Auskunfterteilung und Auskunftshaftung: Begriff, Funktion und Einordnung
Auskunfterteilung bezeichnet die rechtlich geschuldete oder vertraglich vereinbarte Mitteilung von Informationen zu einem konkreten Sachverhalt. Sie dient dazu, Informationsasymmetrien zu verringern, Ansprüche zu klären und Entscheidungen zu ermöglichen. Auskunftshaftung meint die Verantwortlichkeit für Schäden, die daraus entstehen, dass eine erteilte Auskunft unzutreffend, unvollständig oder missverständlich war und sich eine andere Person hierauf verlassen hat.
Auskunft ist von Beratung und Aufklärung abzugrenzen: Auskunft vermittelt in erster Linie Tatsachen; Beratung enthält Bewertungen oder Empfehlungen; Aufklärung umfasst das Hinweisen auf wesentliche Risiken und Umstände, die für eine informierte Entscheidung relevant sind. In der Praxis überschneiden sich diese Kategorien häufig.
Typische Anwendungsfelder der Auskunfterteilung
Auskunftspflichten und -rechte treten in zahlreichen Lebens- und Wirtschaftsbereichen auf, unter anderem in:
- laufenden Vertragsverhältnissen (z. B. Kauf, Miete, Dienstleistungs- und Werkverträge),
- Verhandlungen vor Vertragsschluss,
- familien- und erbrechtlichen Konstellationen (z. B. Vermögensübersichten, Nachlassinformationen),
- Arbeitsverhältnissen (z. B. Auskunft über Arbeitszeiten, Vergütungskomponenten),
- Gesellschafts- und Vereinsrecht (z. B. Informationsrechte von Anteilseignerinnen und Mitgliedern),
- Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht (z. B. Herkunfts- und Vertriebswege von Waren),
- Datenschutz und Persönlichkeitsrecht (Auskunft über verarbeitete personenbezogene Daten),
- Behördlicher Kommunikation und Informationszugang (z. B. Akteneinsicht, Verwaltungsverfahren).
Inhalt, Umfang und Form der Auskunft
Inhalt und Umfang
Der Umfang richtet sich nach dem Zweck der Auskunft und dem konkreten Informationsbedürfnis der berechtigten Person. Erforderlich sind richtige, vollständige und verständliche Angaben zu den relevanten Tatsachen. Nicht erforderlich sind irrelevante Details oder bloße Meinungen, es sei denn, diese wurden als Tatsachen dargestellt oder sind zur Einordnung notwendig.
Erfasst sind regelmäßig auch leicht zugängliche Unterlagen und Daten, die zur Verdeutlichung benötigt werden (z. B. Belege, Aufstellungen, Konto- oder Lagerbestände). Soweit die Auskunft ohne unverhältnismäßigen Aufwand möglich ist, besteht eine Pflicht zur zumutbaren Nachforschung.
Form und Frist
Sofern nichts anderes vereinbart oder vorgegeben ist, kann die Auskunft schriftlich oder in Textform erfolgen. In bestimmten Bereichen sind strukturierte Auskünfte (z. B. tabellarische Übersichten) zweckmäßig, um Nachvollziehbarkeit zu gewährleisten. Fristen müssen angemessen sein und den Umfang der verlangten Informationen berücksichtigen.
Richtigkeit, Vollständigkeit und Nachforschungspflicht
Die Auskunft ist nach bestem Wissen zu erteilen. Wer Auskunft gibt, muss bestehende Informationsquellen nutzen, offensichtliche Lücken schließen und erkennbar unsichere Angaben kenntlich machen. Schätzungen sind als solche zu bezeichnen. Werden nachträglich Fehler erkannt, kann eine Korrektur erforderlich sein.
Negativauskunft und Unmöglichkeit
Ist keine Information vorhanden, kann eine Negativauskunft erteilt werden. Ist die Erfüllung unmöglich oder nur unter unzumutbaren Anstrengungen möglich, kann sich der Umfang der Pflicht entsprechend reduzieren. In solchen Fällen sind die Hinderungsgründe regelmäßig nachvollziehbar darzustellen.
Grenzen der Auskunftspflicht
Vertraulichkeit und Geheimnisschutz
Geheimhaltungsverpflichtungen, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sowie berufsbezogene Verschwiegenheitspflichten können die Auskunft begrenzen. In vielen Fällen ist eine Interessenabwägung erforderlich: Das Informationsinteresse der berechtigten Person wird mit dem Schutzinteresse am Geheimnis abgewogen. Anonymisierung oder Schwärzung sensibler Teile kann eine abgestufte Lösung sein.
Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit
Die verlangte Auskunft darf nicht außer Verhältnis zum verfolgten Zweck stehen. Übermäßig aufwendige oder ausufernde Anfragen können eingeschränkt werden. Maßgeblich sind Verfügbarkeit der Informationen, Aufwand der Beschaffung und Nähe der auskunftspflichtigen Person zum Sachverhalt.
