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Aufhebung der Ehe


Begriff und Rechtsgrundlage der Aufhebung der Ehe

Die Aufhebung der Ehe ist ein Begriff des Familienrechts und beschreibt die gerichtliche Beseitigung einer bestehenden Ehe durch Entscheidung eines Gerichts, wenn bestimmte gesetzlich geregelte Aufhebungsgründe vorliegen. Im Unterschied zur Scheidung wird die Ehe bei der Aufhebung rückwirkend als von Anfang an nichtig behandelt. Die maßgeblichen Vorschriften zur Eheaufhebung finden sich in den §§ 1313 bis 1318 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).

Voraussetzungen und Gründe für die Aufhebung der Ehe

Allgemeine Aufhebungsgründe

Nach deutschem Recht kann eine Ehe nur aufgehoben werden, wenn einer oder mehrere der gesetzlich ausdrücklich geregelten Aufhebungsgründe vorliegen. Diese sind:

  • Eheschließung trotz Ehehindernissen (§ 1314 BGB):

– Eheverbot wegen Verwandtschaft: Verboten sind Ehen zwischen Verwandten in gerader Linie sowie zwischen vollbürtigen und halbbürtigen Geschwistern (§ 1307 BGB).
– Doppelehe (Bigamie): Wer bereits verheiratet ist, darf keine weitere Ehe eingehen (§ 1306 BGB).
– Geschäftsunfähigkeit: Eine Ehe mit einer geschäftsunfähigen Person kann aufgehoben werden (§ 1304 BGB).
– Fehlen der Ehemündigkeit: Minderjährige Ehepartner, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.
– Vorübergehende Bewusstlosigkeit oder krankhafte Störung der Geistestätigkeit bei Eheschließung.
– Gesetzlich unerlaubte Stellvertretung (z. B. Eheschließung durch einen Vertreter ohne ausreichend Vollmacht).

Willensmängel bei Eheschließung

Ein weiterer zentraler Aufhebungsgrund liegt vor, wenn einer der Ehegatten bei der Eheschließung einem Willensmangel unterlag, etwa:

  • Irrtum über die Person oder wesentliche Eigenschaften des Ehepartners.
  • Täuschung über für die Ehe wesentliche Umstände, die zur Eheschließung geführt haben.
  • Drohung oder Zwang (§ 1314 Abs. 2 BGB): Die Ehe wurde unter Drohung oder durch widerrechtlichen Zwang geschlossen.

Verstöße gegen Formvorschriften

Ehen können auch aufgehoben werden, wenn die gesetzlichen Formvorschriften nicht eingehalten wurden, insbesondere wenn kein Ehefähigkeitszeugnis vorliegt oder die notwendige persönliche Erklärung vor einem Standesbeamten nicht erfolgte.

Antragsberechtigung und Verfahren

Wer kann die Aufhebung beantragen?

Zur Beantragung der Eheaufhebung sind in der Regel folgende Personen oder Stellen berechtigt:

  • Einer oder beide Ehegatten
  • Die zuständige Verwaltungsbehörde (u. a. Standesamt) in bestimmten Fällen von Ehehindernissen

Das Verfahren ist kontroverspflichtig und wird vor dem Familiengericht durchgeführt.

Fristen und Ausschluss der Aufhebung

Für bestimmte Aufhebungsgründe stellt das Gesetz Fristen auf, innerhalb derer der Antrag gestellt werden muss. Beispielsweise beträgt die Frist für die Aufhebung einer durch Drohung geschlossenen Ehe ein Jahr ab Wegfall der Zwangslage (§ 1317 BGB). Bei manchen Gründen, wie zum Beispiel Doppelehe, kann der Antrag grundsätzlich zeitlich unbegrenzt gestellt werden, solange die verbotene Ehe besteht.

Erkennt der antragsberechtigte Ehegatte den Aufhebungsgrund, und lebt er dennoch längere Zeit weiter in der Ehe, kann das Recht zur Aufhebung verwirken.

