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Ausschluss des Versorgungsausgleichs


Begriff und Bedeutung des Ausschlusses des Versorgungsausgleichs

Der Ausschluss des Versorgungsausgleichs ist ein Begriff des deutschen Familienrechts und bezeichnet den Umstand, dass bei einer Scheidung die grundsätzlich vorgesehene interne wie externe Teilung von während der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechten (z.B. aus der gesetzlichen Rentenversicherung, Beamtenversorgung, Betriebsrente oder privaten Rentenversicherungen) ganz oder teilweise nicht erfolgt. Der Versorgungsausgleich ist gesetzlich im Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG) geregelt und dient der gleichmäßigen Verteilung der von Ehegatten während der Ehe erworbenen Anrechte auf Altersversorgung und Invaliditätsabsicherung. Ein Ausschluss kann durch Entscheidung des Familiengerichts oder aufgrund wirksamer Vereinbarungen der Ehegatten eintreten.

Rechtsgrundlagen des Ausschlusses des Versorgungsausgleichs

Gesetzliche Grundlagen

Der Versorgungsausgleich ist grundsätzlich bei jeder Scheidung von Amts wegen durchzuführen (§ 1569 BGB, § 8 VersAusglG). Die gesetzlichen Regelungen zum Ausschluss oder zur Modifikation finden sich insbesondere in den §§ 6 bis 8, 27 bis 29 VersAusglG sowie im Bürgerlichen Gesetzbuch. Ausschlussmöglichkeiten ergeben sich im Wesentlichen aus zwei Bereichen: durch Vereinbarung der Ehegatten und durch einseitige gerichtliche Entscheidung.

Ausschluss durch Ehegattenvereinbarung

Voraussetzungen

Nach § 6 Abs. 1 VersAusglG können Ehegatten durch notariell beurkundete Vereinbarung den Versorgungsausgleich ausschließen, modifizieren oder einzelne Versorgungen ausnehmen. Die Vereinbarung kann vor oder während der Ehe sowie bis zum rechtskräftigen Abschluss des Scheidungsverfahrens getroffen werden. Eine solche Vereinbarung bedarf der gerichtlichen Kontrolle im Rahmen der Scheidung (§ 8 VersAusglG). Das Gericht prüft, ob die Regelung nach Inhalt, Zeitpunkt und Zustandekommen mit grundsätzlichen Gerechtigkeitsvorstellungen vereinbar ist (sog. Wirksamkeitskontrolle).

Inhalts- und Ausübungskontrolle

Im Rahmen der Inhaltskontrolle prüft das Gericht, ob eine evident einseitige Benachteiligung vorliegt. Die Vereinbarung kann unwirksam sein, wenn sie einen Partner unangemessen benachteiligt oder sittenwidrig im Sinne von § 138 BGB ist. Insbesondere bei bestehenden Versorgungsnachteilen, ungleichen Eheverhältnissen oder gravierender Schutzbedürftigkeit eines Ehegatten kann das Gericht eingreifen und den Ausschluss ablehnen.

Ausschluss durch gerichtliche Entscheidung

Härteklausel (§ 27 VersAusglG)

Das Familiengericht kann gemäß § 27 VersAusglG von einem Versorgungsausgleich ganz oder teilweise absehen, wenn er grob unbillig erscheint. Dies ist eine Ausnahmeklausel für Fälle, in denen die Durchführung des Ausgleichs im Einzelfall das Gerechtigkeitsempfinden erheblich verletzen würde (z.B. bei schwerwiegendem Fehlverhalten eines Ehegatten, sehr kurzer Ehezeit oder groben Verfehlungen). Typische Fallgruppen sind etwa die kurze Ehedauer von regelmäßig unter drei Jahren (§ 3 Abs. 3 VersAusglG i.V.m. § 27 VersAusglG) oder das Fehlen ehebedingter Versorgungsnachteile.

Kein Versorgungsausgleich bei kurzer Ehedauer (§ 3 Abs. 3 VersAusglG)

In § 3 Abs. 3 VersAusglG ist geregelt, dass der Versorgungsausgleich bei Ehen mit einer Ehezeit von weniger als drei Jahren nur auf Antrag eines Beteiligten durchgeführt wird. Erfolgt kein solcher Antrag, bleibt der Versorgungsausgleich ausgeschlossen.

Beschränkung und Wegfall bei ausländischen Anrechten (§ 2 VersAusglG)

Für im Ausland erworbene Versorgungsanrechte kann ein Ausschluss ebenfalls erfolgen, etwa weil die Übertragung oder Teilung nicht möglich oder mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten verbunden ist. Das Gericht hat insoweit ein Ermessen, ggf. einzelne Anrechte vom Ausgleich auszunehmen.

Ausschlussgründe und typische Fallgestaltungen

Sittenwidrigkeit und grobe Unbilligkeit

Ein vollständiger Ausschluss ist insbesondere dann nicht zulässig, wenn die Vereinbarung oder die Entscheidung sittlich anstößig ist, etwa weil der Versorgungsausgleich als Druckmittel verwendet oder unter Umgehung des gesetzlichen Mindestschutzes missbraucht wird. Auch in wirtschaftlich extremen Ungleichlagen oder bei Schutzbedürftigkeit eines Ehegatten ist die Grenze der zulässigen Abrede erreicht.

