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Beeinflussung der Rechtspflege


Beeinflussung der Rechtspflege

Die Beeinflussung der Rechtspflege ist ein strafrechtlicher Tatbestand im deutschen Recht, der im Kern darauf abzielt, Eingriffe oder unzulässige Einwirkungen auf die Tätigkeit von Justizbehörden zu verhindern. Ziel ist der Schutz der Integrität des gerichtlichen Entscheidungsprozesses sowie die Aufrechterhaltung eines unabhängigen, unbeeinflussten Verfahrens zur Wahrheits- und Rechtsfindung. Die Vorschrift ist im Strafgesetzbuch geregelt und besitzt erhebliche praktische Relevanz für Straf- und Zivilverfahren.

Gesetzliche Grundlage und Normzweck

Die Strafbarkeit der Beeinflussung der Rechtspflege ist in § 353d Strafgesetzbuch (StGB) geregelt. Daneben existieren zahlreiche weitere Vorschriften, die dem unmittelbaren oder mittelbaren Schutz der Rechtspflege dienen, beispielsweise §§ 331 ff. StGB (Bestechung und Bestechlichkeit), § 132a StGB (Missbrauch von Titeln) oder § 339 StGB (Rechtsbeugung).

Kernanliegen des Gesetzgebers war es, die Rechtspflege vor sachwidrigen äußeren Einflüssen zu bewahren und die Wahrheitsfindung sowie Urteilsfindung besonders zu schützen. Die Rechtspflege umfasst hierbei sämtliche Tätigkeiten von Gerichten, Staatsanwaltschaften und anderen mit öffentlichen Aufgaben betrauten Stellen (wie dem Notariat), soweit sie der Wahrnehmung hoheitlicher Funktionen im Zusammenhang mit der tatsächlichen oder möglichen Durchsetzung von Rechtsnormen dienen.

Tatbestandsmerkmale der Beeinflussung der Rechtspflege

Subjektiver Tatbestand

Die Beeinflussung der Rechtspflege verlangt grundsätzlich Vorsatz. Das bedeutet, der Täter muss die wesentlichen Merkmale der Tat erkennen und gewollt haben. Fahrlässigkeit reicht nicht aus.

Objektiver Tatbestand

Die objektiven Merkmale umfassen:

  1. Handlung: Der Täter muss in einer konkreten Weise auf die Tätigkeit eines Gerichts, einer Behörde oder einer sonstigen zur Ausübung der Rechtspflege berufenen Stelle einwirken. Dies kann etwa durch Androhung von Nachteilen, Gewährung von Vorteilen, Druckausübung auf Zeugen, Richter oder andere Beteiligte geschehen.
  2. Taugliches Tatobjekt: Die Rechtspflege im Sinne des Gesetzes betrifft sämtliche gerichtlichen und behördlichen Verfahren, insbesondere Straf- und Zivilverfahren sowie Verwaltungssachen.
  3. Tathandlung: Unerlaubte Einflussnahme auf Entscheidungen, z.B. durch Bestechungshandlungen, Einschüchterungen, Drohungen oder Veröffentlichungen von unzulässigen Informationen aus laufenden Verfahren.
  4. Unmittelbare Einflussnahme: Die Einflussnahme muss auf das laufende oder zukünftige Verfahren erfolgen; eine nachträgliche Einflussnahme ist in aller Regel unbeachtlich.

Strafrahmen und Rechtsfolgen

Die Beeinflussung der Rechtspflege ist regelmäßig mit Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bedroht. Die konkrete Strafzumessung richtet sich nach dem Ausmaß der Tat und der Beeinträchtigung der betroffenen Institution. Besonders schwere Fälle, beispielsweise bei organisierter und systematischer Einflussnahme, können zu einer erhöhten Strafandrohung führen. Daneben können Maßnahmen wie Berufs- oder Amtsverbote, Einziehung von Taterträgen sowie Schadensersatzansprüche gegenüber dem Geschädigten in Betracht kommen.

Abgrenzung zu anderen Straftatbeständen

Die Beeinflussung der Rechtspflege überschneidet sich mit anderen Rechtsnormen. Wichtige Abgrenzungen bestehen etwa zu:

  • Strafvereitelung (§ 258 StGB): Während es bei der Strafvereitelung um das Vereiteln einer Strafe oder Maßregel geht, bezieht sich die Beeinflussung der Rechtspflege auf unzulässigen Einfluss auf den Prozess.
  • Bestechung und Bestechlichkeit (§§ 331 ff. StGB): Hier besteht Überschneidung, jedoch betrifft die Beeinflussung der Rechtspflege den spezifischen Kontext eines gerichtlichen oder behördlichen Verfahrens.
  • Rechtsbeugung (§ 339 StGB): Die Rechtsbeugung ist ausschließlich bei Amtsträgern möglich, während die Beeinflussung der Rechtspflege von jedermann begangen werden kann.
  • Nötigung (§ 240 StGB): Nötigung im Prozesskontext kann einen Fall der Beeinflussung der Rechtspflege darstellen, sofern spezifisch die Rechtspflege betroffen ist.

