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Aus- und Einsteigen


Begriffsbestimmung: Aus- und Einsteigen im rechtlichen Kontext

Der Begriff Aus- und Einsteigen bezieht sich im rechtlichen Sinne auf das Betreten und Verlassen eines Fahrzeugs, insbesondere im Straßenverkehr. Das Aus- und Einsteigen spielt insbesondere im Zusammenhang mit Haftungsfragen, Verkehrsunfällen, Versicherungsschutz sowie bei der Auslegung verkehrsrechtlicher Vorschriften eine zentrale Rolle. Die Definition ist sowohl in nationalen als auch europäischen Rechtsvorschriften von Bedeutung.


Rechtslage nach Straßenverkehrsordnung (StVO)

Allgemeine Pflichten beim Aus- und Einsteigen

Die Straßenverkehrsordnung (StVO) regelt in § 14 das Verhalten beim Aus- und Einsteigen in Fahrzeuge. Demnach hat jeder, der ein- oder aussteigt, besondere Sorgfaltspflichten zu beachten. Hierzu zählt insbesondere die Gefahrenvermeidung für den fließenden Verkehr und andere Verkehrsteilnehmer wie Fußgänger und Radfahrer.

Sorgfaltspflichten (§ 14 StVO)

  • Einsteigende und aussteigende Personen müssen sich so verhalten, dass eine Gefährdung anderer ausgeschlossen ist.
  • Besondere Vorsicht ist an belebten Straßen, Bushaltestellen und Parkplätzen geboten.

Halten und Parken zum Aus- und Einsteigen (§ 12 StVO)

  • Kurzzeitiges Halten zum Aus- oder Einsteigenlassen von Personen ist grundsätzlich erlaubt, sofern der Verkehr dadurch nicht behindert wird.
  • Ein langfristiges Parken auf Gehwegen, Radwegen, in zweiter Reihe oder im Halteverbot zum Zweck des Aus- oder Einsteigens ist jedoch untersagt.

Zivilrechtliche Aspekte des Aus- und Einsteigens

Haftungsfragen nach der Straßenverkehrsordnung und Straßenverkehrsgesetz (StVG)

Beim Aus- und Einsteigen kommt es häufig zu Schadensereignissen, etwa wenn eine Tür beim Aussteigen geöffnet und dabei ein anderes Fahrzeug oder ein Verkehrsteilnehmer behindert oder gar geschädigt wird.

Definition des Aus- und Einsteigens

  • Aussteigen beginnt mit der Bewegung des Fahrzeuginsassen zur Fahrzeugtür und endet mit dem vollständigen Verlassen des Fahrzeugs und Schließen der Tür.
  • Einsteigen beginnt mit dem Ergreifen der Tür und reicht bis zur Einnahme eines Sitzplatzes und dem Schließen der Tür.

Gefährdungshaftung (§ 7 StVG)

  • Die Halterhaftung nach § 7 StVG umfasst in der Regel auch Schäden, die beim Ein- oder Aussteigen durch Mitfahrer oder Fahrer verursacht werden.
  • Sonderfall: Läuft Schadensverursachung nicht mehr im Betriebsbereich des Fahrzeugs ab (bspw. wenn sich die Person bereits weiter entfernt hat), erfolgt regelmäßig eine Abgrenzung, ob noch von einem „Betrieb des Fahrzeugs“ gesprochen werden kann.

Versicherungsrechtliche Einordnung

Kfz-Haftpflichtversicherung

  • Schäden, die beim Ein- oder Aussteigen entstehen, sind durch die Kfz-Haftpflichtversicherung des Fahrzeugs gedeckt, sofern sie in ursächlichem Zusammenhang mit dem Fahrzeuggebrauch stehen.
  • Versicherer prüfen stets, ab wann eine Handlung noch als Ein- oder Aussteigen gilt und wann es sich um eine eigenständige Bewegung (z.B. Gehen auf dem Gehweg) handelt.