Selbstbelastungsfreiheit
Niemand ist verpflichtet, durch Auskünfte die eigene Verantwortlichkeit für eine sanktionierbare Pflichtverletzung offenzulegen, soweit einschlägige Schutzgrundsätze greifen. Dies kann Umfang und Detailtiefe der Auskunft beeinflussen.
Schutz Dritter
Rechte und Interessen Dritter, etwa am Schutz personenbezogener Daten oder an Geschäftsgeheimnissen, können der Auskunft entgegenstehen oder eine eingeschränkte Auskunft erforderlich machen.
Auskunftshaftung
Haftungstatbestände
Vertragliche Haftung
Besteht eine vertragliche Auskunftspflicht, führt eine unrichtige, unvollständige oder verspätete Auskunft zu einer Pflichtverletzung. Schäden, die kausal auf der fehlerhaften Information beruhen, können ersatzfähig sein.
Vorvertragliche Haftung
Während Vertragsverhandlungen bestehen Schutz- und Rücksichtnahmepflichten. Wer in diesem Stadium Informationen erteilt, haftet für deren Richtigkeit, wenn die andere Seite auf die Auskunft vertraut und hierdurch einen Schaden erleidet.
Deliktische Haftung
Unrichtige Informationen können auch ohne Vertragsbeziehung eine Haftung auslösen, insbesondere bei besonders vertrauensbegründenden Auskünften, bei der Verletzung schützender Verhaltenspflichten oder bei vorsätzlich täuschendem Verhalten.
Prospekt- und Kapitalmarktangaben
Besondere Maßstäbe gelten für öffentliche oder an eine Vielzahl von Personen gerichtete Informationen mit Investitionsbezug. Werden solche Angaben als verlässlich präsentiert, kann eine verschärfte Verantwortung für deren inhaltliche Richtigkeit und Vollständigkeit bestehen.
Verschulden und Zurechnung
Vorausgesetzt wird in der Regel zumindest Fahrlässigkeit, also die Außerachtlassung der gebotenen Sorgfalt. Maßstab ist, welche Prüf- und Sorgfaltsmaßnahmen im Einzelfall erwartet werden konnten. Wissen von Mitarbeitenden kann dem Unternehmen zugerechnet werden, wenn es im Aufgabenbereich erlangt wurde.
Kausalität, Schaden und ersatzfähige Positionen
Zwischen Auskunft und Schaden muss ein ursächlicher Zusammenhang bestehen, typischerweise in Form einer Vertrauenskausalität: Die fehlgeleitete Entscheidung beruht auf der Information. Ersatzfähig sind regelmäßig Vermögensnachteile, die durch das berechtigte Vertrauen auf die Auskunft entstanden sind, einschließlich Folgeschäden, soweit sie adäquat verursacht wurden.
Beweislast und Beweiserleichterungen
Grundsätzlich trägt die geschädigte Person die Darlegungs- und Beweislast für Auskunft, Fehlerhaftigkeit, Vertrauen und Schaden. In besonderen Konstellationen kommen Beweiserleichterungen in Betracht, etwa wenn spezifische Aufzeichnungs- oder Dokumentationspflichten bestehen und diese nicht eingehalten wurden.
Haftungsbegrenzung und -ausschluss
Haftungsbeschränkungen können sich aus Vereinbarungen, aus dem Charakter der Auskunft (z. B. erkennbar unverbindliche Einschätzung) oder aus dem Umfang berechtigten Vertrauens ergeben. Ein vollständiger Ausschluss ist nicht in jedem Bereich zulässig. Klarstellende Hinweise zu Unsicherheiten reduzieren das Risiko unberechtigten Vertrauens.
Durchsetzung von Auskunftsansprüchen
Außergerichtliche Geltendmachung
Auskunftsansprüche werden häufig zunächst außergerichtlich unter Angabe von Gegenstand, Zweck und angemessener Frist geltend gemacht. Präzise Umschreibung erleichtert die zielgerichtete Erfüllung und reduziert Konflikte über Reichweite und Form.
Gerichtliche Durchsetzung und Zwangsmittel
Wo ein Anspruch besteht und nicht erfüllt wird, kommen gerichtliche Titel in Betracht, die die Auskunft anordnen. Bei Nichtbefolgung können Zwangsmittel zur Anwendung kommen, um die Erfüllung zu erreichen.
Versicherung an Eides statt
In bestimmten Fällen kann die Richtigkeit und Vollständigkeit einer erteilten Auskunft durch eine Versicherung an Eides statt zu bestätigen sein, insbesondere wenn eine erhöhte Gewähr für die Verlässlichkeit gefordert wird.
Schnittstellen zu verwandten Pflichten
Aufklärungspflicht
Die Aufklärungspflicht betrifft das Hinweisen auf wesentliche Risiken und Umstände. Sie ergänzt die Auskunftspflicht, indem sie nicht nur fragt, sondern aktiv relevante Informationen bereitstellt, damit die andere Seite keine falschen Vorstellungen entwickelt.
Dokumentations- und Rechenschaftspflichten
In Dauerschuldverhältnissen und Treuhandverhältnissen bestehen häufig Pflichten zur laufenden Dokumentation und Rechenschaft. Sie schaffen die Datenbasis, auf deren Grundlage Auskünfte überhaupt erteilt werden können.
Herausgabe- und Einsichtsrechte
Statt einer Auskunft kann auch ein Recht auf Einsicht in Unterlagen oder auf Herausgabe von Kopien bestehen. Diese Rechte sind verwandt, unterscheiden sich aber in der Form der Informationsverschaffung.
Beispiele aus der Praxis
- Eine Verkäuferin gibt Angaben über den Zustand einer Sache. Stellt sich später heraus, dass wesentliche Mängel verschwiegen oder unzutreffend dargestellt wurden, kann dies eine Haftung auslösen, wenn die Käuferseite hierauf vertraut hat.
- Ein Unternehmen beantwortet eine Anfrage zu Vertriebswegen. Unvollständige Angaben können weitergehende Ansprüche nach sich ziehen, etwa zur erneuten Auskunft und zum Ersatz des Aufwands, der durch die fehlerhafte Information entstanden ist.
- Eine Person verlangt Auskunft über verarbeitete personenbezogene Daten. Die Antwort muss alle relevanten Informationen enthalten, verständlich sein und darf Rechte Dritter nicht verletzen.
- Ein Prospekt enthält strategische Kennzahlen. Erweist sich die Darstellung als irreführend, kann dies eine besondere Informationshaftung begründen.
Häufig gestellte Fragen
Wann besteht eine Pflicht zur Auskunfterteilung?
Eine Pflicht entsteht, wenn sie vertraglich vereinbart ist, sich aus einem bestehenden Rechtsverhältnis ergibt, vorvertragliche Rücksichtnahmepflichten greifen oder ein ausdrücklicher gesetzlicher Anspruch vorgesehen ist. Maßgeblich ist, ob ein berechtigtes Informationsinteresse besteht und die Gegenpartei näher an den Informationen ist.
Wie genau muss eine Auskunft sein?
Erforderlich sind richtige, vollständige und verständliche Angaben zu allen relevanten Tatsachen. Unsicherheiten und Schätzungen sind kenntlich zu machen. Belege und Aufstellungen sind beizufügen, soweit dies zum Verständnis nötig und zumutbar ist.
Was sind die Folgen einer falschen Auskunft?
Führt eine falsche oder unvollständige Auskunft dazu, dass eine andere Person eine Entscheidung im Vertrauen auf deren Richtigkeit trifft und dadurch einen Schaden erleidet, kann eine Haftung auf Ersatz des entstandenen Vermögensnachteils bestehen.
Gibt es Grenzen, die der Auskunft entgegenstehen?
Ja. Vertraulichkeit, Geheimnisschutz, Rechte Dritter, Verhältnismäßigkeit, Zumutbarkeit und der Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit können den Umfang begrenzen oder eine Auskunft ganz ausschließen.
Kann eine Auskunft verweigert werden, wenn sie sehr aufwendig ist?
Ist die Beschaffung der Informationen nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich, kann der Anspruch beschränkt sein. Entscheidend sind Zweck, Nutzen der Information und der erforderliche Aufwand. Teilweise Auskunft oder gestufte Erfüllung kann in Betracht kommen.
Reicht eine mündliche Auskunft aus?
Wenn keine besondere Form verlangt wird, kann eine mündliche Auskunft genügen. Aus Gründen der Nachvollziehbarkeit werden schriftliche oder textförmige Auskünfte bevorzugt, insbesondere bei umfangreichen oder komplexen Sachverhalten.
Wer trägt die Kosten der Auskunfterteilung?
Die Kostentragung hängt vom zugrunde liegenden Verhältnis ab. In vielen Fällen trägt die auskunftspflichtige Seite den üblichen Aufwand. Bei besonders umfangreichen oder anlasslosen Anfragen kann eine angemessene Kostenerstattung in Betracht kommen, wenn dies vorgesehen ist.
Kann die Richtigkeit einer Auskunft bekräftigt verlangt werden?
In bestimmten Konstellationen kann die Bestätigung der Richtigkeit und Vollständigkeit durch eine Versicherung an Eides statt verlangt werden, insbesondere wenn ein gesteigertes Vertrauen in die Angaben erforderlich ist.