Begriff und Bedeutung des Ausbildungsunterhalts
Definition des Ausbildungsunterhalts
Ausbildungsunterhalt bezeichnet den finanziellen Unterhalt, der einem Kind zur Ermöglichung einer angemessenen Schul- oder Berufsausbildung geschuldet wird. In Deutschland ist der Ausbildungsunterhalt ein Teilaspekt des Kindesunterhalts und wird rechtlich insbesondere durch die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) geregelt. Er umfasst alle Aufwendungen, die erforderlich sind, um dem Kind eine seiner Neigung, Eignung und seinen Fähigkeiten entsprechende Ausbildung zu ermöglichen. Hierzu zählen sowohl die allgemeine als auch die berufliche oder akademische Ausbildung.
Rechtsgrundlagen
Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
Die zentrale Rechtsgrundlage bildet § 1610 BGB, der den sogenannten „angemessenen Unterhalt“ beschreibt. Speziell der Ausbildungsunterhalt wird durch § 1610 Absatz 2 BGB und § 1613 BGB ausgestaltet. Nach § 1610 Absatz 2 BGB umfasst der Unterhalt den gesamten Lebensbedarf einschließlich einer angemessenen Ausbildung. Daneben regelt § 1601 BGB die grundsätzliche Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber ihren Kindern. Weitere Vorschriften, die im Zusammenhang mit dem Ausbildungsunterhalt relevant sein können, sind §§ 1602-1615 BGB.
Weitere Rechtsquellen
Neben den gesetzlichen Regelungen sind auch Leitlinien der Oberlandesgerichte (OLG-Leitlinien, etwa die Düsseldorfer Tabelle) für die praktische Ausgestaltung und Berechnung des Ausbildungsunterhalts von Bedeutung. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) präzisiert entscheidend die Ausgestaltung und die Anforderungen an die elterliche Unterhaltspflicht während der Ausbildung.
Voraussetzungen des Anspruchs auf Ausbildungsunterhalt
Dauer und Abschluss der Erstausbildung
Grundsätzlich haben Kinder einen Anspruch auf Ausbildungsunterhalt für die Dauer einer ersten, selbstbestimmten und zielstrebig betriebenen Ausbildung. Hierzu zählt beispielsweise die Schulausbildung, eine Berufsausbildung oder ein grundständiges Studium. Eine Einschränkung besteht insofern, als die Ausbildung in einem angemessenen Zeitrahmen abgeschlossen werden muss und in engem sachlichen Zusammenhang steht. Bei einem Wechsel zwischen Ausbildungen kann weiterhin Unterhalt geschuldet sein, sofern ein inhaltlicher oder zeitlicher Zusammenhang erkennbar und die Verzögerung nicht mutwillig erfolgt.
Angemessenheit der Ausbildung
Die Angemessenheit der Ausbildung beurteilt sich nach den Fähigkeiten und der Begabung des Kindes sowie den wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen der Eltern. Die Ausbildung muss geeignet sein, dem Unterhaltsberechtigten einen angemessenen Unterhalt im späteren Leben zu sichern.
Eigenverantwortung und Bedürftigkeit
Ein Unterhaltsanspruch besteht nur, solange das Kind bedürftig ist, also den Lebensunterhalt während der Ausbildung nicht selbst aufbringen kann. Eigene Einkünfte des Kindes – etwa aus einer Tätigkeit neben der Ausbildung, BAföG-Leistungen oder Stipendien – sind auf den Anspruch anzurechnen. In der Regel ist dem Kind ein Nebenverdienst in marktüblichem Maße erlaubt, sofern die Ausbildung dadurch nicht wesentlich beeinträchtigt wird.
Inhalt und Umfang des Ausbildungsunterhalts
Umfassender Ausbildungsbedarf
Der Ausbildungsunterhalt beinhaltet nicht nur die Kosten für Unterbringung und Verpflegung, sondern auch Aufwendungen wie Semesterbeiträge, Fachliteratur, Fahrtkosten, Arbeitsmittel und Studiengebühren, falls diese anfallen. Bei auswärtiger Unterbringung (z. B. im Studium oder bei einer Ausbildung in einer anderen Stadt) ist regelmäßig auch ein erhöhter Bedarf für Miete, Nebenkosten und Lebenshaltungskosten zu berücksichtigen.