Unfallversicherung

  • Das Aus- oder Einsteigen zählt als sogenannter „versicherter Weg“ im Sinne der Wegeunfallversicherung, insbesondere für Arbeitnehmer auf dem Arbeits- oder Dienstweg.
  • Unfälle beim Ein- oder Aussteigen vom oder zum Arbeitsplatzfahrzeug sind daher als Arbeitsunfall meldefähig und können Ansprüche nach dem SGB VII (Sozialgesetzbuch) auslösen.

Strafrechtliche Dimensionen

Gefährdung durch unsachgemäßes Aussteigen (§ 315c StGB)

Nach § 315c StGB (Gefährdung des Straßenverkehrs) kann fahrlässiges oder vorsätzliches Fehlverhalten beim Aus- oder Einsteigen – insbesondere mit Personenschaden – strafrechtliche Konsequenzen haben.

Körperverletzung oder Sachbeschädigung

Bei Verletzungen anderer durch fahrlässiges Öffnen der Fahrzeugtür kommt gemäß §§ 223, 229 StGB (Körperverletzung) oder bei Beschädigung fremden Eigentums gemäß § 303 StGB (Sachbeschädigung) eine Strafbarkeit des Handelnden in Betracht.


Arbeitsrechtliche Bedeutung

Wegeunfall und Versicherungsschutz (§ 8 SGB VII)

Wird beim Aus- oder Einsteigen auf dem Weg zur oder von der Arbeitsstätte ein Unfall erlitten, greift der Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Entscheidend ist, dass der Unfall im funktionalen Zusammenhang mit dem Arbeitsweg steht.

Haftung gegenüber Dritten

Arbeitgeber können unter bestimmten Umständen für Unfälle, die Mitarbeiter beim Aus- oder Einsteigen mit Dienstfahrzeugen verursachen, in Regress genommen werden.


Beweisfragen bei Aus- und Einsteigeunfällen

Beweislast und Unfallrekonstruktion

Die Frage, ob ein Unfall tatsächlich im Zusammenhang mit dem Aus- oder Einsteigen steht, ist regelmäßig Gegenstand von Gerichtsverfahren. Die beweisführende Partei muss nachweisen, dass der Schaden im zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Aus- oder Einsteigen steht.

Mitverschulden und Eigenverantwortung

Oftmals spielt das Mitverschulden anderer Verkehrsteilnehmer (z.B. zu nahes Vorbeifahren eines Fahrzeugs) eine Rolle. Dies beeinflusst die Schadensteilung nach §§ 254 BGB sowie die Regulierungsquote im Versicherungsfall.


Zusammenfassung und Ausblick

Das Aus- und Einsteigen ist ein begrifflich und rechtlich vielschichtiger Vorgang im Kontext des Straßenverkehrs. Die Bestimmungen reichen vom Ordnungswidrigkeitenrecht über Haftungsrecht bis hin zu versicherungsrechtlichen Aspekten und arbeitsrechtlichen Absicherungen. Die genaue Definition ist maßgeblich für die Beurteilung von Haftung, Versicherungsschutz und Strafverfolgung. Insbesondere bei Unfällen ist eine sorgfältige Abgrenzung, wann das Aus- oder Einsteigen beginnt und endet, unerlässlich, da sie praktische Haftungs- und Versicherungsfolgen mit sich bringt.


Dieser Artikel liefert eine umfassende Übersicht zu den rechtlichen Aspekten des Begriffs Aus- und Einsteigen und dient als Nachschlagewerk für interessierte Leser, die sich einen vertieften Einblick in die Thematik verschaffen möchten.

Häufig gestellte Fragen

Wer haftet bei einem Unfall während des Ein- oder Aussteigens aus einem Fahrzeug?

Die Haftung bei einem Unfall während des Ein- oder Aussteigens aus einem Fahrzeug richtet sich nach dem Straßenverkehrsgesetz (StVG) sowie nach den Prinzipien des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) bezüglich Verkehrssicherungspflichten und Fahrlässigkeit. Grundsätzlich gilt: Wer ein- oder aussteigt, ist verpflichtet, sich so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist (StVO § 14). Kommt es während des Ein- oder Aussteigens zu einem Unfall (z.B. durch das unachtsame Öffnen einer Autotür in den fließenden Verkehr), haftet in der Regel die aussteigende Person zumindest mit, da eine Sorgfaltspflichtverletzung vorliegt. Gleichzeitig spielt die Betriebsgefahr des Fahrzeugs eine Rolle, sodass auch der Halter des Fahrzeugs unabhängig von eigenem Verschulden gemäß § 7 StVG haftet. Ist der Unfall durch das Verhalten Dritter (z.B. Vorbeifahrende) mitverursacht, kommt es zu einer Haftungsverteilung gemäß § 254 BGB (Mitverschulden). Die Kfz-Haftpflichtversicherung des Fahrzeughalters tritt in solchen Fällen ein, sofern der Unfall mit dem Betrieb des Fahrzeugs im Zusammenhang steht.