Ausländisches Recht und internationale Bezüge

Bei binationalen Ehen oder Auslandsberührung kann ausländisches Recht Einfluss auf den Versorgungsausgleich und seinen Ausschluss nehmen. Mitunter ist der Ausgleich ausgeschlossen, wenn das ausländische Recht einen solchen nicht kennt oder die Durchführung im Inland unzumutbar erscheint. Maßgeblich sind dabei die Vorschriften des Internationalen Privatrechts, insbesondere Art. 17 Abs. 3 und 4 EGBGB.

Rückausnahme: Versorgungsausgleich trotz Ausschluss

Ein Ausschluss steht im Einzelfall zur Disposition des Gerichts, etwa wenn der Ausschluss zu einer erheblichen Benachteiligung eines Ehegatten führen würde und dies mit den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht vereinbar ist. Ein vollständiger Verzicht ist daher im Ausnahmefall unwirksam, wenn der andere Ehegatte ansonsten notleidend würde.

Verfahren zum Ausschluss des Versorgungsausgleichs

Mitwirkungspflichten

Beide Ehegatten müssen umfassend Auskunft über ihre Versorgungsanrechte und etwaige Vereinbarungen oder Verzichtserklärungen erteilen (§ 220 FamFG). Eine unterlassene Mitwirkung kann die gerichtliche Entscheidung über einen Ausschluss beeinflussen.

Prüfung und Bestimmtheit

Das Gericht prüft vor Feststellung eines Ausschlusses, ob die Vereinbarung wirksam, hinreichend bestimmt und nicht ergänzungsbedürftig ist. Ungenaue, unvollständige oder lediglich mündlich getroffene Regelungen genügen nicht.

Rechtsfolgen des Ausschlusses des Versorgungsausgleichs

Auswirkungen auf die Altersversorgung

Der Ausschluss führt dazu, dass die während der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechte nicht geteilt werden. Jeder Ehegatte behält seine eigenen Anwartschaften; ein Ausgleich erfolgt nicht. Dies kann Versorgungslücken, insbesondere bei betreuenden oder wirtschaftlich schwächeren Ehegatten, zur Folge haben.

Einfluss auf andere familienrechtliche Ansprüche

Der Ausschluss des Versorgungsausgleichs hat keine unmittelbare Auswirkung auf andere familienrechtliche Ansprüche wie Zugewinnausgleich oder Unterhalt. Er kann diese aber faktisch beeinflussen, da die Altersvorsorge eine Rolle bei der Bemessung des nachehelichen Unterhalts spielen kann.

Sozialrechtliche Folgen

Ein Ausschluss kann sich auch auf etwaige Ansprüche gegenüber Sozialleistungsträgern, etwa hinsichtlich Grundrente, auswirken.

Zusammenfassung

Der Ausschluss des Versorgungsausgleichs ist eine bedeutsame Gestaltungsmöglichkeit im deutschen Scheidungsrecht. Er kann auf Vereinbarung der Ehegatten oder durch gerichtliche Entscheidung erfolgen und unterliegt dabei engen rechtlichen Voraussetzungen und Schutzmechanismen zum Ausgleich ehebedingter Nachteile. Die rechtssichere Gestaltung und Durchführung erfordert die Berücksichtigung vieler gesetzlicher Vorgaben, insbesondere zur Wahrung des Mindestschutzes und zur Vermeidung von Benachteiligungen. Ob und in welchem Umfang ein Ausschluss möglich ist, hängt stets von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab.

Häufig gestellte Fragen

Welche Formerfordernisse gelten für den Ausschluss des Versorgungsausgleichs?

Der Versorgungsausgleich kann nur durch eine ausdrückliche Vereinbarung der Ehegatten ausgeschlossen werden, wobei zwingend die Formvorschriften des § 8 Abs. 2 VersAusglG und des § 1414 BGB eingehalten werden müssen. Dies bedeutet, dass die Vereinbarung entweder notariell beurkundet oder gerichtlich protokolliert werden muss. Eine privatschriftliche Vereinbarung ist unwirksam. Die notarielle Beurkundung dient vor allem dem Schutz beider Ehegatten, um sie über die weitreichenden rechtlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen des Ausschlusses zu informieren. Darüber hinaus ist die Vereinbarung dem Familiengericht im Rahmen des Scheidungsverfahrens vorzulegen, das sie im Wege der Inhalts- und Ausübungskontrolle gemäß § 8 Abs. 1 VersAusglG auf ihre Wirksamkeit prüft. Die Einhaltung der Formvorschriften ist eine Wirksamkeitsvoraussetzung; ein Formmangel führt zur Nichtigkeit der Ausschlussvereinbarung.

Unter welchen Voraussetzungen wird ein Ausschluss des Versorgungsausgleichs durch das Gericht genehmigt?