Prozessuale Besonderheiten

Ermittlungsverfahren und Anzeigepflicht

Strafverfolgungsbehörden haben bei Verdacht auf Beeinflussung der Rechtspflege regelmäßig ein besonderes Augenmerk auf Einschüchterungsversuche gegenüber Richtern, Zeugen und anderer Verfahrensbeteiligter. In bestimmten Fällen besteht eine Anzeigepflicht (§ 138 StGB), beispielsweise wenn eine erhebliche Straftat angekündigt oder angedroht wird.

Opferrechte und Schutzmechanismen

Insbesondere Zeugen und Amtswalter, die Zielscheibe von Beeinflussungsversuchen werden, genießen umfassende Schutzrechte. Hierzu gehören Maßnahmen des Zeugenschutzes, Anonymisierung, Ausschluss der Öffentlichkeit in der Hauptverhandlung und spezielle Beratungsangebote.

Internationale Bezüge und Harmonisierung

Im Rahmen internationaler Abkommen, insbesondere der UN-Konvention gegen Korruption sowie der Europäischen Menschenrechtskonvention, werden Grundsätze zur Wahrung der Unabhängigkeit der Justiz und zum Schutz der Rechtspflege festgelegt. Viele Staaten kennen vergleichbare Straftatbestände, wenngleich die jeweilige Ausgestaltung national unterschiedlich ist.

Praxisbeispiele und Rechtsprechung

Die Rechtsprechung befasst sich regelmäßig mit Sachverhalten wie der versuchten Einflussnahme auf Richter, Manipulation von Gutachtern, Einschüchterung von Zeugen und der vorsätzlichen Weitergabe von Informationen aus nicht-öffentlichen Verhandlungen. Leitentscheidungen klären die Grenzen zwischen zulässiger anwaltlicher Interessenvertretung und strafbarer Einflussnahme.

Bedeutung und praktische Auswirkungen

Die strafrechtliche Sanktionierung der Beeinflussung der Rechtspflege trägt wesentlich zur Glaubwürdigkeit der Justiz und zum Vertrauen in rechtsstaatliche Verfahren bei. Effektiver Schutz der rechtsprechenden Gewalt ist zentrale Voraussetzung für ein demokratisches, faires Justizsystem. Die umfassende Durchsetzung und Kontrolle bei Anzeichen von Beeinflussung gelten daher als vorrangiges Ziel von Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichten.


Fazit:
Die Beeinflussung der Rechtspflege stellt eine entscheidende Schutzvorschrift zur Sicherstellung der Unabhängigkeit und Funktionsfähigkeit der Justiz dar. Ihre strafrechtliche Ahndung und präventive Reichweite sichern die Integrität des Rechtssystems und bilden einen unverzichtbaren Grundpfeiler für ein faires und rechtsstaatliches Verfahren.

Häufig gestellte Fragen

Welche Arten von Handlungen können als Beeinflussung der Rechtspflege strafbar sein?

Die Beeinflussung der Rechtspflege kann durch eine Vielzahl von Handlungen erfolgen, die jeweils unter bestimmten Voraussetzungen strafbar sind. Dazu zählen unter anderem Bestechung und Bestechlichkeit von Richtern sowie sonstiger Amtsträger, Nötigung zur Herbeiführung bestimmter rechtlicher Entscheidungen, Falschaussage, versuchte oder vollendete Strafvereitelung und die Anstiftung zu einer solchen Tat. Auch Manipulationen im Zusammenhang mit Beweismitteln, Zeugen oder Sachverständigen, beispielsweise durch Einschüchterung, Unterrichtung über den Inhalt der Vernehmung oder Zahlung von Geldleistungen, können strafrechtlich relevant sein. Die Grenzen ergeben sich dabei insbesondere aus den jeweiligen Tatbeständen des Strafgesetzbuchs, etwa den Vorschriften der §§ 331 ff. StGB (Bestechlichkeit und Bestechung), § 339 StGB (Rechtsbeugung), § 340 StGB (Körperverletzung im Amt), §§ 153 ff. StGB (Meineid, Falschaussage) sowie § 258 StGB (Strafvereitelung).

Welche Rolle spielen Zeugen bei der Beeinflussung der Rechtspflege?

Zeugen können auf verschiedene Weise in die Beeinflussung der Rechtspflege einbezogen werden. Insbesondere das Beeinflussen von Zeugen durch Drohungen, Versprechen von Vorteilen oder andere Formen der Einwirkung kann zu einer Verzerrung der Wahrheitsfindung im Strafprozess führen und ist daher strafrechtlich relevant. Das Strafgesetzbuch sieht hierfür in § 240 StGB (Nötigung), § 153 ff. StGB (Aussagedelikte), sowie in § 357 StGB (Verleitung zur Falschaussage) spezielle Tatbestände vor. Die Versuchsstrafbarkeit erstreckt sich meist auch auf die bloße Vorbereitung einer unrichtigen Aussage oder der Zeugenbeeinflussung. Auch das Zurückhalten oder die nachträgliche Manipulation von Beweismitteln im Kontext der Zeugenbefragung kann unter bestimmte Strafnormen der Beweisvereitelung oder Strafvereitelung fallen.

Inwieweit kann der Versuch, Richter oder Staatsanwälte zu beeinflussen, strafrechtlich relevant sein?

Der Versuch, Richter oder Staatsanwälte in ihrer Entscheidungsfindung in unzulässiger Weise zu beeinflussen, stellt eine besonders gravierende Form der Beeinflussung der Rechtspflege dar und kann als Rechtsbeugung gemäß § 339 StGB oder als Bestechlichkeit und Bestechung im Amt gemäß §§ 331 ff. StGB strafbar sein. Die bloße Kontaktaufnahme oder das Angebot von Vorteilen – auch wenn diese nicht angenommen werden – kann bereits die Versuchsstrafbarkeit begründen. Eine Strafbarkeit kann auch dann vorliegen, wenn die Beeinflussung nicht zum gewünschten Erfolg führt, sofern der Täter mit Vorsatz gehandelt und zielgerichtet auf eine rechtswidrige Entscheidungsfindung hingewirkt hat. Besonders geschützt sind die Unparteilichkeit und Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit, weshalb einschlägige Verstöße mit empfindlichen Strafen belegt sind.

Gibt es besondere Bestimmungen im Zusammenhang mit anwaltlicher Beeinflussung der Rechtspflege?

Auch Rechtsanwälte können sich – wie alle Verfahrensbeteiligten – strafbar machen, wenn sie die Rechtspflege zu beeinflussen versuchen, etwa durch Anstiftung oder Beihilfe zu Falschaussagen, durch Manipulation von Zeugen oder durch Versuch der Bestechung von Justizangehörigen. Für Anwälte kommt zusätzlich die Verletzung der berufsrechtlichen Pflichten hinzu, insbesondere das Gebot der Wahrheits- und Fairnesspflicht (§ 43a BRAO) sowie die Pflicht zur Vermeidung von Verfahrenstäuschungen. Verstößt ein Anwalt gegen diese Vorgaben, drohen neben strafrechtlichen auch berufsrechtliche Sanktionen wie der Ausschluss aus der Anwaltschaft.

Wie ist die Versuchsstrafbarkeit bei der Beeinflussung der Rechtspflege geregelt?

Viele der Straftatbestände im Zusammenhang mit der Beeinflussung der Rechtspflege sehen auch eine Strafbarkeit des Versuchs vor. Dies bedeutet, dass bereits Handlungen, die auf die Einflussnahme auf den Ablauf oder das Ergebnis eines Verfahrens gerichtet sind, selbst wenn sie nicht zum Erfolg führen, strafbar sein können. Beispielsweise ist der Versuch der Anstiftung zu einer Falschaussage, die versuchte Bestechung oder die versuchte Strafvereitelung nach deutschem Recht ausdrücklich strafbar. Maßgeblich ist hierbei, dass der Täter mit spezifischem Vorsatz handelt und die Schwelle zum sogenannten „unmittelbaren Ansetzen“ zur Tat überschreitet.

Welche gerichtlichen und außergerichtlichen Verfahren sind besonders anfällig für Beeinflussungshandlungen?

Sowohl gerichtliche Straf- als auch Zivilverfahren, einschließlich familiengerichtlicher und arbeitsrechtlicher Verfahren, sind grundsätzlich für Beeinflussungshandlungen empfänglich. Besonders relevant sind jedoch Strafverfahren, weil hier am häufigsten versucht wird, das Ergebnis durch Falschaussagen, Zeugenbeeinflussung, Beweisvernichtung oder Bestechung von Amtsträgern zu manipulieren. Aber auch in Zivilprozessen, etwa bei hohen Streitwerten oder familiären Auseinandersetzungen, kommt es immer wieder zu Beeinflussungsversuchen. Die Gerichte setzen daher auf prozessuale Schutzmaßnahmen, wie Zeugenvereidigung, richterliche Belehrung, Beweisaufnahme unter Eid und prozessuale Sanktionen bei Verstoß gegen Wahrheitspflichten.

Welche rechtlichen Folgen kann eine nachgewiesene Beeinflussung der Rechtspflege haben?

Die Konsequenzen einer nachgewiesenen Beeinflussung der Rechtspflege sind vielfältig und reichen von strafrechtlichen Sanktionen wie Geld- oder Freiheitsstrafe über berufsrechtliche Maßnahmen (z.B. beim Anwalt oder Richter) bis hin zur möglichen Wiederaufnahme von Verfahren, deren Ausgang durch die Einflussnahme verfälscht wurde. Die Urteilsfindung kann für ungültig erklärt werden, das Verfahren muss möglicherweise wiederholt werden, und das öffentliche Vertrauen in die Justiz wird erheblich beschädigt. Neben persönlichen Strafen drohen so auch erhebliche prozessuale und gesellschaftliche Folgen.