Welche besonderen Sorgfaltspflichten bestehen beim Aussteigen aus Kraftfahrzeugen?

Beim Aussteigen aus Kraftfahrzeugen gelten nach § 14 StVO besondere Sorgfaltspflichten. Personen, die ein- oder aussteigen wollen, müssen vorher prüfen, ob oben genannter Vorgang ohne Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer erfolgen kann. Es ist besondere Vorsicht gegenüber Radfahrern, Fußgängern und dem fließenden Verkehr geboten. Typischerweise beinhaltet dies, sich umzuschauen (Schulterblick) und das Öffnen der Fahrzeugtür erst vorzunehmen, wenn keine Gefahr besteht. Verstößt eine Person gegen diese Sorgfaltspflichten, kann dies zu haftungsrechtlichen und ordnungswidrigkeitsrechtlichen Konsequenzen führen. Besonders streng werden diese Pflichten an Haltestellen, in Fahrradstraßen oder in Bereichen mit erhöhtem Fußgängeraufkommen beurteilt. Die Pflicht erstreckt sich zudem auf Mitfahrer. Eltern oder Aufsichtspersonen tragen eine besondere Verantwortung für Kinder, um sicherzustellen, dass diese die nötige Sorgfalt beim Aussteigen wahren.

Ist das Aussteigen auf einer Fahrbahn immer erlaubt?

Nach § 12 Abs. 4 StVO ist das Ein- und Aussteigen auf der Fahrbahn grundsätzlich zu vermeiden, wenn dies nicht mit besonderer Vorsicht und Rücksichtnahme erfolgen kann. Das Aussteigen sollte immer zur Gehwegseite erfolgen, sofern das Fahrzeug entsprechend abgestellt ist. In Situationen, in denen auf der Fahrbahn ausgestiegen werden muss (beispielsweise auf Landstraßen ohne Gehweg), ist höchste Vorsicht geboten und der fließende Verkehr darf keinesfalls behindert oder gefährdet werden. In bestimmten Situationen, etwa an Autobahnen, ist das Aussteigen nur im Notfall gestattet; ansonsten stellt es ein Bußgeldtatbestand dar. Das Verlassen eines Fahrzeugs auf Schutzstreifen und Radwegen ist generell unzulässig, sofern keine Notlage vorliegt.

Welche rechtlichen Konsequenzen hat das unachtsame Öffnen der Fahrzeugtür?

Das unachtsame Öffnen einer Fahrzeugtür, das zu einer Gefährdung oder gar einem Unfall führt, wird als Ordnungswidrigkeit gemäß § 49 StVO geahndet und kann mit einem Verwarn- oder Bußgeld belegt werden. Wenn Personen verletzt werden oder Sachschäden entstehen, besteht zudem die Gefahr einer zivilrechtlichen Haftung auf Schadensersatz und Schmerzensgeld, ggf. auch strafrechtliche Ermittlungen wegen fahrlässiger Körperverletzung (§ 229 StGB) oder Sachbeschädigung (§ 303 StGB). Die Haftpflichtversicherung des Fahrzeughalters deckt in bestimmten Grenzen den daraus entstandenen Schaden, sofern kein grob fahrlässiges oder vorsätzliches Verhalten vorliegt. Im Falle eines Unfalls mit Radfahrern oder Fußgängern wird das Verhalten des Fahrzeugnutzers besonders streng überprüft, da diese Verkehrsteilnehmer einen besonderen Schutz genießen.

Welche Rolle spielt die Betriebsgefahr bei Unfällen während Ein- oder Aussteigen?

