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Auslandsdelikte


Begriff und Rechtsnatur der Auslandsdelikte

Auslandsdelikte bezeichnen im deutschen Strafrecht Straftaten, bei denen der Tathergang einen Auslandsbezug aufweist. Es handelt sich dabei um Delikte, die entweder ganz oder teilweise außerhalb des deutschen Staatsgebietes begangen werden oder bei denen ein Auslandsbezug aufgrund bestimmter Handlungen gegeben ist. Die Regelungen zu Auslandsdelikten finden sich insbesondere in den §§ 3 bis 7 Strafgesetzbuch (StGB) sowie in weiteren spezialgesetzlichen Vorschriften.

Definition und Abgrenzung

Auslandsdelikte sind von den Inlandstaten zu unterscheiden, bei denen der gesamte Tathergang und die Tatfolgen ausschließlich im Bundesgebiet stattfinden. Das Charakteristikum der Auslandsdelikte besteht in der grenzüberschreitenden Komponente, die unterschiedliche Ausprägungen annehmen kann, zum Beispiel die Tatausführung, der Tatort, der Erfolgsort oder die Tatfolgen im Ausland.

Im Wesentlichen unterscheidet man drei Kategorien:

  • Auslandstaten: Die Tat wird vollständig im Ausland begangen.
  • Grenzüberschreitende bzw. teils im In- und Ausland verübte Taten: Die Tat beginnt im Inland und wird im Ausland fortgesetzt, oder umgekehrt.
  • Erfolgsdelikte mit Auslandsbezug: Der Erfolg oder eine Folge der Tat tritt im Ausland ein, obwohl die Tathandlung im Inland oder umgekehrt erfolgt ist.

Gesetzliche Regelung und Anwendbarkeit deutschen Strafrechts auf Auslandsdelikte

Das deutsche Strafrecht greift grundsätzlich nur innerhalb der Staatsgrenzen (Territorialitätsprinzip, vgl. § 3 StGB), jedoch sieht das Gesetz verschiedene Ausnahmen vor, in denen deutsche Strafbarkeit auch bei Auslandsdelikten bestehen kann.

Territorialitätsprinzip (§ 3 StGB)

Nach dem Territorialitätsprinzip gilt deutsches Strafrecht für alle Taten, die im Geltungsbereich des StGB begangen werden. Als Tatort im Sinne des deutschen Strafrechts (§ 9 StGB) gilt jeder Ort, an dem der Täter gehandelt hat oder im Falle eines Unterlassens hätte handeln müssen, ebenso der Ort, an dem der Erfolg eintritt.

Ubiquitätsprinzip (§ 9 StGB)

Das Ubiquitätsprinzip erweitert den Anwendungsbereich insoweit, als als Tatort sowohl der Handlungs- als auch der Erfolgsort gilt. Befindet sich einer dieser Orte im Inland, kommt deutsches Strafrecht zur Anwendung, selbst wenn der andere im Ausland liegt. Hierdurch werden auch viele grenzüberschreitende Sachverhalte erfasst.

Ausnahmen: Extraterritoriale Anknüpfungspunkte

Deutsches Strafrecht bei Auslandstaten (§§ 5, 6 StGB)

  • Schutzprinzip (§ 5 StGB): Deutsches Strafrecht gilt für bestimmte Katalogtaten, die sich gegen deutsche Rechtsgüter richten, selbst wenn die Tat ganz im Ausland begangen wurde (z. B. Hochverrat, Terrorismus, Bestechung, bestimmte Sexualdelikte).
  • Weltrechtsprinzip (§ 6 StGB): Bei bestimmten schwerwiegenden internationalen Delikten (z. B. Völkermord, Menschenhandel, Geldfälschung) gilt deutsches Strafrecht unabhängig vom Tatort und der jeweiligen Staatsangehörigkeit von Täter oder Opfer weltweit.

Persönliches Anknüpfungskriterium (§ 7 StGB)

  • Aktive Personalität (§ 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB): Begeht ein Deutscher im Ausland eine Tat, gelten unter bestimmten Bedingungen die deutschen Strafgesetze, auch wenn die Tat nach ausländischem Recht strafbar ist.
  • Passive Personalität (§ 7 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 StGB): Wird ein Deutscher im Ausland Opfer einer Straftat, kann deutsches Strafrecht zur Anwendung gelangen.

Spezialgesetze

Daneben existieren verschiedene Spezialgesetze mit eigenen Regeln für die Strafbarkeit von Auslandshandlungen (z.B. Außenwirtschaftsgesetz, Völkerstrafgesetzbuch).

Praktische Bedeutung der Auslandsdelikte

Die Ahndung von Straftaten mit Auslandsbezug nimmt in Zeiten erheblicher Mobilität und Globalisierung stetig zu. Der grenzüberschreitende Verkehr von Personen und Informationen führt dazu, dass deutsche Gerichte sich immer häufiger mit Auslandsdelikten auseinandersetzen müssen.