Rechtsfolgen der Aufhebung der Ehe

Rückwirkung und Status der Ehe

Die Aufhebung der Ehe führt grundsätzlich dazu, dass die Ehe als von Anfang an nichtig gilt. Die Rechtsfolgen treten rückwirkend ein. Eine Ausnahme besteht für sogenannte „Putativehen“ (Scheinehen in gutem Glauben eines Ehegatten): Hier bleiben manche Wirkungen zum Schutz des gutgläubigen Ehegatten bestehen.

Unterhalt, Versorgungsausgleich und Vermögensauseinandersetzung

Obwohl die Ehe als nichtig angesehen wird, finden auf bestimmte Rechtsverhältnisse der Ehegatten untereinander nach Aufhebung der Ehe die Vorschriften über die Scheidung entsprechende Anwendung. Dies betrifft:

  • Versorgungsausgleich: In vielen Fällen findet ein Versorgungsausgleich statt, sofern die Ehe ausreichend lange bestanden hat und keine zu gravierenden Hemmnisse vorlagen.
  • Unterhaltsansprüche: Der Ehegatte, der die Aufhebung der Ehe nicht schuldhaft veranlasst hat, kann einen Unterhaltsanspruch gegen den anderen Ehegatten haben.
  • Vermögensauseinandersetzung: Der gesetzliche Güterstand (z. B. Zugewinngemeinschaft) sowie Fragen des Ehevertrags werden – analog zur Scheidung – behandelt.

Kinder und Statusfolgen

Kinder, die aus einer aufgehobenen Ehe stammen, gelten nach deutschem Recht als ehelich geboren, solange beide Ehegatten davon ausgegangen sind, rechtmäßig verheiratet zu sein. Die Elternrechte und -pflichten bleiben hiervon grundsätzlich unberührt.

Erbrechtliche Folgen

Die aufgesetzte Ehe entfaltet für den Zeitraum ihres Bestehens grundsätzlich auch erbrechtliche Wirkungen. Wird die Ehe jedoch rückwirkend aufgehoben, können sich Konsequenzen für bereits eingetretene Erbfälle ergeben, insbesondere wenn ein Ehegatte vor der Aufhebung verstirbt.

Internationale Bezüge und Anerkennung

Internationale Aufhebungstatbestände

Wird eine Ehe im Ausland geschlossen oder aufgehoben, können für die Anerkennung der Aufhebung in Deutschland internationale und zwischenstaatliche Abkommen sowie das Internationale Privatrecht (IPR) maßgeblich sein. Die deutschen Gerichte prüfen, ob die ausländische Aufhebung mit nationalen Grundsätzen vereinbar ist und erkennen diese gegebenenfalls an.

Kollisionsrecht und Forum Shopping

Die Eheaufhebung kann durch verschiedene Rechtssysteme unterschiedlich behandelt werden, insbesondere bei sog. binationalen Ehen. Die zuständigen Gerichte richten sich nach den Regeln des internationalen Privatrechts der beteiligten Staaten.

Abgrenzung zur Nichtigerklärung und zur Scheidung

Die Eheaufhebung ist von der „Nichtigerklärung“ und der „Scheidung“ zu unterscheiden:

  • Nichtigerklärung: Das deutsche Recht kennt keine gesonderte Nichtigerklärung, sondern umfasst diesbezügliche Fälle als Aufhebungsgründe.
  • Scheidung: Während die Scheidung auf eine nachträgliche Auflösung der wirksamen Ehe ohne Rückwirkung zielt, beseitigt die Aufhebung die Ehe rückwirkend aufgrund eines schwerwiegenden Mangels bei der Eheschließung.

Zusammenfassung

Die Aufhebung der Ehe stellt im deutschen Familienrecht einen spezialisierten Mechanismus dar, durch den eine Ehe ausnahmsweise rückwirkend als nicht existent behandelt wird. Sie ist unter engen gesetzlichen Voraussetzungen möglich und unterscheidet sich wesentlich sowohl in ihren Voraussetzungen als auch in ihren Rechtsfolgen von der Scheidung. Die gesetzlichen Bestimmungen der Eheaufhebung dienen primär dem Schutz der öffentlichen Ordnung und der Ehegatten vor schwerwiegenden Ehefehlern bei der Begründung einer Ehe. Für die praktische Umsetzung ist ein gerichtliches Verfahren erforderlich, wobei Fristen und Formvorschriften zu beachten sind. Die Rechtsfolgen orientieren sich an denen der Scheidung, mit Rücksichtnahme auf die spezifische Situation der aufgehobenen Ehe.