Die sogenannte Betriebsgefahr nach § 7 StVG besagt, dass Fahrzeuge ein inhärentes Gefährdungspotenzial besitzen, welches unabhängig von einem Verschulden des Halters oder Fahrers eine Haftung begründet. Beim Ein- und Aussteigen kann dies bedeuten, dass der Halter des Fahrzeugs haften muss, auch wenn die aussteigende Person formal ein Mitverschulden trägt oder der Unfall nicht allein durch Fehlverhalten verursacht wurde. Die Betriebsgefahr kann im Einzelfall eine Mithaftung begründen oder – etwa wenn Kinder oder in Ausnahmesituationen besonders schutzwürdige Personen betroffen sind – die vollständige Haftung nach sich ziehen. Das Ausmaß der Haftung hängt von der konkreten Gefahrenlage, dem Verschulden der Beteiligten und der jeweiligen Versicherungsbedingungen ab.

Gibt es Unterschiede beim Aussteigen aus öffentlichen Verkehrsmitteln (z.B. Bus, Tram)?

Beim Aussteigen aus öffentlichen Verkehrsmitteln greifen teilweise besondere Schutzvorschriften, insbesondere in Bezug auf § 20 StVO (Pflichten gegenüber Linien- und Schulbussen). Der übrige Verkehr muss in bestimmten Situationen anhalten, um gefährdete Busfahrgäste beim Ein- oder Aussteigen zu schützen. Fahrgäste selbst sind verpflichtet, bei der Wahl des Ausstiegsweges auf den fließenden Verkehr zu achten und Haltestellenbereiche bevorzugt zu nutzen. Bei einem Verstoß gegen die gesetzlichen Regeln, etwa durch unachtsames Aussteigen, kann auch beim Fahrgast eine (Mit-)Haftung entstehen. Weiterhin haften die Betreiber öffentlicher Verkehrsmittel für Unfälle, die sich aus einer mangelhaften Verkehrssicherungspflicht beim Betrieb von Haltestellen oder Fahrzeugen ergeben.

Wie ist die Rechtslage beim Ein- und Aussteigen von Kindern?

Kinder unter sieben Jahren gelten gemäß den Vorschriften des BGB als deliktsunfähig (§ 828 BGB), das heißt, sie sind für Schäden infolge unachtsamen Verhaltens beim Ein- und Aussteigen grundsätzlich nicht selbst haftbar zu machen. Dennoch kann die Aufsichtsperson eine Haftung treffen, wenn sie ihre Aufsichtspflicht verletzt hat. Die Halterhaftung bleibt in jedem Fall bestehen. Für ältere Kinder und Jugendliche gilt die beschränkte Haftung, wobei die Reife und Einsichtsfähigkeit des Kindes im Einzelfall geprüft wird. Besonders an Haltestellen, in Schulnähe oder bei Gruppenbeförderungen treffen die Aufsichtspersonen und Fahrzeugführer verschärfte Überwachungs- und Sicherungspflichten, was sich auch in einer erweiterten Haftung niederschlagen kann.

Welche Pflichten bestehen für die anderen Verkehrsteilnehmer beim Ein- oder Aussteigen von Fahrzeuginsassen?

Andere Verkehrsteilnehmer haben die Pflicht, auf ein- oder aussteigende Personen Rücksicht zu nehmen, insbesondere an Haltestellen öffentlicher Verkehrsmittel oder in stark frequentierten Bereichen wie Parkplätzen. Nach § 1 StVO gilt das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme. Beispielsweise müssen Kraftfahrzeuge besondere Vorsicht und notfalls langsame Geschwindigkeit walten lassen, wenn absehbar ist, dass Fahrzeuginsassen aussteigen könnten. Dennoch entbindet diese Pflicht die Ein- und Aussteigenden nicht von der eigenen Sorgfaltspflicht. Kommt es zu einem Unfall, wird das Verhalten beider Seiten abgewogen, um eine etwaige Haftungsquote festzusetzen. Ein grober Verstoß eines anderen Verkehrsteilnehmers (z.B. Missachtung eines anhaltenden Schulbusses) kann zur Alleinhaftung führen.