befreiung

  • Vollständige Befreiung: Die gesamte Schuld wird aufgehoben (z.B. vollständiger Erlass).
  • Teilweise Befreiung: Nur ein Teilbetrag der Schuld wird erlassen, im Übrigen besteht die Verbindlichkeit fort.

Praxisrelevante Fälle

  • Vergleich (§ 779 BGB): Durch Abschluss eines Vergleichs kann eine neue Schuld begründet und die alte erlassen werden.
  • Stundung: Die Leistungspflicht wird für einen bestimmten Zeitraum suspendiert, jedoch nicht endgültig aufgehoben. Erst durch Verzicht des Gläubigers nach Ablauf der Frist erfolgt die Befreiung.
  • Verjährung (§§ 194 ff. BGB): Der Schuldner kann nach Eintritt der Verjährung die Leistung dauerhaft verweigern; formal bleibt die Schuld bestehen, ist jedoch nicht mehr erzwingbar.

Rechtsfolgen der Befreiung des Schuldners

Wird der Schuldner von seiner Verpflichtung befreit, erlischt das Schuldverhältnis, und der Gläubiger kann die Leistung nicht mehr rechtswirksam fordern. Alle akzessorischen Sicherheiten (wie Bürgschaften) erlöschen grundsätzlich ebenfalls, soweit sie auf die betreffende Forderung bezogen sind.

Besondere Konstellationen und Einschränkungen

Befreiung im Mehrpersonensystem

Im Falle von Gesamtschuldverhältnissen (§§ 421 ff. BGB) erstreckt sich die Befreiung eines einzelnen Gesamtschuldners nicht automatisch auf die anderen Beteiligten, es sei denn, dies ist ausdrücklich vereinbart.

Grenzen der Befreiung

Nicht alle Verbindlichkeiten können beliebig erlässt oder einseitig aufgehoben werden, insbesondere nicht solche mit öffentlich-rechtlichem Hintergrund oder bei institutionalisierten Schranken, wie etwa im Insolvenzrecht.

Zusammenfassung

Die Befreiung des Schuldners ist ein vielschichtiger, über das Privatrecht hinausreichender Begriff. Sie kann durch Vertrag, Gesetz oder hoheitlichen Akt bewirkt werden. In jeder Konstellation erlischt die Verpflichtung des Schuldners ganz oder teilweise, wodurch rechtliche Bindungen gelöst werden und rechtliche wie tatsächliche Sicherheit für alle Beteiligten entsteht.

Häufig gestellte Fragen

In welchen Fällen kann eine Befreiung des Schuldners im deutschen Recht erfolgen?

Im deutschen Recht kann eine Befreiung des Schuldners auf vielfältige Weise erfolgen. Typischerweise geschieht dies durch Erfüllung der geschuldeten Leistung gemäß § 362 BGB. Daneben gibt es weitere Möglichkeiten wie etwa den Erlassvertrag nach § 397 BGB, eine Aufrechnung nach § 389 BGB oder eine Leistung an Erfüllungs statt gem. § 364 Abs. 1 BGB. Auch gesetzliche Tatbestände kommen in Betracht, etwa der Eintritt einer auflösenden Bedingung (§ 158 Abs. 2 BGB) oder die Unmöglichkeit der Leistung nach § 275 BGB mit darauf folgendem Anspruchsverlust des Gläubigers (§ 326 BGB). Darüber hinaus ermöglicht das Insolvenzverfahren unter gewissen Voraussetzungen eine Restschuldbefreiung gemäß §§ 286 ff. InsO. In seltenen Fällen kann auch die Verjährung, § 214 BGB, zur faktischen Befreiung führen, da nach Ablauf der Verjährungsfrist der Schuldner die Leistung verweigern kann.

Welche rechtlichen Folgen hat ein Erlassvertrag für den Schuldner?

Der Abschluss eines Erlassvertrags nach § 397 BGB bewirkt, dass das Schuldverhältnis ganz oder teilweise aufgehoben wird. Dies bedarf der ausdrücklichen oder zumindest konkludenten Vereinbarung zwischen Gläubiger und Schuldner. Der Schuldner ist nach Wirksamwerden des Erlassvertrages von der betroffenen Verpflichtung rechtlich befreit und kann vom Gläubiger aus dem entsprechend aufgehobenen Anspruch nicht mehr in Anspruch genommen werden. Die Wirkungen sind endgültig und betreffen grundsätzlich auch etwaige Sicherheiten, soweit nichts anderes vereinbart ist. Wurde eine Teilbefreiung vereinbart, verbleibt der anspruchsreduzierte Restbetrag als weiterhin durchsetzbarer Anspruch bestehen.

Ist eine Befreiung des Schuldners auch ohne Mitwirkung des Gläubigers möglich?

