Begriff und Rechtsnatur des Arztvertrags
Der Arztvertrag ist ein zivilrechtlicher Vertragstyp, bei dem sich eine Ärztin oder ein Arzt verpflichtet, medizinische Leistungen zur Behandlung einer Patientin oder eines Patienten zu erbringen. Er gehört zu den Dienstverträgen im Sinne der §§ 611 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), wobei die Erbringung einer ärztlichen Tätigkeit geschuldet wird, nicht jedoch der Behandlungserfolg. Die rechtliche Einordnung und die sich daraus ableitenden Rechte und Pflichten im Verhältnis zwischen Arzt und Patient sind im deutschen Recht umfassend geregelt.
Abgrenzung zu anderen Vertragstypen
Anders als beim Werkvertrag (§§ 631 ff. BGB), bei dem der Erfolg einer Arbeit geschuldet wird, wird beim Arztvertrag nur das sorgfältige Bemühen um den Behandlungserfolg, nicht aber das Gelingen selbst, vereinbart. Dies ist insbesondere im Haftungsfall von Bedeutung.
Zustandekommen und Form des Arztvertrags
Der Arztvertrag kommt grundsätzlich durch übereinstimmende Willenserklärungen zustande. Dies kann ausdrücklich, aber auch stillschweigend (konkludent) erfolgen, etwa durch das Aufsuchen einer Arztpraxis zur Behandlung. Eine bestimmte Form ist gesetzlich nicht vorgeschrieben; auch mündliche oder schlüssige Verträge sind grundsätzlich wirksam, mit Ausnahme spezieller Behandlungsbereiche, die ausnahmsweise einer besonderen Schriftform bedürfen (z. B. nach § 630e Abs. 2 Satz 2 BGB bei bestimmten Einwilligungen).
Rechtsgrundlagen und gesetzliche Vorschriften
Bürgerliches Gesetzbuch
Im Bürgerlichen Gesetzbuch werden die wesentlichen Pflichten aus dem Dienstvertrag (§ 611 Abs. 1 BGB) geregelt. Ergänzend finden die Vorschriften zu besonderen Schuldverhältnissen, etwa zur Haftung bei Verletzung vertraglicher Pflichten (§ 280 ff. BGB), Anwendung.
Besonderheiten durch das Patientenrechtegesetz
Seit Inkrafttreten des Patientenrechtegesetzes 2013 sind zahlreiche spezifische Vorschriften für das Arzt-Patienten-Verhältnis eingeführt worden (§§ 630a bis 630h BGB). Diese Vorschriften präzisieren insbesondere:
- die Aufklärungspflichten (§ 630e BGB),
- die Dokumentationspflicht (§ 630f BGB),
- die Einsichtnahme in die Patientenakte (§ 630g BGB),
- sowie die Beweislast im Haftungsfall (§ 630h BGB).
Rechte und Pflichten der Vertragsparteien
Pflichten des Arztes
Im Mittelpunkt steht die Behandlungspflicht. Die Behandlung muss nach anerkannten fachlichen Standards erfolgen (§ 630a Abs. 2 BGB). Hinzu kommen Aufklärungs-, Dokumentations- und Sorgfaltspflichten. Die ärztliche Schweigepflicht (§ 203 StGB) gehört ebenso zu den Nebenpflichten wie der Schutz vertraulicher Patienteninformationen.
Pflichten des Patienten
Die Hauptpflicht des Patienten ist die Zahlung einer vereinbarten Vergütung, soweit keine Abrechnung mit gesetzlichen oder privaten Krankenversicherungen erfolgt. Daneben besteht eine Mitwirkungspflicht, insbesondere durch wahrheitsgemäße Angaben und das Befolgen ärztlicher Anweisungen.
Haftung im Rahmen des Arztvertrags
Grundlagen der Haftung
Kommt der behandelnde Arzt seinen vertraglichen oder gesetzlichen Pflichten nicht nach, kann Schadensersatz gefordert werden. Dies gilt insbesondere bei Behandlungsfehlern, Aufklärungsfehlern oder Verstößen gegen Dokumentationspflichten.
Beweislastverteilung
Das Patientenrechtegesetz normiert Besonderheiten zur Beweislast (§ 630h BGB). Bei groben Behandlungsfehlern verschiebt sich die Beweislast zugunsten des Patienten, sodass der Arzt nachweisen muss, dass der Fehler nicht ursächlich für den Gesundheitsschaden war.
Verjährung von Ansprüchen
Vertragliche Ansprüche aus einem Arztvertrag verjähren grundsätzlich in drei Jahren ab Kenntnis von Schaden und Schädiger (§ 195 BGB i. V. m. § 199 BGB). Für Schadensersatzansprüche aufgrund vorsätzlicher Pflichtverletzung gelten längere Verjährungsfristen.
