Begriff und rechtliche Einordnung der Arrha
Die Arrha ist ein im Zivilrecht verankerter Rechtsbegriff, der eine besondere Funktion im Zusammenhang mit Vertragsabschlüssen erfüllt. Ursprünglich aus dem römischen Recht stammend, bezeichnet die Arrha – auch als Angeld bekannt – eine Leistung, die im Rahmen von Vertragsverhandlungen erbracht wird und rechtliche Wirkungen entfaltet. Die rechtlichen Rahmenbedingungen der Arrha sind insbesondere im deutschen und österreichischen Zivilrecht geregelt, wobei der Begriff und seine praktische Bedeutung vor allem im Schuldrecht und im Vertragsrecht zum Tragen kommen.
Historische Entwicklung
Die Arrha hat ihren Ursprung im römischen Recht und diente dort als Zeichen der Ernsthaftigkeit einer Vertragsschließung. Durch Überreichung einer Geldsumme oder eines anderweitigen Gegenstandes wurde die verbindliche Absicht zum Ausdruck gebracht, den Vertrag zu erfüllen. Über Jahrhunderte blieb dieser Grundgedanke erhalten, der Begriff entwickelte und konkretisierte sich jedoch in den verschiedenen europäischen Rechtsordnungen unterschiedlich weiter.
Inhalt und Funktion der Arrha
Arrha als Zeichen der Ernsthaftigkeit
Die Arrha ist regelmäßig ein Zeichen dafür, dass die Parteien einen Vertrag ernsthaft schließen wollen. Sie wird entweder als Geldsumme oder als anderer Gegenstand übergeben. Im Unterschied zur üblichen Anzahlung dient die Arrha nicht nur der teilweisen Erfüllung einer Leistungspflicht, sondern sie soll zeigen, dass beide Parteien in Verhandlungen eingetreten sind und eine Bindung anstreben.
Abgrenzung zur Anzahlung
Die Abgrenzung von der Anzahlung ist wesentlich: Während die Anzahlung eine Teilerfüllung der geschuldeten Hauptleistung darstellt und stets auf die Erfüllung des Vertrags ausgerichtet ist, kann die Arrha in bestimmten Fällen bei Rücktritt oder Nichterfüllung im Besitz der Gegenpartei verbleiben oder als Schadensersatz einbehalten werden. Sie erfüllt daher eine eigenständige Sicherungs- und Beweisfunktion.
Gesetzliche Regelung der Arrha
Deutschland
In Deutschland ist der Begriff der Arrha im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) nicht ausdrücklich geregelt. Dennoch ist die Gestaltung als Arrha im Rahmen der Vertragsfreiheit grundsätzlich zulässig. In § 336 BGB a.F. gab es eine ausdrückliche Regelung, die jedoch mit Einführung des BGB entfallen ist. In der gegenwärtigen Rechtsprechung und Literatur wird die Arrha meist nach den allgemeinen Vorschriften (§§ 311 ff. BGB über Schuldverhältnisse sowie §§ 320 ff. BGB über das Zurückbehaltungsrecht und Rücktritt) behandelt.
Österreich
Das österreichische Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB) enthält in § 908 die gesetzliche Grundlage für die Arrha. Diese Norm regelt explizit die Wirkungen des erbrachten Angeldes auf das Vertragsverhältnis und sieht beim Rücktritt jeweils unterschiedliche Rechtsfolgen vor:
- Tritt die Partei, die die Arrha gegeben hat, vom Vertrag zurück, so verfällt die Arrha zugunsten der anderen Partei.
- Hat die Partei, die die Arrha empfangen hat, den Rücktritt verschuldet, ist sie zur Rückgabe der Arrha und zur Leistung eines gleich hohen Betrages verpflichtet.