Das Familiengericht überprüft von Amts wegen nach § 8 VersAusglG die Vereinbarung auf ihre Zulässigkeit, insbesondere im Hinblick auf Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) oder unzumutbare Benachteiligung eines Ehegatten (§ 242 BGB). Ein gerichtlicher Ausschluss ist dann nicht genehmigungsfähig, wenn er zur existenziellen Absicherung eines Ehegatten führt oder ein strukturelles Ungleichgewicht aufgrund einer einseitigen Benachteiligung vorliegt. In die gerichtliche Prüfung fließen Punkte wie der konkrete Verlauf der Ehe, die Versorgungslage beider Parteien, eine eventuelle Vertretung bei Abschluss der Vereinbarung, der regionale und zeitliche Kontext sowie die wirtschaftliche und soziale Situation der Ehegatten ein. Liegt zum Zeitpunkt der Vereinbarung eine evident einseitige Übervorteilung vor, kann das Familiengericht die Genehmigung versagen. Auch ein Ausschluss, der auf Druck, Täuschung oder in einer emotionalen Ausnahmesituation geschlossen wurde, ist unwirksam.

Kann der Ausschluss des Versorgungsausgleichs nachträglich angefochten werden?

Ein bereits vereinbarter Ausschluss des Versorgungsausgleichs kann nachträglich angefochten werden, insbesondere wenn zum Zeitpunkt der Vereinbarung Irrtum, Täuschung oder Drohung vorlag (§ 123 BGB). Darüber hinaus kann das Familiengericht die Vereinbarung für unwirksam erklären, wenn wesentliche Veränderungen der Verhältnisse eingetreten sind (Grundsatz der Störung der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB), etwa wenn einer der Ehegatten aufgrund Krankheit oder Erwerbsunfähigkeit existenziell auf Versorgungsanrechte angewiesen ist. Die Anfechtung muss grundsätzlich zeitnah nach Bekanntwerden des Anfechtungsgrundes erfolgen. Die Anfechtung führt im Erfolgsfall dazu, dass der Versorgungsausgleich nach den gesetzlichen Vorschriften durchgeführt wird.

Ist ein vollständiger oder nur teilweiser Ausschluss des Versorgungsausgleichs möglich?

Die Ehegatten können den Versorgungsausgleich entweder vollständig oder teilweise ausschließen. Ein teilweiser Ausschluss kann sich auf einzelne Anrechte, bestimmte Zeiträume oder Höchstbeträge beziehen. Darüber hinaus ist es möglich, nur einzelne Versorgungsausgleichsansprüche (z. B. gesetzliche Rentenversicherung, betriebliche Altersvorsorge, private Rentenversicherung) vom Ausschluss zu erfassen. Teilweise Ausschlüsse können sinnvoll sein, um z. B. selbst erworbene Versorgungsanrechte außerhalb der Ehe außer Betracht zu lassen, während während der Ehe angesparte Anwartschaften ausgeglichen werden. Es ist jedoch erforderlich, den Ausschluss klar und eindeutig zu formulieren, um Rechtsunsicherheiten im Scheidungsverfahren zu vermeiden.

Welche Auswirkungen hat der Ausschluss des Versorgungsausgleichs auf den Hinterbliebenenschutz?

Ein wirksam vereinbarter Ausschluss des Versorgungsausgleichs erfasst grundsätzlich nur die während der Ehezeit erworbenen Versorgungsausgleichsansprüche zwischen den Ehegatten. Leistungen an Hinterbliebene – wie etwa Hinterbliebenenrente nach dem Tod eines Ehegatten – bleiben davon unberührt, sofern die jeweiligen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt werden und ein entsprechender Anspruch im Versicherungs- oder Versorgungssystem besteht. Es besteht jedoch keine Möglichkeit, im Rahmen einer Ausschlussvereinbarung zwischen den Ehegatten gezielt Regelungen zum Hinterbliebenenschutz zu treffen; dies müsste ggfs. separat, etwa durch Widerruf von Bezugsberechtigungen oder Anpassung von Versicherungsverträgen, geregelt werden.

Kann eine bereits getroffene Vereinbarung zum Ausschluss des Versorgungsausgleichs während des Scheidungsverfahrens noch geändert werden?

Grundsätzlich besteht während des laufenden Scheidungsverfahrens die Möglichkeit, die bereits getroffene Vereinbarung zum Versorgungsausgleich zu ändern oder aufzuheben, sofern beide Ehegatten einverstanden sind und die Änderung unter Beachtung der notwendigen Formvorschriften (notarielle Beurkundung oder gerichtliche Protokollierung) erfolgt. Jede Änderung (einschließlich des vollständigen Widerrufs) bedarf erneut der gerichtlichen Kontrolle im Hinblick auf Sittenwidrigkeit und Unzumutbarkeit nach § 8 VersAusglG. Erst mit rechtskräftiger Scheidung und Abschluss des Versorgungsausgleichsverfahrens ist eine Änderung grundsätzlich nicht mehr möglich, es sei denn, es liegen außergewöhnliche Umstände für eine nachträgliche Abänderung vor.