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Befreiende Schuldübernahme


Begriff und Wesen der befreienden Schuldübernahme

Die befreiende Schuldübernahme ist ein rechtlich bedeutsames Schuldverhältnis innerhalb des deutschen Schuldrechts und bezeichnet die vollständige Übernahme einer bestehenden Verbindlichkeit eines Schuldners durch einen neuen Schuldner mit der Folge, dass der ursprüngliche Schuldner von der Verpflichtung gegenüber dem Gläubiger befreit wird. Die Schuldübernahme setzt voraus, dass der Gläubiger dem Wechsel des Schuldners zustimmt und die Haftung für die betreffende Schuld ausschließlich auf den neuen Schuldner übergeht.

Rechtsgrundlagen und gesetzliche Regelungen

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

Die wesentlichen Regelungen zur befreienden Schuldübernahme finden sich in den §§ 414 bis 416 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Während § 414 BGB die Möglichkeit der Übernahme einer Verbindlichkeit regelt, bestimmt § 415 BGB die Voraussetzungen und Wirkungen einer befreienden Schuldübernahme. Die Schuldübernahme ist von der sogenannten Schuldmitübernahme (§ 427 BGB) und der Erfüllungsübernahme zu unterscheiden.

Voraussetzungen der befreienden Schuldübernahme

Eine befreiende Schuldübernahme setzt typischerweise folgende Voraussetzungen voraus:

  • Bestehende Schuld: Zunächst muss eine rechtlich wirksame, übertragbare Schuldverpflichtung bestehen.
  • Einverständnis aller Beteiligten: Zur Wirksamkeit ist regelmäßig die Zustimmung von Gläubiger und dem Übernehmer der Schuld erforderlich. Auch der ursprüngliche Schuldner muss dem Schuldnerwechsel zustimmen, sofern nicht bereits eine entsprechende Vereinbarung besteht.
  • Vertragliche Vereinbarung: Die Schuldübernahme erfolgt mittels Vertrag, entweder unmittelbar zwischen neuem Schuldner und Gläubiger oder im Wege einer Übernahmevereinbarung, der der Gläubiger zustimmt.

Die Befreiung des ursprünglichen Schuldners tritt erst ein, wenn die Vertragsparteien, insbesondere der Gläubiger, ihre Zustimmung für den Schuldnerwechsel erklärt haben (§ 415 Abs. 1 und 2 BGB).

Rechtsfolgen der befreienden Schuldübernahme

Übergang der Schuld

Durch die befreiende Schuldübernahme geht die gesamte Schuld auf den Übernehmer über. Der ursprüngliche Schuldner wird endgültig und vollständig aus dem Schuldverhältnis entlassen. Gegenüber dem Gläubiger kann der neue Schuldner sämtliche Einreden und Einwendungen geltend machen, die sich aus dem Schuldverhältnis ergeben, jedoch keine persönlichen Rechte des früheren Schuldners (§ 417 BGB).

Sicherheiten und Nebenrechte

Die mit der Schuld verbundenen Sicherheiten (z. B. Bürgschaften, Pfandrechte) bestehen grundsätzlich fort, soweit diese vom neuen Schuldner übernommen werden. Sicherheiten, die von Dritten für den ursprünglichen Schuldner gestellt wurden, bestehen in der Regel nicht fort, es sei denn, der Sicherungsgeber stimmt ausdrücklich zu (§ 418 BGB).

Abgrenzung zu anderen schuldrechtlichen Gestaltungen

Abgrenzung zur Schuldmitübernahme

Im Unterschied zur befreienden Schuldübernahme bleibt bei der Schuldmitübernahme der ursprüngliche Schuldner neben dem neuen Schuldner weiterhin verpflichtet. Es entsteht eine Gesamtschuld, bei der beide Schuldner (Alt- und Neuschuldner) für die Erfüllung der Verbindlichkeit gegenüber dem Gläubiger haften.