Beendigung des Arztvertrags
Ein Arztvertrag kann durch Erfüllung, Kündigung oder aus besonderen Gründen beendet werden. Beide Vertragsparteien sind berechtigt, das Vertragsverhältnis aus wichtigem Grund zu kündigen (§ 626 BGB). Ärztinnen und Ärzte sind allerdings verpflichtet, eine Behandlung nur dann abzubrechen, wenn kein Notfall vorliegt und der Patient rechtzeitig über die Beendigung informiert wird (§ 7 Abs. 2 Muster-Berufsordnung für Ärztinnen und Ärzte).
Sonderformen und besondere Konstellationen
Belegarztvertrag
Im Belegarztvertrag besteht ein Behandlungsverhältnis zwischen Patient und niedergelassenem Arzt, der die Behandlung in einem Krankenhaus durchführt, ohne dort angestellt zu sein. Hier gelten besondere Haftungsregelungen, insbesondere bei der Zusammenarbeit mit Krankenhauspersonal.
Vertragsärztliche Versorgung
In der vertragsärztlichen Versorgung (Kassenärzte) richtet sich der Arztvertrag zusätzlich nach den Sozialgesetzbüchern, insbesondere SGB V. Hier bestehen Besonderheiten hinsichtlich Behandlungsumfang und Vergütung.
Dokumentations- und Aufbewahrungspflichten
Die vollständige Dokumentation der Behandlung (§ 630f BGB) dient sowohl dem Patientenschutz als auch der Beweissicherung im Streitfall. Die Unterlagen müssen grundsätzlich zehn Jahre aufbewahrt werden, kürzere oder längere Fristen ergeben sich bei bestimmten Behandlungen (z. B. Strahlenbehandlung 30 Jahre).
Datenschutz im Arztvertrag
Personenbezogene Daten dürfen nur erhoben, verarbeitet und genutzt werden, soweit dies gesetzlich erlaubt ist (insbesondere nach Datenschutz-Grundverordnung und Bundesdatenschutzgesetz). Der Arzt ist verpflichtet, sämtliche Patientendaten vertraulich zu behandeln und vor unbefugtem Zugriff zu schützen.
Fazit
Der Arztvertrag bildet die rechtliche Grundlage für das Verhältnis zwischen Arzt und Patient und ist von einer Vielzahl an gesetzlichen Regelungen geprägt. Im Spannungsfeld zwischen zivilrechtlichen Pflichten, medizinischem Standard, Informations- und Datenschutz sowie Haftungsfragen sind umfangreiche Anforderungen an beide Vertragsparteien gestellt. Durch fortlaufende Entwicklungen im Recht und in der Rechtsprechung bleibt das Vertragsverhältnis dynamisch und ist regelmäßig Gegenstand gesetzgeberischer Anpassungen und gerichtlicher Auseinandersetzungen.
Häufig gestellte Fragen
Welche Formerfordernisse gelten für einen Arztvertrag?
Im rechtlichen Kontext ist für einen Arztvertrag grundsätzlich keine besondere Formvorschrift vorgeschrieben. Das bedeutet, dass ein solcher Vertrag sowohl mündlich, schriftlich als auch konkludent – also durch schlüssiges Verhalten – zustande kommen kann. Dennoch empfiehlt es sich aus Beweisgründen häufig, wesentliche Vereinbarungen, insbesondere bei speziellen Leistungen, schriftlich festzuhalten. Bestimmte Zusatzleistungen, die etwa nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen werden, sogenannte „Individuelle Gesundheitsleistungen“ (IGeL), erfordern hingegen eine vorherige, schriftliche Vereinbarung. Zudem müssen Patienten über wesentliche Aspekte wie Ablauf, Risiken und Alternativen der Behandlung im Rahmen der ärztlichen Aufklärungspflicht informiert werden. Diese Aufklärung darf in der Regel ebenfalls mündlich erfolgen, sollte aber dokumentiert werden, um spätere Rechtsstreitigkeiten bezüglich der ordnungsgemäßen Aufklärung zu vermeiden.
Welche rechtlichen Pflichten hat der Arzt im Rahmen eines Arztvertrags?
Im Mittelpunkt des Arztvertrags steht die sogenannte Heilbehandlungspflicht des Arztes. Diese verpflichtet den Arzt, die medizinisch notwendige Behandlung nach den aktuellen fachlichen Standards („Facharztstandard“) sorgfältig und gewissenhaft durchzuführen. Darüber hinaus besteht die Pflicht zur medizinischen Aufklärung und Information: Der Patient muss über Diagnose, geplante Maßnahmen, Risiken, Alternativen und deren Erfolgsaussichten informiert werden, damit er wirksam in die Behandlung einwilligen kann. Der Arzt ist weiterhin zur Verschwiegenheit über alle im Rahmen der Behandlung bekanntwerdenden Patientendaten verpflichtet, § 203 StGB. Des Weiteren muss der Arzt eine ordnungsgemäße Dokumentation der Behandlung vornehmen, da diese bei späteren Auseinandersetzungen als Beweismittel dient. Bei groben Behandlungs- oder Aufklärungsfehlern kann eine Haftung wegen Verletzung des Behandlungsvertrags eingreifen.