Literatur:

  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), §§ 1313-1318
  • Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar
  • Dethloff, Familienrecht, Lehrbuch

Hinweis: Dieser Artikel dient ausschließlich der Information und stellt keine Rechtsberatung dar. Rechtsgrundlagen können sich im Einzelfall ändern.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Gründe können zur Aufhebung einer Ehe führen?

Im deutschen Recht ist die Aufhebung der Ehe im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), insbesondere in §§ 1313 ff., geregelt. Eine Ehe kann nur unter ganz bestimmten, gesetzlich normierten Voraussetzungen aufgehoben werden. Zu den häufigsten Aufhebungsgründen gehören das Vorliegen eines Eheverbots (beispielsweise Bigamie oder eine zu enge Verwandtschaft der Ehegatten gemäß §§ 1306, 1307 BGB), Geschäftsunfähigkeit eines Ehepartners bei Eheschließung, die Eheschließung unter Drohung oder arglistiger Täuschung sowie die Verletzung der gesetzlichen Formvorschriften. Ein weiterer wichtiger Grund ist das Fehlen eines sogenannten Ehewillens, wenn also einer der Ehegatten bei der Eheschließung nicht ernsthaft die Absicht hatte, eine eheliche Lebensgemeinschaft einzugehen. Jeder dieser Gründe muss individuell vor Gericht geprüft und festgestellt werden; es gilt der Grundsatz, dass die Ehe grundsätzlich Bestand hat und nur ausnahmsweise aufgehoben werden kann.

Wer ist berechtigt, einen Antrag auf Aufhebung der Ehe zu stellen?

Das Antragsrecht für die Aufhebung der Ehe ist gesetzlich geregelt und hängt vom jeweiligen Aufhebungsgrund ab (§§ 1316 ff. BGB). Grundsätzlich antragsberechtigt sind zumindest immer die direkt betroffenen Ehepartner. In bestimmten Konstellationen kann auch ein sogenannter „Dritter“ antragsberechtigt sein, zum Beispiel die zuständige Verwaltungsbehörde oder der Staatsanwalt, insbesondere bei Verstößen gegen zwingende Eheverbote wie Doppelehe oder Verwandtenehe. Bei Fällen, in denen die Geschäftsunfähigkeit oder Zwang zur Ehe bei einem Ehepartner vorlag, kann unter Umständen auch ein gesetzlicher Vertreter berechtigt sein, den Antrag zu stellen. Allerdings gibt es für jeden Aufhebungsgrund unterschiedliche Fristen und besondere Zulässigkeitsvoraussetzungen, die jeweils eingehalten werden müssen.

Welche Fristen gelten für die Stellung eines Aufhebungsantrags?

Die Fristen zur Stellung des Antrags auf Aufhebung der Ehe sind je nach Aufhebungsgrund unterschiedlich ausgestaltet (§ 1317 BGB). Bei einer Eheschließung unter Täuschung oder Zwang beträgt die Frist in der Regel ein Jahr ab Entdeckung des Mangels beziehungsweise Wegfall der Zwangslage. Wird die Ehe trotz Kenntnis des Aufhebungsgrundes fortgeführt, verfällt das Recht zur Aufhebung. Für andere Gründe wie Geschäftsunfähigkeit oder Eheschließung mit einem bereits verheirateten Partner bestehen zum Teil längere Fristen oder der Antrag ist sogar unabhängig von einem konkreten Fristablauf möglich, insbesondere wenn das öffentliche Interesse an der Aufhebung im Vordergrund steht. Die Einhaltung der jeweiligen Fristen ist für die gerichtliche Durchsetzbarkeit unabdingbar.

Wie läuft das gerichtliche Verfahren zur Eheaufhebung ab?