Abgrenzung zur Erfüllungsübernahme

Die Erfüllungsübernahme verpflichtet den Übernehmer lediglich im Innenverhältnis zur Erfüllung der schuldrechtlichen Verpflichtung, ohne dass eine Änderung auf Gläubigerseite stattfindet. Für den Gläubiger bleibt der ursprüngliche Schuldner der alleinige Vertragspartner und Schuldner.

Zustimmungserfordernis und Sonderfälle

Einseitige oder dreiseitige Schuldübernahme

Die Schuldübernahme kann einseitig (nur zwischen Übernehmer und Gläubiger) oder dreiseitig (unter Einbeziehung aller Parteien) vereinbart werden. Der gesetzliche Regelfall erfordert, dass der neue Schuldner und der Gläubiger die Schuldübernahme vertraglich vereinbaren (§ 414 BGB).

Zustimmung des Gläubigers

Der Gläubiger kann seine Zustimmung zur Schuldübernahme sowohl vor als auch nach Vertragsschluss erteilen. Die Zustimmung ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung und kann formlos, jedoch beweisbar, abgegeben werden. Durch die Zustimmung des Gläubigers wird der ursprüngliche Schuldner schließlich von seiner Schuld befreit (§ 415 Abs. 2 BGB).

Wirkung bei Verweigerung der Zustimmung

Versagt der Gläubiger seine Zustimmung, bleibt der Schuldübernahmevertrag im Verhältnis zum Gläubiger unwirksam. Der Vertrag kann allerdings im Innenverhältnis als Erfüllungsübernahme wirken.

Praktische Anwendungsbereiche

Schuldübernahme bei Vertragsübertragung

In der Praxis findet die befreiende Schuldübernahme häufig Anwendung bei:

  • Privaten oder gewerblichen Mietverhältnissen bei Mieterwechsel
  • Kreditverträgen bei der Übertragung von Immobiliendarlehen
  • Unternehmensübertragungen bei Übernahme bestehender Verbindlichkeiten

Besonderheiten im Gesellschaftsrecht

Auch im Rahmen gesellschaftsrechtlicher Umstrukturierungen oder im Insolvenzfall kann eine befreiende Schuldübernahme als Instrument zur Entlastung des bisherigen Schuldners in Erwägung gezogen werden.

Risiken und Rechtsschutzinteressen

Die Übernahme einer Schuld birgt für den neuen Schuldner das volle Risiko der Haftung. Es empfiehlt sich, die wirtschaftliche Tragfähigkeit und die Bedingungen der Schuld sorgfältig zu prüfen. Für den Gläubiger bedeutet die befreiende Schuldübernahme einen Schuldnerwechsel, der mit dem Risiko einer eventuell geringeren Bonität des neuen Schuldners verbunden sein kann.

Sicherungsinteressen sind zu wahren, beispielsweise durch die Fortführung oder Bestellung neuer Sicherheiten.

Zusammenfassung

Die befreiende Schuldübernahme ist ein rechtlich klar umrissenes Institut des Schuldrechts, das einen vollständigen Wechsel auf der Schuldnerseite eines bestehenden Schuldverhältnisses ermöglicht. Ihr Ziel ist die endgültige Entlassung des ursprünglichen Schuldners, wobei der Übernehmer voll in die Schuldnerstellung eintritt. Die Wirksamkeit setzt regelmäßig die Zustimmung aller Beteiligten voraus und ist mit spezifischen Rechtsfolgen in Bezug auf Sicherheiten und Nebenrechte verbunden. Die befreiende Schuldübernahme ist rechtlich von der Schuldmitübernahme sowie der Erfüllungsübernahme abzugrenzen und findet in verschiedenen Lebensbereichen praktische Anwendung.

Ein sorgfältiger Umgang mit den Anforderungen und Folgen der Schuldübernahme ist im Interesse aller Beteiligten zu beachten, um rechtliche Risiken und Streitigkeiten zu vermeiden.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für eine befreiende Schuldübernahme vorliegen?

Für eine befreiende Schuldübernahme gelten bestimmte rechtliche Voraussetzungen, die zwingend einzuhalten sind, damit die Schuld wirksam auf einen neuen Schuldner übergeht und der ursprüngliche Schuldner endgültig von seiner Verpflichtung befreit wird. Gemäß § 414 ff. BGB bedarf die Schuldübernahme in der Regel der Zustimmung des Gläubigers. Die Parteien (ursprünglicher Schuldner, neuer Schuldner und Gläubiger) müssen sich also über den Schuldnerwechsel einig sein, wobei der Gläubiger seine Zustimmung ausdrücklich oder konkludent erteilen kann. Außerdem ist die Übernahmeerklärung formfrei möglich, sofern keine besondere Form durch das Rechtsgeschäft (wie etwa bei Grundstücksgeschäften) vorgeschrieben ist. Der Übernehmer muss zudem geschäftsfähig sein und es dürfen keine gesetzlichen Verbote entgegenstehen. Die Wirksamkeit kann ferner davon abhängen, dass der Gegenstand der Schuldübernahme eine übertragbare Schuld ist und keine höchstpersönlichen Verpflichtungen betrifft.

Wie unterscheidet sich die befreiende Schuldübernahme von der kumulativen Schuldübernahme?

Die befreiende Schuldübernahme ist dadurch gekennzeichnet, dass der neue Schuldner an die Stelle des ursprünglichen Schuldners tritt und dieser dadurch vollständig von seiner Verpflichtung gegenüber dem Gläubiger entlastet wird (§ 415 BGB). Die kumulative Schuldübernahme (auch Schuldbeitritt genannt) hingegen führt dazu, dass ein weiterer Schuldner neben dem bisherigen Schuldner in das Schuldverhältnis eintritt, ohne dass der ursprüngliche Schuldner aus seiner Verbindlichkeit entlassen wird. Der Gläubiger kann somit wählen, von welchem der beiden Schuldner er die Leistung fordert. Im Unterschied zur befreienden Schuldübernahme bleibt der ursprüngliche Schuldner bei der kumulativen Schuldübernahme weiterhin in der Haftung. Rechtlich relevant ist daher, dass bei der befreienden Schuldübernahme stets eine vollständige Entlassung aus dem Schuldverhältnis erfolgt, während dies beim Schuldbeitritt gerade nicht der Fall ist.

Welche Auswirkungen hat die befreiende Schuldübernahme auf Nebenpflichten und Sicherheiten?

Mit der befreienden Schuldübernahme gehen, sofern nichts anderes vereinbart wird, alle akzessorischen Sicherheiten, Nebenrechte und Nebenpflichten auf den neuen Schuldner über. Das bedeutet, dass etwa vertraglich vereinbarte Pflichten wie Zinszahlungen, Kostenübernahmen oder Informationspflichten nunmehr vom neuen Schuldner zu erfüllen sind. Bezüglich der Sicherheiten sieht § 417 BGB vor, dass für den neuen Schuldner grundsätzlich dieselben Sicherheiten wie für den alten Schuldner bestehen bleiben, sofern der Sicherungsgeber zustimmt. Bei personenbezogenen Sicherheiten, wie einer Bürgschaft, bedarf die Fortgeltung der Sicherung häufig einer besonderen Zustimmung des Sicherungsgebers, weil diese regelmäßig auf die Person des ursprünglichen Schuldners abgestellt sind. Fehlt eine solche Zustimmung, erlöschen diese Sicherheiten in der Regel mit der Übernahme.

Welche Rolle spielt die Zustimmung des Gläubigers bei der befreienden Schuldübernahme?