Umgang mit eigenem Einkommen
Einkünfte des Kindes – z. B. aus Ausbildungsvergütung, Nebenjobs oder Praktika – werden auf den Bedarf angerechnet. Grundsätzlich bleibt einem Auszubildenden ein angemessener Freibetrag zur eigenen Verwendung. Bei volljährigen Kindern ist während der Ausbildung prioritär das eigene Einkommen einzubringen, bevor elterlicher Unterhalt beansprucht werden kann.
Grenzen und Besonderheiten des Ausbildungsunterhalts
Zweitausbildung und Ausbildungswechsel
Für eine Zweitausbildung besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Ausbildungsunterhalt, außer wenn ein sachlicher und zeitlicher Zusammenhang zur Erstausbildung vorliegt oder besondere Umstände – wie eine erste Ausbildung zur Sicherung des Lebensunterhalts, bevor eine gewünschte weiterführende Ausbildung begonnen werden kann – gegeben sind.
Verzögerte Aufnahme oder Unterbrechung der Ausbildung
Wird die Ausbildung erheblich verzögert oder gar unterbrochen, kann der Anspruch auf Ausbildungsunterhalt entfallen. In besonderen Fällen, wie Erkrankungen oder Prüfungswiederholungen mit anerkennungswürdigen Gründen, besteht der Anspruch jedoch fort. Ein Anspruch auf Ausbildungsunterhalt besteht nicht unbegrenzt bis zum Abschluss der Ausbildung, sondern setzt ein zielstrebiges und ernsthaftes Betreiben der Ausbildung voraus.
Erwerbsobliegenheiten während der Ausbildung
In den meisten Fällen besteht keine Pflicht, während der Ausbildungszeit nebenher zu arbeiten. Sollte jedoch die Ausbildung nicht den vollständigen Lebensunterhalt abdecken (zum Beispiel bei unzureichender BAföG-Förderung), kann eine Nebentätigkeit zumutbar sein, sofern dies die Ausbildung nicht gefährdet.
Unterhaltspflicht und Rangfolge unter den Verpflichteten
Eltern als vorrangige Verpflichtete
Beide Elternteile haften anteilig gemäß ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen für den Ausbildungsunterhalt. Dabei ist – insbesondere bei volljährigen Kindern – zu berücksichtigen, dass der Bedarf grundsätzlich als sogenannter „Barunterhalt“ zu leisten ist, da die Verpflichtung zur Haushaltsführung als „Naturalunterhalt“ mit Erreichen der Volljährigkeit regelmäßig entfällt.
Rangfolge im Unterhaltsrecht
Volljährige unverheiratete Kinder, die sich in Ausbildung befinden, sind nach deutschem Unterhaltsrecht privilegiert und stehen im Unterhaltsrang unmittelbar nach minderjährigen Kindern (§ 1609 BGB). Sie sind damit/dem Ehegattenunterhalt oder weiteren Verwandtenunterhalt nachgelagert.
Geltendmachung und Durchsetzung des Ausbildungsunterhalts
Anspruchsgeltendmachung
Der Anspruch auf Ausbildungsunterhalt kann außergerichtlich und gerichtlich geltend gemacht werden. Bei Streitigkeiten entscheidet das Familiengericht. Unterhaltsberechnungen erfolgen individuell unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände, der Ausbildungsart und des Lebensbedarfs. Soweit der Anspruch gerichtlich festgestellt werden soll, gelten die Regelungen der Zivilprozessordnung (ZPO) und des Familienverfahrensgesetzes (FamFG).
Verjährung
Ansprüche auf Ausbildungsunterhalt unterliegen der regelmäßigen Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB (drei Jahre), wobei die Frist mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist und der Unterhaltsberechtigte von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis erlangt.
Rechtsprechung zum Ausbildungsunterhalt
Die Rechtsprechung hat entscheidende Grundsätze für die Ausgestaltung des Ausbildungsunterhalts entwickelt. So ist beispielsweise anerkannt, dass ein angemessener Zeitraum für Orientierungsphasen – etwa durch ein freiwilliges soziales Jahr oder ein Orientierungspraktikum – bestehen kann, sofern die Ausbildung danach zügig aufgenommen wird. Ein mehrfacher Wechsel der Ausbildung ist jedoch grundsätzlich nicht gedeckt. Die höchstrichterlichen Entscheidungen konkretisieren auch die Anrechnung von Ausbildungsvergütungen und studienspezifischen Mehrbedarfen.