Das gerichtliche Verfahren zur Aufhebung der Ehe ist im FamFG (Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit) geregelt. Das Verfahren wird durch einen förmlichen Antrag beim zuständigen Familiengericht eingeleitet. Nach Eingang des Antrags werden alle Beteiligten, insbesondere die Ehepartner, vom Gericht angehört und Beweise erhoben, sofern dies für die Feststellung des Aufhebungsgrundes erforderlich ist. Erst nach umfassender rechtlicher und sachlicher Prüfung erlässt das Gericht einen Beschluss, durch den die Ehe aufgehoben wird. Der Beschluss ist rechtskräftig, sofern nicht innerhalb der gesetzlichen Frist Beschwerde eingelegt wird. Besondere Formerfordernisse müssen beachtet werden, etwa die Vertretung durch einen Rechtsanwalt. Das Verfahren ähnelt in vielen Aspekten dem gerichtlichen Scheidungsverfahren, unterscheidet sich jedoch in den materiellen Voraussetzungen.

Welche rechtlichen Folgen hat die Aufhebung der Ehe?

Die Aufhebung einer Ehe wirkt grundsätzlich ex tunc, das heißt, die Ehe gilt von Anfang an als nichtig, als habe sie nie bestanden. Allerdings sind zum Schutz der Ehegatten und etwaiger gemeinsamer Kinder umfassende Regelungen vorgesehen: So finden zahlreiche Vorschriften über die Folgen der Ehescheidung (zum Beispiel Unterhalt, Versorgungsausgleich, Zugewinnausgleich) sinngemäß Anwendung (§ 1318 BGB). Der sogenannte „bösgläubige“ Ehegatte, der von dem Aufhebungsgrund wusste oder ihn verschuldet hat, kann für bestimmte Vermögens- oder Unterhaltsfragen schlechter gestellt sein als der gutgläubige Partner. Kinder, die aus einer aufgehobenen Ehe hervorgehen, behalten jedoch ihren Status als eheliche Kinder und sind rechtlich vollumfänglich geschützt. Hinsichtlich gemeinsamer Vermögenswerte, der Wohnungszuweisung oder der elterlichen Sorge können Einzelfallentscheidungen des Gerichts erforderlich sein.

Können Ansprüche auf Unterhalt nach einer Eheaufhebung bestehen?

Ja, auch nach einer Aufhebung der Ehe können unter bestimmten Voraussetzungen Unterhaltsansprüche entstehen. Gemäß § 1318 BGB findet das Scheidungsfolgenrecht Anwendung, sofern einer der Ehegatten durch die Ehe wirtschaftlich benachteiligt ist, insbesondere wenn Kinder im Haushalt leben oder die Ehe von einer Seite in gutem Glauben geführt wurde. Der Unterhaltsanspruch kann jedoch eingeschränkt oder ausgeschlossen sein, wenn der Ehegatte, der Unterhalt begehrt, den Grund für die Aufhebung vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt oder kannte. Die konkrete Berechnung des Unterhalts richtet sich nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs und ist stark vom Einzelfall abhängig – insbesondere davon, ob und wie lange die eheliche Lebensgemeinschaft bestanden hat und welche persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf Seiten der Betroffenen vorliegen.

Welche Unterscheidung besteht zwischen Aufhebung der Ehe und Ehescheidung?

Die Aufhebung der Ehe und die Ehescheidung sind zwei unterschiedliche Rechtsinstitute. Während die Scheidung eine grundsätzlich wirksame Ehe mit Wirkung für die Zukunft beendet, wird durch die Aufhebung die Ehe wegen eines von Anfang an bestehenden Mangels im Eheschließungsakt als nichtig behandelt (ex tunc). Damit wird rechtlich so getan, als ob die Ehe nie gültig geschlossen wurde, es sei denn, der Schutz guter oder gutgläubiger Beteiligter gebietet eine abweichende Regelung. Unterhalts-, Vermögens- und Sorgerechtsfragen sind bei beiden Verfahren ähnlich gelagert, jedoch ist die Aufhebung auf spezielle Tatbestände beschränkt, die zum Teil auch von Dritten geltend gemacht werden können, während die Ehescheidung nur von den Ehegatten selbst beantragt werden kann und an das Scheitern der Ehe anknüpft.