Welche rechtlichen Pflichten hat der Patient im Rahmen eines Arztvertrags?
Der Patient ist im Rahmen des Arztvertrags primär zur Zahlung des vereinbarten Honorars verpflichtet, sofern die Behandlung nicht durch die gesetzliche Krankenkasse oder eine private Krankenversicherung abgedeckt ist. Darüber hinaus ist der Patient zur Mitwirkung verpflichtet, insbesondere zur Bereitstellung zutreffender Informationen zu seiner Krankengeschichte, aktuellen Beschwerden sowie eingenommenen Medikamenten. Diese Mitwirkungspflicht ist rechtlich relevant, da eine unterlassene oder fehlerhafte Mitwirkung auch zu einer Haftungsentlastung des Arztes führen kann, wenn dadurch Behandlungserfolge verhindert oder verzögert werden. In speziellen Fällen, wie bei privatärztlicher Behandlung oder Wahlleistungen, kann die Verpflichtung zur schriftlichen Bestätigung bestimmter Vereinbarungen hinzukommen.
Inwieweit kann der Arztvertrag gekündigt oder beendet werden?
Der Arztvertrag ist grundsätzlich jederzeit von beiden Seiten kündbar, ein fortgesetztes Behandlungsverhältnis besteht nicht zwangsläufig. Für den Patienten besteht das Recht, die Behandlung zu jedem Zeitpunkt ohne Angabe von Gründen abzubrechen. Der Arzt darf die Behandlung jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen und mit Rücksicht auf das Wohl des Patienten beenden, etwa wenn das Vertrauensverhältnis nachhaltig gestört ist, der Patient wiederholt nicht mitwirkt oder Honorarforderungen nicht beglichen werden. Eine Kündigung durch den Arzt ist rechtlich nicht zulässig, wenn durch die Beendigung eine akute Gefährdung des Patienten zu erwarten ist. In einem solchen Fall muss der Arzt die Behandlung fortsetzen, zumindest bis eine angemessene anderweitige Versorgung gewährleistet ist.
Was sind die typischen Haftungsrisiken aus einem Arztvertrag?
Die wesentlichen Haftungsrisiken ergeben sich aus Behandlungs- und Aufklärungsfehlern. Ein Arzt haftet zivilrechtlich für Schäden, die durch eine nicht dem Stand der Wissenschaft entsprechende oder fehlerhafte Behandlung verursacht werden (Arzthaftung). Ebenfalls kann eine Haftung eintreten, wenn der Patient vor der Behandlung nicht ausreichend über Risiken und Alternativen aufgeklärt wurde. Im Falle eines nachweisbaren Fehlers hat der Patient Anspruch auf Schadensersatz und ggf. Schmerzensgeld. Daneben haftet der Arzt auch für Fehler seiner Erfüllungsgehilfen, etwa Pflegepersonal. Die Beweislast kann sich im Prozess zu Lasten des Arztes verschieben, insbesondere bei groben Fehlern oder einer lückenhaften Dokumentation.
Welche Bedeutung hat die Dokumentationspflicht für den Arztvertrag?
Eine lückenlose Dokumentation ist ein zentrales rechtliches Erfordernis des Arztvertrags. Der Arzt ist verpflichtet, sämtliche für die Behandlung relevanten Maßnahmen, Befunde und Informationen zeitgerecht und vollständig aufzuzeichnen. Diese dokumentarische Unterlage dient nicht nur der Qualitätssicherung und Nachvollziehbarkeit der Behandlung, sondern ist im Streitfall elementares Beweismittel. Fehlt die erforderliche Dokumentation oder ist sie unvollständig, kann dies unter Umständen zu einer Umkehr der Beweislast führen – der Arzt muss dann beweisen, dass er die Behandlung ordnungsgemäß vorgenommen hat. Die Dokumentationspflicht erstreckt sich auch auf die ordnungsgemäße Aufklärung des Patienten.
Wie erfolgt die Vergütung und Abrechnung im Rahmen eines Arztvertrags?
Die Abrechnung von Leistungen richtet sich nach der Art des Versicherungsverhältnisses (GKV, PKV, Selbstzahler). Im gesetzlichen Krankenkassensystem werden Leistungen gemäß dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) abgerechnet, im privaten Bereich nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ). Vereinbarungen über Wunsch- oder Zusatzleistungen müssen explizit und schriftlich getroffen werden. Wichtig ist, dass für jede abgerechnete Leistung eine nachvollziehbare medizinische Indikation sowie eine angemessene Dokumentation vorliegen muss. Fehlerhafte, nicht genehmigte oder überhöhte Abrechnungen können nicht nur zur Rückforderung führen, sondern auch strafrechtlich relevant werden.