Zusammenfassung
Ausbildungsunterhalt ist ein gesetzlich geregelter Anspruch zugunsten von Kindern während ihrer angemessenen Ausbildung. Er gewährleistet die Finanzierung von Lebenshaltung und ausbildungsbezogenen Aufwendungen und ist an verschiedene Voraussetzungen geknüpft, darunter Angemessenheit, Zielstrebigkeit und Bedürftigkeit des Kindes sowie Leistungsfähigkeit der Eltern. Die konkrete Ausgestaltung orientiert sich an gesetzlichen Vorschriften und einer umfangreichen, sich wandelnden Rechtsprechung. Deswegen ist eine sorgfältige Einzelfallprüfung stets erforderlich, um Ansprüche zutreffend zu beurteilen und durchzusetzen.
Häufig gestellte Fragen
Wer ist verpflichtet, Ausbildungsunterhalt zu zahlen?
Grundsätzlich sind nach deutschem Recht die Eltern – und zwar beide Elternteile – verpflichtet, ihren Kindern eine angemessene Ausbildung zu finanzieren (§ 1610 BGB). Diese Unterhaltspflicht endet in der Regel erst mit dem Abschluss einer ersten berufsqualifizierenden Ausbildung des Kindes. Die Höhe der Beteiligung jedes Elternteils richtet sich nach deren jeweiligen finanziellen Leistungsfähigkeit und wird auf Basis des unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens berechnet. Leben die Eltern getrennt oder sind geschieden, hat das Kind grundsätzlich einen Anspruch auf Barunterhalt gegenüber dem Elternteil, bei dem es nicht wohnt. Es können jedoch auch Stiefeltern oder Großeltern zur Zahlung des Ausbildungsunterhalts verpflichtet sein, sofern sie das Kind in ihren Haushalt aufgenommen haben und als sogenannte „sozial-familiäre Gemeinschaft“ gelten. Die primäre Haftung liegt jedoch immer bei den leiblichen Eltern. Im Falle einer Weigerung kann der Anspruch auf Ausbildungsunterhalt notfalls gerichtlich geltend gemacht werden.
Wie lange besteht der Anspruch auf Ausbildungsunterhalt?
Der Anspruch auf Ausbildungsunterhalt besteht in der Regel bis zum Abschluss der ersten berufsqualifizierenden Ausbildung, also beispielsweise einer Lehre oder eines Studiums. Dabei ist zu beachten, dass die Ausbildung „zielstrebig und mit Fleiß“ verfolgt werden muss. Mehrjährige Verzögerungen, häufige Fachrichtungswechsel oder Ausbildungsabbrüche können den Anspruch gefährden, sofern sie nicht triftig begründet sind (z.B. Krankheit). Ein Anspruch kann selbst dann bestehen, wenn eine weiterführende schulische Ausbildung (z.B. Abitur nach der Ausbildung) oder ein anschließendes Studium auf die Erstausbildung sinnvoll aufbaut und im engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang steht. Auch nach Vollendung des 18. Lebensjahres bleibt der Anspruch bestehen, solange keine eigenständige wirtschaftliche Unabhängigkeit vorliegt. Mit erfolgreichem Abschluss der ersten Ausbildung oder bei grundloser Beendigung der Ausbildung endet die Unterhaltspflicht.
Welche Kosten sind im Ausbildungsunterhalt enthalten?
Der Ausbildungsunterhalt umfasst mehr als den bloßen Lebensunterhalt des Kindes. Er beinhaltet die Kosten für Unterkunft, Verpflegung, Lernmaterialien, Fahrtkosten, Studiengebühren und sonstige ausbildungsbedingte Aufwendungen. Bei minderjährigen Auszubildenden oder studierenden Kindern, die noch im Elternhaus leben, bestimmt sich der Bedarf in der Regel nach der Düsseldorfer Tabelle. Volljährige Auszubildende, die nicht mehr zu Hause wohnen, können einen pauschalen Bedarfssatz geltend machen, welcher gegenwärtig (Stand 2024) bei 930 Euro monatlich liegt (enthält Kosten für Ernährung, Unterkunft, Nebenleistungen sowie studienbedingte Ausgaben). Eigene Einkünfte des Kindes, z.B. aus einer Ausbildungsvergütung, BAföG oder Nebenjobs, werden bei der Berechnung des Unterhaltsbedarfs angerechnet.