Strafverfolgung und internationale Zusammenarbeit

Für die Durchsetzung des deutschen Strafanspruchs bei Auslandsdelikten ist häufig internationale Zusammenarbeit erforderlich. Hierzu bestehen zwischenstaatliche Abkommen, u. a. zur Auslieferung und Rechtshilfe in Strafsachen. Die Zusammenarbeit erfolgt im Wege von Rechtshilfeersuchen, Auslieferungsabkommen und dem Internationalen Haftbefehl.

Voraussetzungen der Strafverfolgung von Auslandstaten

Die Verfolgung von im Ausland begangenen Taten ist oft an Voraussetzungen geknüpft, insbesondere:

  • Erfordernis der beiderseitigen Strafbarkeit: Die Tat muss nicht nur nach deutschem Strafgesetz, sondern auch nach dem Recht vor Ort strafbar sein (Ausnahme: absolute Weltrechtsdelikte).
  • Strafverfolgung im Tatortstaat: In einigen Fällen setzt die Verfolgung voraus, dass die Tat im Ausland verfolgt oder nicht verfolgt wird (§ 7 Abs. 2 StGB).
  • Antragserfordernisse und Zustimmung: Manche Delikte können nur auf Antrag eines Berechtigten oder mit Zustimmung des Bundesministeriums der Justiz verfolgt werden.

Rechtsfolgen, Sanktionen und Besonderheiten

Doppelbestrafungsverbot

Ein Grundsatz im Umgang mit Auslandstaten ist das Doppelbestrafungsverbot (ne bis in idem): Es darf keine doppelte Strafverfolgung desselben Sachverhalts durch verschiedene Staaten geben. Dieser Grundsatz ist auf völkerrechtlicher Ebene und in verschiedenen Übereinkommen (z. B. Art. 54 SDÜ) verankert.

Auswirkungen auf die Vollstreckung

Die Vollstreckbarkeit von Strafen, die wegen einer Auslandsstraftat verhängt wurden, richtet sich danach, ob eine solche im Inland durchgesetzt werden kann. Hierzu bestehen internationale Übereinkommen über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung strafrechtlicher Entscheidungen.

Zusammenfassung

Auslandsdelikte stellen einen bedeutenden und komplexen Bereich des deutschen Strafrechts dar, der den Herausforderungen grenzüberschreitender Kriminalität Rechnung trägt. Die gesetzlichen Regelungen in §§ 3 bis 7 StGB schaffen differenzierte Anknüpfungspunkte, um auch Auslandssachverhalte zu erfassen und eine effektive Strafverfolgung sicherzustellen. Die internationale Zusammenarbeit, das Erfordernis der beiderseitigen Strafbarkeit und der Schutz vor Doppelbestrafung sind dabei zentrale Elemente. Mit der zunehmenden Globalisierung werden Auslandsdelikte künftig weiterhin an praktischer und rechtlicher Bedeutung gewinnen.

Häufig gestellte Fragen

Wann findet deutsches Strafrecht bei Auslandsdelikten Anwendung?

Das deutsche Strafrecht findet unter bestimmten Voraussetzungen auch auf Auslandstaten Anwendung, wenn der Tatort außerhalb Deutschlands liegt. Dies ergibt sich aus den Vorschriften der §§ 3 ff. StGB (Strafgesetzbuch). Maßgeblich sind die sogenannten Ausdehnungsprinzipien, darunter insbesondere das Weltrechtsprinzip, das aktive und passive Personalitätsprinzip sowie das Schutzprinzip. So kann deutsches Strafrecht etwa einschlägig werden, wenn der Täter oder das Opfer deutsche Staatsangehörigkeit besitzt (§§ 7 Abs. 1, 2 StGB), wenn ein besonderes deutsches Staatsinteresse vorliegt (§ 5 StGB) oder wenn internationale Verpflichtungen Deutschlands bestehen. Die konkrete Anwendung hängt von Art des Delikts sowie von völkerrechtlichen Zuständigkeitsregelungen ab. Grundsätzlich ist zudem sowohl im Ausland wie im Inland strafbares Verhalten notwendig, wenn kein besonders geregelter Ausnahmefall greift (§ 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB). In allen Fällen ist neben den rechtlichen auch eine tatsächliche Strafverfolgungsmöglichkeit, etwa durch Auslieferungs- oder Rechtshilfefragen, zu beachten.

Wie ist das Verfahren der Strafverfolgung bei Auslandsdelikten geregelt?

Das Verfahren zur Strafverfolgung von Auslandsdelikten richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften der Strafprozessordnung (StPO), modifiziert durch die besonderen Regelungen für Auslandstaten. Zuständig sind im Regelfall die Staatsanwaltschaften und Gerichte am Wohnsitz (bzw. gewöhnlichen Aufenthalt) des Beschuldigten, soweit sich dieser im Inland aufhält. Liegt eine Tat vor, die unter das deutsche Strafrecht fällt (siehe §§ 3 ff. StGB), wird – sofern die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind – ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Die internationale Zusammenarbeit spielt eine zentrale Rolle: Rechtshilfeersuchen, Auslieferungsverfahren und gegenseitige Informationsübermittlung zwischen Behörden unterschiedlicher Staaten können erforderlich werden. Auch das sogenannte Doppelbestrafungsverbot (ne bis in idem, § 7 Abs. 2 Nr. 3 StGB) ist zu beachten: Wurde der Täter im Ausland bereits bestraft, kann eine erneute Strafverfolgung in Deutschland ausgeschlossen sein oder die Strafe angerechnet werden.

Welche Schwierigkeiten ergeben sich bei der Beweisaufnahme zu Auslandsdelikten?

Die Beweisaufnahme bei Auslandsdelikten ist oft mit erheblichen praktischen und rechtlichen Problemen verbunden. Zeugen, Sachverständige oder Beweismittel befinden sich im Ausland und unterliegen damit der dortigen Hoheitsgewalt, sodass zur Erlangung dieser Beweise regelmäßig auf Rechtshilfeverfahren zurückgegriffen werden muss. Grundlage hierfür bilden internationale Abkommen wie das Europäische Übereinkommen über Rechtshilfe in Strafsachen, diverse EU-Verordnungen sowie bilaterale Abkommen. Die Erfolgswahrscheinlichkeit ist oftmals von der Kooperationsbereitschaft des ausländischen Staates abhängig. Problematisch sind unter anderem Sprachbarrieren, Rechtskulturunterschiede, divergierende Strafprozessordnungen und striktere Datenschutzbestimmungen im Ausland. Letztlich kann die Beweisführung durch fehlende Beweismittel erschwert oder sogar unmöglich sein, was im Extremfall zur Einstellung des Verfahrens in Deutschland führen kann.

Welche Wirkung haben ausländische Urteile und Strafen in Deutschland?

Die Wirkungen ausländischer Urteile und verhängter Strafen werden im deutschen Recht differenziert behandelt. Grundsätzlich gilt das Verbot der Doppelbestrafung (ne bis in idem), sodass eine inhaltliche erneute Aburteilung für dieselbe Tat in der Regel ausgeschlossen ist, sofern eine rechtskräftige Entscheidung im Ausland vorliegt (§ 7 Abs. 2 Nr. 3 StGB). Allerdings umfasst dies nicht immer sämtliche Sanktionen, beispielsweise kann eine ausländische Ordnungswidrigkeit in Deutschland ebenfalls verfolgt werden, sofern keine entsprechende Gleichwertigkeit vorliegt. Ausländische Strafen können im deutschen Vollstreckungsverfahren unter bestimmten Voraussetzungen anerkannt und vollstreckt werden, worüber Gerichte entscheiden (§§ 49 ff. IRG – Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen). Ob und wie eine Anrechnung oder sogar eine Übernahme der Strafvollstreckung stattfindet, hängt vom jeweiligen internationalen Übereinkommen und dessen Umsetzung ab.

Inwieweit sind Verjährungsfristen bei Auslandsdelikten zu berücksichtigen?

Bei Auslandsdelikten gelten grundsätzlich die deutschen Verjährungsvorschriften (§§ 78 ff. StGB), sofern deutsches Strafrecht anwendbar ist. Maßgeblich ist jedoch, dass bei Auslandstaten besondere Unterbrechungs- oder Hemmungsregelungen greifen können – beispielsweise, wenn ein Verfahren wegen rechtlicher oder tatsächlicher Unmöglichkeiten nicht durchgeführt werden konnte. Zudem kann die Verjährung im Ausland anders berechnet sein; dies ist jedoch für die Anwendung deutschen Rechts in der Regel unerheblich. Es bleibt für die Strafverfolgung maßgeblich, ob die Tat nach deutschem Recht noch nicht verjährt ist, unabhängig davon, ob im Tatortland schon Verjährung eingetreten ist.

Welche Rolle spielt das Völkerrecht bei Auslandsdelikten?

Das Völkerrecht ist einer der zentralen Rahmengeber für die Zulässigkeit der Anwendung deutschen Strafrechts auf Auslandstaten. Prinzipien wie die staatliche Souveränität, das Nichtinterventionsverbot und das Selbstauslieferungs- bzw. Auslieferungsverbot deutscher Staatsbürger setzen dem deutschen Strafrecht Grenzen. Zugleich verpflichten internationale Übereinkommen (z.B. gegen Terrorismus, Menschenhandel oder Korruption) Deutschland zur Strafverfolgung bestimmter Delikte auch bei Auslandstaten. Rechte und Verpflichtungen aus Auslieferungsabkommen, Rechts- und Amtshilfeabkommen, Europarecht (etwa EAW) und internationalen Verträgen bestimmen maßgeblich, wann und wie deutsches Strafrecht auf Auslandstaten angewandt und durchgesetzt werden kann. Die nationale Umsetzung dieser völkerrechtlichen Verpflichtungen erfolgt sowohl durch Gesetzesanpassungen als auch durch praktische Zusammenarbeit der Ermittlungs- und Justizbehörden.