Die Zustimmung des Gläubigers ist ein zwingendes Erfordernis für die Wirksamkeit der befreienden Schuldübernahme. Ohne diese Zustimmung erfolgt grundsätzlich kein Wechsel im Schuldverhältnis (§ 415 BGB). Die Zustimmung kann entweder schon im Vorfeld durch Vereinbarung oder nachträglich erteilt werden. In der Praxis erfolgt die schuldrechtliche Einigung zunächst zwischen dem alten und dem neuen Schuldner bzw. nur dem neuen Schuldner und dem Gläubiger, wobei der dritte Beteiligte dann zustimmt. Der Gläubiger kann auch lediglich seine Zustimmung zu einem bereits abgeschlossenen Schuldübernahmevertrag geben. Geschieht dies, wirkt die Übernahme rückwirkend auf den Abschluss des Schuldübernahmevertrags zurück. Wird die Zustimmung verweigert, bleibt das ursprüngliche Schuldverhältnis bestehen, und der Schuldnerwechsel wird nicht wirksam.

Welche Formerfordernisse bestehen bei der befreienden Schuldübernahme?

Grundsätzlich ist die befreiende Schuldübernahme formfrei möglich, sodass sie sowohl schriftlich, mündlich als auch konkludent durch schlüssiges Verhalten erfolgen kann. Es gibt jedoch Ausnahmen, in denen eine bestimmte Form vorgeschrieben ist. Dies betrifft insbesondere Schuldverhältnisse, bei denen auch für das zugrundeliegende Hauptgeschäft eine besondere Form, wie etwa die notarielle Beurkundung (z.B. bei Grundstücksgeschäften), vorgesehen ist. In diesen Fällen muss auch die Schuldübernahme die gesetzlich geforderte Form erfüllen. Verstößt der Schuldübernahmevertrag gegen ein bestehendes Formerfordernis, ist dieser nichtig (§ 125 BGB). In der Praxis wird zur Beweissicherung allerdings häufig die Schriftform gewählt.

Welche Haftungsrisiken bestehen für den neuen Schuldner bei der befreienden Schuldübernahme?

Mit der befreienden Schuldübernahme übernimmt der neue Schuldner sämtliche Verpflichtungen aus dem übernommenen Schuldverhältnis. Das Haftungsrisiko erstreckt sich demnach auf alle bisherigen und zukünftigen Verpflichtungen, die aus dem Schuldverhältnis resultieren, sofern sie nicht strikt an die Person des ursprünglichen Schuldners gebunden sind. Der neue Schuldner haftet dem Gläubiger in vollem Umfang, als wäre er von Anfang an Schuldner gewesen. Insbesondere trägt er auch das Risiko von Einreden und Ausnahmen, die sich aus dem Schuldverhältnis ergeben, solange sie nicht höchstpersönlichen Charakter haben oder ausdrücklich vom Schutzbereich der Übernahme ausgenommen wurden. Ein besonderes Risiko besteht darin, dass bei mangelnder Einsicht in die Vertragsunterlagen oder fehlender Kenntnis von bestehenden Nebenpflichten unerwartete Haftungen entstehen können.

Was ist bei der möglichen Anfechtung oder Rückabwicklung einer befreienden Schuldübernahme zu beachten?

Die befreiende Schuldübernahme kann, wie jedes andere Rechtsgeschäft, anfechtbar sein, etwa wegen arglistiger Täuschung, Drohung oder Irrtum gemäß §§ 119 ff. BGB. Führt eine Anfechtung zur Nichtigkeit der Schuldübernahme, lebt das ursprüngliche Schuldverhältnis gegenüber dem alten Schuldner wieder auf, sofern keine weiteren rechtlichen Hindernisse bestehen. In der Praxis kann die Rückabwicklung komplex sein, insbesondere wenn der neue Schuldner bereits im Vertrauen auf die Wirksamkeit der Übernahme Leistungen erbracht hat. In diesem Fall sind die erlangten Vorteile nach Bereicherungsrecht (§§ 812 ff. BGB) herauszugeben. Sofern die Schuldübernahme nur teilweise angefochten wird, etwa im Hinblick auf bestimmte Nebenpflichten, ist der Umfang der Rückabwicklung detailliert zu bestimmen. Auch nach Eintritt der Unwirksamkeit sind die Interessen aller Beteiligten – insbesondere solcher Dritter, die auf die Übernahme vertraut haben – zu wahren.