Was passiert, wenn das Kind die Ausbildung nicht zielstrebig verfolgt?
Die Unterhaltspflicht der Eltern setzt voraus, dass das Kind seine Ausbildung engagiert und ohne unnötige Verzögerungen durchläuft. Kommt es jedoch zu erheblichen Verzögerungen oder wiederholtem Abbruch der Ausbildung, müssen die Eltern grundsätzlich keinen weiteren Unterhalt mehr zahlen. Allerdings kann es Ausnahmen geben, etwa bei Erkrankungen, unverschuldeten Studienzeitverlängerungen oder anerkannten Orientierungsphasen (z.B. einmaliger Fachwechsel oder ein Freiwilliges Soziales Jahr im pädagogisch sinnvollen Kontext). Wird ein Fach gewechselt, muss das plausibel begründet sein und zeitlich in einem angemessenen Rahmen erfolgen, in der Regel bis zum dritten Semester. Die Eltern können die Fortschritte der Ausbildung regelmäßig abfragen und sich entsprechende Nachweise, wie Studienbescheinigungen oder Zeugnisse, vorlegen lassen.
Wie wird Ausbildungsunterhalt berechnet?
Die Berechnung des Ausbildungsunterhalts erfolgt unter Berücksichtigung des Einkommens und der Vermögensverhältnisse beider Elternteile. Zunächst wird der Bedarf des Auszubildenden ermittelt (nach Düsseldorfer Tabelle oder den Bedarfssätzen für auswärtig wohnende volljährige Kinder). Anschließend wird geprüft, inwieweit das Kind eigenes Einkommen erzielt, beispielsweise durch Ausbildungsvergütung, BAföG oder Nebenjobs. Eigene Einkünfte werden angerechnet, wobei bei einer Ausbildung in einem anerkannten Beruf regelmäßig ein angemessener Selbstbehalt verbleibt, derzeit 100 Euro monatlich für ausbildungsbedingte Mehraufwendungen. Von dem danach verbleibenden monatlichen Bedarf wird der Anteil, den jeder Elternteil zu tragen hat, im Verhältnis seiner unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit ermittelt. Bei Streitigkeiten entscheidet das Familiengericht auf Basis vorgelegter Einkommens- und Vermögensnachweise.
Muss das Kind BAföG oder einen Bildungskredit beantragen?
Grundsätzlich besteht keine Obliegenheit für das Kind, vorrangig BAföG oder andere staatliche Fördermittel zu beantragen, bevor es Unterhalt gegen seine Eltern geltend macht. Die Unterhaltspflicht der Eltern rangiert vorrangig; allerdings wird im Einzelfall das tatsächlich bezogene BAföG, insbesondere der als Zuschuss gewährte Teil, als eigenes Einkommen des Kindes auf den Unterhalt angerechnet. Beim BAföG-Antrag müssen elterliche Einkommensverhältnisse nachgewiesen werden, und im Falle der Förderung als Vollzuschuss bleibt es größtenteils beim Elternunterhalt, während der Darlehensteil das zu berücksichtigende Einkommen mindert. Bildungskredite hingegen gelten als rein freiwillige Verpflichtung des Kindes und reduzieren den Unterhaltsanspruch in der Regel nicht.
Sind auch Mehrbedarf und Sonderbedarf abgedeckt?
Über den laufenden Ausbildungsunterhalt hinaus sind in besonderen Situationen Mehrbedarf oder Sonderbedarf zu berücksichtigen. Unter Mehrbedarf versteht man regelmäßig wiederkehrende, vorhersehbare Mehrkosten, beispielsweise Studiengebühren oder erhöhte Fahrtkosten zur Ausbildungsstätte. Sonderbedarf ist dagegen ein außergewöhnlich hoher, unregelmäßiger und nicht vorhersehbarer Bedarf, etwa die Anschaffung eines teuren Arbeitsmittels, eines Laptops oder außerplanmäßige Prüfungskosten. Beide können – zusätzlich zum regulären Unterhalt – gegenüber den unterhaltspflichtigen Eltern geltend gemacht werden, müssen jedoch jeweils entsprechend dargelegt und belegt werden. Die Verpflichtung der Eltern zur Zahlung besteht auch hier nur im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit.