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Befreiende Schuldübernahme

Befreiende Schuldübernahme: Begriff, Zweck und Grundprinzip

Die befreiende Schuldübernahme ist ein Rechtsinstrument, mit dem eine bestehende Verbindlichkeit von einer Person (neuer Schuldner) übernommen wird und der bisherige Schuldner aus der Verpflichtung entlassen wird. Der Gläubiger behält seinen Anspruch, bekommt jedoch einen neuen Vertragspartner. Wesentlich ist, dass der Gläubiger dieser Auswechslung zustimmt; erst dann tritt an die Stelle des bisherigen Schuldners der neue Schuldner, und der alte Schuldner ist endgültig befreit.

Praktische Ziele der befreienden Schuldübernahme sind die Vereinfachung von Vertragsbeziehungen, die Anpassung an geänderte wirtschaftliche Verhältnisse (z. B. Unternehmensverkauf, Familiennachfolge) und die klare Zuordnung von Risiken und Verantwortlichkeiten.

Rechtliche Einordnung und Abgrenzungen

Abgrenzung zur kumulativen Schuldübernahme (Schuldbeitritt)

Beim Schuldbeitritt tritt ein weiterer Schuldner neben den bisherigen hinzu. Der ursprüngliche Schuldner bleibt verpflichtet; der Gläubiger erhält einen zusätzlichen Schuldner. Bei der befreienden Schuldübernahme wird der ursprüngliche Schuldner dagegen vollständig aus der Haftung entlassen.

Abgrenzung zur Erfüllungsübernahme

Die Erfüllungsübernahme wirkt nur im Innenverhältnis zwischen altem Schuldner und Übernehmer: Der Übernehmer verpflichtet sich gegenüber dem bisherigen Schuldner, dessen Schuld zu erfüllen. Gegenüber dem Gläubiger bleibt der ursprüngliche Schuldner in der Pflicht, solange keine befreiende Schuldübernahme mit Zustimmung des Gläubigers zustande kommt.

Abgrenzung zur Vertragsübernahme

Die Vertragsübernahme erfasst regelmäßig das gesamte Vertragsverhältnis mit allen Rechten und Pflichten. Die befreiende Schuldübernahme betrifft demgegenüber nur die Verpflichtungsseite, also die einzelne Schuld. In der Praxis werden Vertrags- und Schuldübernahme häufig kombiniert, erfordern aber jeweils die Mitwirkung der betroffenen Vertragsparteien.

Voraussetzungen und Zustandekommen

Zustimmungsbedürftigkeit des Gläubigers

Die Entlassung des bisherigen Schuldners setzt die Zustimmung des Gläubigers voraus. Diese kann vorab, zugleich mit der Übernahmevereinbarung oder nachträglich erteilt werden. Ohne Zustimmung bleibt der ursprüngliche Schuldner verpflichtet; eine Vereinbarung allein zwischen altem und neuem Schuldner entfaltet dann keine befreiende Wirkung gegenüber dem Gläubiger.

Form und Nachweis

Grundsätzlich ist die befreiende Schuldübernahme formfrei möglich. Ergibt sich jedoch aus dem zugrunde liegenden Geschäft eine bestimmte Form, kann diese auch für die Übernahme maßgeblich sein. Aus Gründen der Rechtssicherheit wird die Zustimmung des Gläubigers in der Praxis regelmäßig ausdrücklich festgehalten.

Zeitpunkt der Wirksamkeit

Die befreiende Wirkung tritt mit wirksamer Zustimmung des Gläubigers ein. Erfolgt die Zustimmung erst später, wirkt die Befreiung ab diesem Zeitpunkt. Bis dahin bleibt der ursprüngliche Schuldner gebunden.

Rechtsfolgen

Haftungslage nach der Übernahme

Mit Wirksamkeit der befreienden Schuldübernahme haftet der neue Schuldner für die übernommene Verbindlichkeit so, als hätte er sie von Anfang an begründet. Der bisherige Schuldner ist fortan aus der Schuld entlassen. Der Inhalt der Verpflichtung (z. B. Leistungsgegenstand, Fälligkeit) bleibt grundsätzlich unverändert, sofern nichts anderes vereinbart wird.

Nebenrechte und Sicherheiten

Mit der Schuld gehen die zum Anspruch gehörenden Nebenrechte über, soweit sie an den Anspruch anknüpfen (z. B. Zinsen, Verwertungsrechte aus akzessorischen Sicherheiten). Sicherheiten, die der ursprüngliche Schuldner selbst bestellt hat und die an den Anspruch gebunden sind, bleiben in der Regel bestehen. Dagegen enden Sicherheiten, die von Dritten gestellt wurden (z. B. Bürgschaft, Garantie), grundsätzlich mit der Entlassung des ursprünglichen Schuldners, sofern der Sicherungsgeber nicht der Fortführung der Sicherheit zugunsten des neuen Schuldners zustimmt.

Einreden, Einwendungen und Aufrechnung

Der neue Schuldner kann solche Einwendungen und Einreden geltend machen, die im Anspruch selbst angelegt sind (z. B. Erfüllung, Nichtigkeit, Stundung). Persönliche Einwendungen des bisherigen Schuldners, die allein in dessen Person begründet sind, gehen dem neuen Schuldner nicht automatisch zu. Eine Aufrechnung ist regelmäßig nur mit eigenen Gegenforderungen des neuen Schuldners gegenüber dem Gläubiger möglich, nicht mit Forderungen des früheren Schuldners.

