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Auftragsforschung


Begriff und rechtliche Grundlagen der Auftragsforschung

Die Auftragsforschung bezeichnet die Durchführung wissenschaftlicher Forschungsarbeiten durch eine Forschungseinrichtung (z.B. Universität, Institut, privates Forschungsunternehmen) im Auftrag eines externen Auftraggebers, in der Regel gegen Entgelt. Der rechtliche Rahmen der Auftragsforschung ist geprägt von einer Vielzahl von Vorschriften aus dem Zivilrecht, dem Urheberrecht, dem Datenschutzrecht, dem Steuerrecht sowie besonderen Regelungen aus dem Hochschulrecht. In der Praxis ist die Auftragsforschung insbesondere für Unternehmen, öffentliche Einrichtungen sowie für Hochschulen und Wissenschaftsorganisationen von großer Bedeutung.

Abgrenzung zur freien Forschung

Im Gegensatz zur sogenannten freien Forschung, bei der Forschungseinrichtungen eigenständig und ohne Vorgaben Dritter Forschungsprojekte betreiben, erfolgt die Auftragsforschung meistens aufgrund vertraglicher Vereinbarungen anhand der Vorgaben und Interessen des Auftraggebers. Dies führt zu unterschiedlichen rechtlichen Rahmenbedingungen, insbesondere hinsichtlich der Rechte an den Arbeitsergebnissen und deren Verwertung.

Vertragsrechtliche Grundlagen der Auftragsforschung

Vertragsarten

Der Vertrag, der der Auftragsforschung zugrunde liegt, kann abhängig vom Einzelfall unterschiedliche rechtliche Ausgestaltungen annehmen, unter anderem:

  • Dienstvertrag (§§ 611 ff. BGB): Schwerpunkt liegt auf der Bereitstellung von Forschungsdiensten, ohne dass ein konkreter Erfolg garantiert wird.
  • Werkvertrag (§§ 631 ff. BGB): (Erfolgsbezogen), wenn die Erbringung eines definierten Forschungsergebnisses oder einer bestimmten Lösung geschuldet ist.
  • Kooperationsvertrag: In manchen Fällen wird Auftragsforschung auch im Rahmen komplexerer Forschungskooperationen durchgeführt.

Das genaue Vertragsverhältnis ist maßgeblich für die daraus resultierenden Rechte und Pflichten der Vertragspartner, insbesondere bezüglich Vergütung, Ergebnislieferung, Gewährleistung, Haftung und Verwertung von Ergebnissen.

Inhalte und typische Regelungen im Auftragsforschungsvertrag

Wesentliche Inhalte eines Auftragsforschungsvertrags sind insbesondere:

  • Vertragsgegenstand und Umfang der Forschungsleistung
  • Beschreibung der erwarteten Forschungsergebnisse
  • Vergütungsmodalitäten und Zahlungsvereinbarungen
  • Zeitplan und Laufzeit
  • Regeln zur Geheimhaltung und Vertraulichkeit (Non-Disclosure Agreements)
  • Regelungen zum Umgang mit schutzrechtlichen Ergebnissen (Erfindungen, Patente, Urheberrechte)
  • Verwertungsrechte und Veröffentlichungsrechte
  • Haftung und Gewährleistung
  • Regeln zur Vertragsbeendigung und Rücktrittsrechte

Schutzrechte und Verwertung

Ein Schwerpunkt der vertraglichen Gestaltung liegt häufig in der Frage nach der Zuweisung von Schutzrechten an den Forschungsergebnissen, wie Patenten oder Urheberrechten. Darüber hinaus sind Regelungen zur Nutzung, Verwertung und gegebenenfalls Open-Access-Veröffentlichung von Forschungsergebnissen typisch.

Urheberrechtliche und patentrechtliche Aspekte der Auftragsforschung

Urheberrecht an Forschungsergebnissen

Bei Leistungen wissenschaftlicher Forschung können urheberrechtlich geschützte Werke entstehen (z.B. wissenschaftliche Texte, Software, Datenbanken). Im Rahmen der Auftragsforschung ist entscheidend, wem die Verwertungsrechte zustehen. Dies richtet sich in erster Linie nach dem Auftragsforschungsvertrag, hilfsweise nach den Regelungen der §§ 43 ff. UrhG (Urheberrechtsgesetz), insbesondere zur Übertragung von Nutzungsrechten.