Beispielhafte Regelung nach § 908 ABGB:
„Wird wegen der Arrha das Geschäft nicht vollendet, so bleibt dieselbe der empfangenen Partei, wenn der Geber den Vertrag nicht erfüllt, oder sie muss samt einer eben so hohen Summe zurückgegeben werden, wenn der Empfänger den Vertrag übertritt.“
Arten und Zwecke der Arrha
Bestätigungsarrha
Die Bestätigungsarrha dient der Beweisfunktion für den Abschluss eines Vertrages. Sie gibt beiden Seiten die Sicherheit, dass die Verhandlungen tatsächlich zu einer Einigung geführt haben.
Straf- oder Rücktrittsarrha
Mit der Straf- oder Rücktrittsarrha wird die Möglichkeit eingeräumt, sich gegen Zahlung der Arrha oder deren Verfall vom Vertrag zu lösen. Diese Form wird häufig bei Kaufverträgen über bewegliche oder unbewegliche Sachen, insbesondere Immobilien, verwendet.
Unterschied zur Vertragsstrafe
Obwohl sich die Arrha von der Vertragsstrafe unterscheidet, können in der Ausgestaltung Überschneidungen entstehen. Die Vertragsstrafe setzt jedoch immer eine schuldhafte Nichterfüllung voraus, während die Arrha auch vereinbart werden kann, um ein Rücktrittsrecht abzugelten.
Rechtsfolgen der Arrha
Erfüllung des Vertrages
Wird der Vertrag ordnungsgemäß erfüllt, ist die Arrha regelmäßig auf die Hauptleistung anzurechnen. Soweit nichts anderes vereinbart ist, gilt sie als Teilzahlung (ähnlich der Anzahlung).
Rücktritt vom Vertrag
Kommt es aus Gründen, die im Verantwortungsbereich einer Partei liegen, zum Rücktritt, gelten folgende Rechtsfolgen:
- Rücktritt durch den Geber der Arrha: Die empfangende Partei darf die Arrha behalten.
- Rücktritt durch den Empfänger der Arrha: Die Arrha ist zurückzuerstatten; häufig wird der Rückgabebetrag verdoppelt.
- Unverschuldeter Rücktritt: Gegebenenfalls ist die Arrha zurückzuzahlen bzw. zu verrechnen – oftmals hängt dies vom konkreten Vertragsinhalt ab.
Schadensersatzanspruch
Die Vereinbarung einer Arrha schließt einen weiteren Schadensersatzanspruch nicht zwingend aus, sofern die Parteien keine davon abweichende Regelung getroffen haben. Nach österreichischem Recht wird die Arrha allerdings häufig als pauschalierter Ersatzanspruch vereinbart.
Besonderheiten und Anwendungsbereiche
Verwendung im Immobilienrecht
Vor allem im Immobilienrecht kommt die Arrha als Instrument zur Sicherung der Vertragstreue häufig zum Einsatz. Hier sichert sie dem Verkäufer bei einem Rücktritt des Käufers eine pauschale Entschädigung und erleichtert die Abwicklung.
Typische Klauseln in Verträgen
In Verträgen finden sich oftmals Formulierungen wie „die geleistete Arrha gilt als Angeld gemäß § 908 ABGB“. Derartige Klauseln stellen klar, dass eine besondere Rücktrittsregelung in Form des Arrha-Angeldes getroffen wurde.
Zusammenfassung
Die Arrha ist ein rechtlich anerkanntes Sicherungsmittel im Vertragsrecht, das bei Nichterfüllung oder Rücktritt eine pauschale Entschädigung ermöglicht und vor allem in der Praxis des Immobilienrechts eine bedeutende Rolle spielt. Ihre Rechtsfolgen hängen stark von der konkreten Ausgestaltung sowie den zugrunde liegenden Rechtsvorschriften ab. Während sie im deutschen Recht vorrangig nach allgemeinen Vertragsregeln behandelt wird, bestehen im österreichischen Recht klare gesetzliche Vorgaben zur Handhabung der Arrha. Der Einsatz der Arrha dient vorrangig der Absicherung der Vertragstreue und der Erleichterung einer möglichen Rückabwicklung von Verträgen.