Fälligkeit, Verzug und Verjährung

Fälligkeit und Verjährung richten sich nach der ursprünglichen Forderung. Der Übergang auf den neuen Schuldner verändert die zeitlichen Parameter im Grundsatz nicht. Bereits eingetretener Verzug des alten Schuldners endet mit der Wirksamkeit der Übernahme; ab diesem Zeitpunkt kann Verzug des neuen Schuldners eintreten, wenn die gesetzlichen oder vertraglichen Voraussetzungen vorliegen.

Gestaltung in der Praxis

Typische Anwendungsfälle

  • Übertragung von Dauerschuldverhältnissen in Verbindung mit einer Vertragsübernahme (z. B. Unternehmensverkauf)
  • Umstrukturierungen innerhalb von Unternehmensgruppen
  • Privater Bereich, etwa Übernahme von Darlehensverbindlichkeiten im Familienkreis
  • Projekt- oder Objektveräußerungen, bei denen bestimmte Verbindlichkeiten mit übergehen sollen

Inhaltliche Regelungspunkte

  • Klare Bezeichnung der übernommenes Schuld
  • Wirksame und eindeutige Zustimmung des Gläubigers
  • Regelungen zu Sicherheiten und deren Fortführung
  • Stichtag der Übernahme sowie Zins- und Kostenregelungen
  • Information über bestehende Einreden und den Stand von Leistungsstörungen

Internationale Bezüge

Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten stellt sich die Frage, welches Recht auf die Schuldübernahme und deren Wirkungen anwendbar ist. Maßgeblich sind die Regeln des internationalen Privatrechts. Je nach Anknüpfung kann sich ergeben, dass die Voraussetzungen, die Formanforderungen sowie die Folgen für Sicherheiten und Einreden abweichend beurteilt werden.

Risiken und Schutzmechanismen

Für den Gläubiger besteht das Risiko, dass die Leistungsfähigkeit des neuen Schuldners geringer ist als die des bisherigen. Dem kann durch sorgfältige Auswahl, Informationsanforderungen und die Fortführung oder Anpassung von Sicherheiten begegnet werden. Der neue Schuldner trägt das Risiko, eine bereits belastete oder gestörte Verpflichtung zu übernehmen; Transparenz über den Stand der Forderung und etwaige Leistungsstörungen ist daher bedeutsam. Der bisherige Schuldner hat ein Interesse an der klaren und dokumentierten Entlassung, um spätere Inanspruchnahmen zu vermeiden.

Häufig gestellte Fragen

Worin liegt der Unterschied zwischen befreiender Schuldübernahme und Schuldbeitritt?

Bei der befreienden Schuldübernahme wird der bisherige Schuldner vollständig aus der Haftung entlassen und der neue Schuldner tritt allein an seine Stelle. Beim Schuldbeitritt bleibt der alte Schuldner verpflichtet; der neue Schuldner kommt zusätzlich hinzu, sodass der Gläubiger mehrere Schuldner hat.

Ab wann ist eine befreiende Schuldübernahme wirksam?

Wirksam wird sie mit der Zustimmung des Gläubigers. Diese kann vorab, gleichzeitig mit der Übernahmevereinbarung oder nachträglich erteilt werden. Erst ab diesem Zeitpunkt ist der alte Schuldner befreit und der neue Schuldner allein verpflichtet.

Bleiben Sicherheiten nach der Übernahme bestehen?

Sicherheiten, die an den Anspruch gekoppelt sind und vom bisherigen Schuldner selbst stammen, bleiben in der Regel erhalten. Von Dritten gestellte Sicherheiten enden typischerweise, sofern der Sicherungsgeber nicht der Fortführung zugunsten des neuen Schuldners zustimmt.

Muss die befreiende Schuldübernahme schriftlich erfolgen?

Eine besondere Form ist grundsätzlich nicht vorgeschrieben. Ergibt sich aus dem Grundgeschäft eine Formbindung, kann diese maßgeblich sein. Aus Gründen der Klarheit werden Zustimmung und Übernahme in der Praxis regelmäßig dokumentiert.

Welche Einreden kann der neue Schuldner geltend machen?

Der neue Schuldner kann Einreden und Einwendungen geltend machen, die in der Forderung selbst begründet sind, etwa Erfüllung oder Unwirksamkeit. Persönliche Einreden des bisherigen Schuldners gehen nicht automatisch über.

Verändert die Übernahme die Verjährung der Forderung?

Nein, der Übergang auf den neuen Schuldner ändert die Verjährungsfristen grundsätzlich nicht. Maßgeblich bleiben die bisherigen Fristen und deren Lauf.

Was gilt, wenn der Gläubiger nicht zustimmt?

Ohne Zustimmung entfaltet eine Vereinbarung zwischen altem und neuem Schuldner keine befreiende Wirkung gegenüber dem Gläubiger. Der ursprüngliche Schuldner bleibt verpflichtet; zwischen den Beteiligten kann die Abrede gleichwohl interne Wirkung entfalten.