Erfindungen und Patentrecht

Kommt es im Rahmen der Forschungsarbeiten zu einer patent- oder gebrauchsmusterfähigen Erfindung, sind die Regelungen des Patentgesetzes (PatG) und Arbeitnehmererfindungsgesetzes (ArbnErfG) zu beachten. Insbesondere bei Forschungseinrichtungen mit angestellten Wissenschaftlern spielen die Vorschriften zur Arbeitnehmererfindung und deren Inanspruchnahme sowie Vergütungsansprüche eine wichtige Rolle. In der Regel wird im Vertrag festgehalten, ob dem Auftraggeber exklusive oder nicht-exklusive Nutzungsrechte eingeräumt werden.

Rechte der Wissenschaftler und Publikationsfreiheit

Oftmals kollidiert das Interesse des Auftraggebers an der Geheimhaltung mit dem Veröffentlichungsinteresse seitens der Forschungseinrichtung („Wissenschaftsfreiheit“ nach Art. 5 Abs. 3 GG). Verträge müssen hier einen angemessenen Ausgleich schaffen, typischerweise durch abgestimmte Veröffentlichungsfristen oder durch Vorabinformationen des Auftraggebers.

Datenschutzrechtliche Anforderungen bei Auftragsforschung

Werden im Rahmen der Auftragsforschung personenbezogene Daten verarbeitet, gelten die Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG). Forschungseinrichtungen müssen insbesondere bei Auftragsverarbeitung gemäß Art. 28 DSGVO entsprechende vertragliche Vereinbarungen mit dem Auftraggeber treffen und die datenschutzrechtlichen Prinzipien wie Zweckbindung, Datenminimierung und Transparenz beachten.

Steuerliche Aspekte der Auftragsforschung

Die Besteuerung von Einnahmen aus Auftragsforschung unterliegt insbesondere den Regeln zur Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer und der Umsatzsteuer. Je nach Trägerschaft der Forschungseinrichtung können unterschiedliche steuerliche Privilegien greifen, etwa für gemeinnützige Organisationen. Im Fokus steht zudem die Zuordnung der Einnahmen zu wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben und die Abgrenzung zu hoheitlicher Tätigkeit (§ 68 Nr. 9 AO).

Auftragsforschung bei Hochschulen und öffentlichen Forschungseinrichtungen

Hochschulrechtliche Regelungen

Für staatliche Hochschulen gelten zusätzliche hochschulrechtliche Vorgaben, insbesondere aus den Landeshochschulgesetzen. Diese enthalten oftmals besondere Anforderungen und Genehmigungsvorbehalte für die Durchführung von Auftragsforschung, etwa in Bezug auf Drittmittelverwaltung und Transparenz. In einigen Bundesländern sind Meldepflichten und ggf. Genehmigungsvorbehalte für bestimmte Forschungsaufträge normiert.

Gemeinnützigkeitsrecht

Forschungseinrichtungen, die als gemeinnützig anerkannt sind, dürfen Auftragsforschung regelmäßig nur durchführen, soweit diese im Einklang mit ihrer gemeinnützigen Zweckverfolgung steht. Erzielte Einnahmen und deren Verwendung müssen steuer- und satzungsrechtlichen Vorgaben entsprechen. Bei wirtschaftlicher Betätigung über die gemeinnützigen Satzungszwecke hinaus drohen steuerliche Nachteile.

Haftung, Gewährleistung und Compliance

Gewährleistungs- und Haftungsrisiken

Die Haftung einer Forschungseinrichtung und deren Leitung richtet sich nach den allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften sowie nach vereinbarten vertraglichen Haftungsbeschränkungen. Typischerweise wird in Auftragsforschungsverträgen die Haftung für Mangelfolgeschäden und entgangenen Gewinn ausgeschlossen oder begrenzt.

Compliance und Korruptionsprävention

Forschungseinrichtungen müssen darüber hinaus im Rahmen der öffentlichen Mittelverwendung und Drittmittelakquise Vorgaben der Compliance (z.B. Vergaberecht, Antikorruptionsgesetzgebung) beachten. Dies gilt besonders im Umgang mit Fördermitteln und öffentlichen Geldern.