Grundsätzlich ist für die rechtswirksame Befreiung des Schuldners die Zustimmung des Gläubigers erforderlich. Es existieren jedoch Ausnahmen: So kann die Forderung auch durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung erlöschen, beispielsweise im Rahmen einer negativen Feststellungsklage, wenn das Gericht feststellt, dass kein Anspruch besteht. Weiterhin kann durch gesetzlichen Forderungsuntergang, etwa infolge Unmöglichkeit der Leistung (§§ 275, 326 BGB), die Verpflichtung des Schuldners ohne Mitwirkung des Gläubigers entfallen. Einen weiteren Ausnahmefall stellt die Verjährung dar: Nach Eintritt der Verjährung besteht der Anspruch fort, der Schuldner kann die Leistung jedoch gemäß § 214 BGB verweigern, was einer praktischen Befreiung gleichkommt.

Welche Rolle spielt die Aufrechnung bei der Befreiung des Schuldners?

Die Aufrechnung ist ein wichtiges Instrument zur Befreiung von Schuldverhältnissen. Nach §§ 387 ff. BGB kann der Schuldner seine Gegenforderung mit der Hauptforderung des Gläubigers aufrechnen. Dies setzt voraus, dass beide Forderungen gleichartig, fällig und durchsetzbar sind und keine gesetzlichen Aufrechnungsverbote bestehen. Die Wirkung der Aufrechnung ist ex tunc, das heißt rückwirkend zum Zeitpunkt des Zusammentreffens der Voraussetzungen (§ 389 BGB). Dadurch erlöschen Haupt- und Gegenforderung – soweit sie sich decken – jeweils in Höhe des niedrigeren Betrags, was eine Befreiung des Schuldners von seiner Verpflichtung bedeutet. Die Aufrechnungserklärung muss gegenüber dem Gläubiger abgegeben werden, ist jedoch einseitig und benötigt nicht dessen Zustimmung.

Welche Besonderheiten gelten bei der Leistung an Erfüllungs statt im Hinblick auf die Befreiung des Schuldners?

Bei der Leistung an Erfüllungs statt (§ 364 Abs. 1 BGB) erbringt der Schuldner mit Zustimmung des Gläubigers eine andere als die ursprünglich geschuldete Leistung. Diese Leistung ersetzt die ursprüngliche Verpflichtung, sodass der Schuldner durch deren Annahme durch den Gläubiger endgültig befreit wird. Die Einigung beider Parteien ist hier essenziell. Solange der Gläubiger die Ersatzleistung nicht annimmt oder ausdrücklich ablehnt, bleibt die ursprüngliche Schuld bestehen. Dies ist von der „Leistung erfüllungshalber“ abzugrenzen, bei der die ursprüngliche Schuld nicht unmittelbar, sondern erst mit erfolgreicher Verwertung der Ersatzleistung erlischt.

Wie wirkt sich die Restschuldbefreiung im Insolvenzverfahren auf den Schuldner aus?

Die Restschuldbefreiung ist ein zentrales Element des Insolvenzrechts (§§ 286 ff. InsO). Sie bewirkt, dass der Schuldner nach Erfüllung bestimmter Voraussetzungen – insbesondere nach Ablauf der Wohlverhaltensphase – von denjenigen Verbindlichkeiten befreit wird, die im eröffneten Verfahren angemeldet wurden und noch nicht erfüllt sind. Die Befreiung wirkt gegenüber allen Insolvenzgläubigern. Nicht erfasst sind jedoch Forderungen, die ausdrücklich von der Restschuldbefreiung ausgenommen sind, wie zum Beispiel Geldstrafen oder Forderungen aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung (§ 302 InsO). Die Restschuldbefreiung gibt überschuldeten Personen die Chance auf einen wirtschaftlichen Neubeginn, ist jedoch an strenge Voraussetzungen und Verhaltenspflichten während des Verfahrens gebunden.

Welche Bedeutung hat die Verjährung hinsichtlich der Befreiung des Schuldners?

Obgleich durch die Verjährung gemäß § 214 BGB der Anspruch nicht selbst erlischt, sondern nur seine Durchsetzbarkeit eingeschränkt wird, hat sie faktisch eine ausschlaggebende Befreiungswirkung für den Schuldner. Nach Eintritt der Verjährung kann der Schuldner die Leistung verweigern, und der Gläubiger ist rechtlich daran gehindert, seinen Anspruch erfolgreich gerichtlich durchzusetzen. Es bleibt dem Schuldner jedoch freigestellt, freiwillig zu leisten, da der verjährte Anspruch sog. „Naturalobligation“ bleibt. Zahlungen nach Eintritt der Verjährung können vom Schuldner in der Regel nicht zurückgefordert werden (§ 813 Abs. 2 BGB).