Zusammenfassung

Die rechtlichen Rahmenbedingungen der Auftragsforschung sind vielschichtig und betreffen insbesondere Fragen des Vertragsrechts, des Urheber- und Patentrechts, des Datenschutzes, des Steuerrechts sowie des Hochschulrechts. Eine sorgfältige vertragsrechtliche Ausgestaltung und die Beachtung der jeweiligen nationalen und internationalen Regularien sind für Auftraggeber und Forschungseinrichtungen gleichermaßen essentiell, um Streitigkeiten und rechtliche Risiken im Zusammenhang mit Auftragsforschung zu vermeiden.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist Inhaber der im Rahmen der Auftragsforschung entwickelten Schutzrechte (z. B. Patente), wenn keine spezielle Vereinbarung getroffen wurde?

Im Grundsatz bestimmt das sogenannte Arbeitnehmererfindungsgesetz (ArbnErfG), wem die Rechte an Erfindungen aus dem Forschungsauftrag zustehen, sofern keine anderslautende vertragliche Regelung existiert. Erfindungen, die Beschäftigte einer Forschungseinrichtung (z. B. Hochschule oder Unternehmen) im Rahmen ihrer dienstlichen Tätigkeit machen, gehören grundsätzlich dem Arbeitgeber, die Forschungseinrichtung kann dementsprechend das Schutzrecht beanspruchen. Bei öffentlich finanzierten Hochschulen kann die Inhaberschaft durch Landesrecht oder interne Richtlinien geregelt sein. Ohne vertragliche Absprache bleibt die Auftrag gebende Seite lediglich Nutzungsberechtigte oder erhält im Regelfall ein einfaches Nutzungsrecht, nicht jedoch die Inhaberschaft am Schutzrecht selbst. Abweichende Regelungen, wie die vollständige Rechteübertragung auf den Auftraggeber, bedürfen zwingend einer expliziten vertraglichen Vereinbarung. Dies gilt für Patente ebenso wie für andere Schutzrechte wie Urheberrechte oder Gebrauchsmuster.

Welche Haftungsregelungen gelten bei Mängeln oder Schäden, die aus den Ergebnissen der Auftragsforschung resultieren?

Die Haftung in der Auftragsforschung ist ein zentrales Thema im Vertragsrecht, da der Forschungsauftrag regelmäßig den Charakter eines Dienstvertrags (§ 611 ff. BGB) trägt und nicht zwingend auf einen bestimmten Erfolg gerichtet ist. Die Haftung des Auftragnehmers beschränkt sich demnach hauptsächlich auf die ordnungsgemäße Erbringung der Forschungsdienstleistung. Wird ein Werkvertrag (§ 631 ff. BGB) geschlossen, gilt eine Erfolgshaftung; der Auftragnehmer haftet für das vereinbarte Forschungsergebnis. Ungeachtet der Zuordnung können Haftungsbeschränkungen und -ausschlüsse (etwa für Mangelfolgeschäden) individuell vereinbart werden, sind aber bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz unwirksam. Öffentlich-rechtliche Forschungseinrichtungen unterliegen zudem ggf. weiteren Haftungsprivilegien. Ohne eigene Regelungen gilt die gesetzliche Haftung gemäß Bürgerlichem Gesetzbuch (BGB).

Welche Datenschutzanforderungen müssen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten in Auftragsforschungsprojekten beachtet werden?

Werden im Rahmen der Auftragsforschung personenbezogene Daten verarbeitet, sind die Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) strikt einzuhalten. Insbesondere ist zu klären, ob der Forschungsnehmer als Auftragsverarbeiter oder eigenständiger Verantwortlicher agiert. Wird Forschung im Auftrag durchgeführt und der Auftraggeber bestimmt Zweck und Mittel der Datenverarbeitung, ist typischerweise ein AV-Vertrag gemäß Art. 28 DSGVO abzuschließen. Besonderes Augenmerk ist auf die Informationspflichten gegenüber Betroffenen (Art. 13, 14 DSGVO), die Dokumentationspflichten, sowie die Sicherstellung der Betroffenenrechte zu legen. Forschung mit besonders sensiblen Kategorien personenbezogener Daten (wie Gesundheitsdaten) unterliegt zusätzlichen Schutzmaßnahmen und Genehmigungserfordernissen nach Art. 9 DSGVO. Forschungsprojekte an Hochschulen und öffentlichen Institutionen müssen zudem datenschutzrechtliche Kontrollgremien, etwa den Datenschutzbeauftragten, einbeziehen.

Welche Regelungen zur Geheimhaltung und Vertraulichkeit gelten grundsätzlich bei Auftragsforschung?

Vertraulichkeit ist in der Auftragsforschung von zentraler Bedeutung. Ohne ausdrückliche vertragliche Verschwiegenheitsvereinbarung (Non Disclosure Agreement, NDA) besteht grundsätzlich eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht nur im Rahmen bestehender Geschäftsgeheimnisse (§§ 2 Nr. 1, 5 GeschGehG). Darüber hinaus schützt das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) bestimmte Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. In der Praxis werden zur Absicherung des Know-hows und der nicht zum Schutzrechtsbereich gehörenden Informationen oft detaillierte NDAs abgeschlossen, die den Umfang, die Dauer der Geheimhaltung und die Sanktionsmechanismen bei Verstößen regeln. Auch nach Beendigung des Forschungsauftrags gilt die Verschwiegenheitsverpflichtung fort, meist für mehrere Jahre. Bei staatlichen Einrichtungen können zudem spezialgesetzliche Geheimhaltungsregelungen zur Anwendung kommen.

Dürfen Ergebnisse der Auftragsforschung durch die Forschungseinrichtung veröffentlicht werden?

Das wissenschaftliche Publikationsrecht kann durch den Auftragsforschungsvertrag beschränkt, aber nicht vollständig ausgeschlossen werden. Die Forschungseinrichtung hat grundsätzlich ein Interesse am wissenschaftlichen Austausch, doch kann ihr das Veröffentlichungsrecht vertraglich eingeschränkt werden, etwa um dem Auftraggeber Zeit zur Anmeldung von Schutzrechten zu geben. Typischerweise wird die Veröffentlichungspflicht durch vertragliche Klauseln zeitlich begrenzt (z. B. Publikationssperrfrist von 3-12 Monaten ab Abschluss des Projekts), damit schutzfähige Erfindungen gesichert werden können. In öffentlich geförderten Einrichtungen kann es zudem eine gesetzliche Verpflichtung zur Veröffentlichung oder zumindest zur Zugänglichmachung der Ergebnisse geben, die im Vertrag berücksichtigt werden muss.

Welche Mitbestimmungsrechte bestehen für die Mitarbeiter der Forschungseinrichtung bei der Durchführung von Auftragsforschung?

Mitarbeiter in Forschungseinrichtungen, insbesondere in öffentlich-rechtlichen Organisationen, genießen umfangreiche Mitbestimmungs- und Beteiligungsrechte durch Personal- bzw. Betriebsräte. Nach dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) ist insbesondere bei Fragen der Arbeitszeitgestaltung, der Arbeitsbedingungen und ggf. bei der Übertragung von Erfindungen eine Beteiligung vorgesehen. Darüber hinaus sind Beschäftigte nach dem Arbeitnehmererfindungsgesetz (ArbnErfG) an Erfindungen angemessen zu beteiligen (§ 9 ArbnErfG). Dies gilt auch dann, wenn das Resultat aus einem Auftragsforschungsprojekt stammt. Die betriebliche Mitbestimmung kann auch Eingaben zum Datenschutz, zur Arbeitsbelastung und zu ethischen Fragen umfassen.

Welche steuerlichen Rahmenbedingungen sind bei der Auftragsforschung zu beachten?

Die erbrachten Leistungen im Rahmen der Auftragsforschung unterliegen grundsätzlich der Umsatzsteuerpflicht (§ 1 UStG), sofern keine steuerfreien Ausnahmen greifen (bei eng begrenzten Forschungsaufträgen im öffentlichen Auftrag). Die Einnahmen sind als Betriebseinnahmen nach den Vorschriften des Einkommen- oder Körperschaftssteuerrechts zu behandeln. Förderungen oder Zuschüsse müssen gegebenenfalls als steuerpflichtige Umsätze deklariert werden, sofern sie im Zusammenhang mit der unmittelbaren Leistungserbringung stehen. Auch können bei internationalen Forschungskooperationen steuerliche Registrierungs-, Melde- und Abführungspflichten in mehreren Staaten bestehen. Abschreibungsmöglichkeiten bezüglich Forschungsausrüstung und Entwicklungsaufwendungen richten sich nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) und können staatlich gefördert werden (z. B. durch steuerliche Forschungszulage nach dem Forschungszulagengesetz, FZulG). Besondere Sorgfalt ist bei der Abgrenzung von Forschungs- und Entwicklungsleistungen und sonstigen Dienstleistungen geboten.