Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»Arbeitsrecht»Arbeitnehmerüberlassung

Arbeitnehmerüberlassung


Begriff und Rechtsgrundlagen der Arbeitnehmerüberlassung

Die Arbeitnehmerüberlassung – häufig auch als Leiharbeit oder Zeitarbeit bezeichnet – ist im deutschen Recht ein Arbeitsverhältnis, bei dem ein Arbeitgeber (Verleiher) seine Arbeitnehmenden einem Dritten (Entleiher) zur Erbringung von Arbeitsleistungen überlässt. Die Überlassung erfolgt auf Grundlage eines privatrechtlichen Vertrages zwischen Verleiher und Entleiher, während zwischen den Arbeitnehmenden und dem Verleiher das Arbeitsverhältnis fortbesteht.

Die maßgeblichen rechtlichen Regelungen finden sich im Gesetz zur Regelung der Arbeitnehmerüberlassung (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, AÜG). Darüber hinaus haben auch andere Rechtsbereiche, etwa das Sozialversicherungsrecht, das Arbeitsrecht und das Tarifrecht, Einfluss auf die rechtliche Ausgestaltung der Arbeitnehmerüberlassung.


Wesen und Abgrenzung der Arbeitnehmerüberlassung

Definition und Grundstruktur

Im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung werden Arbeitnehmende einem Dritten zeitlich befristet oder unbefristet zur Arbeitsleistung überlassen. Es besteht damit eine Dreiecksbeziehung:

  • Verleiher (meist Personaldienstleister): Arbeitgeber der Arbeitnehmenden
  • Arbeitnehmer/in: Zur Arbeitsleistung verpflichtet und durch Arbeitsvertrag an den Verleiher gebunden
  • Entleiher: Derjenige, bei dem die Arbeitsleistung tatsächlich erbracht wird

Der Arbeitsvertrag bleibt zwischen den Arbeitnehmenden und dem Verleiher bestehen, unabhängig vom Einsatz beim Entleiher. Der Entleiher erhält ein sogenanntes Weisungsrecht im Hinblick auf die auszuübende Tätigkeit.

Abgrenzung zu anderen Rechtsverhältnissen

Wesentlich für die Einstufung als Arbeitnehmerüberlassung ist, dass die Einsatzkraft tatsächlich Arbeit nach Weisung des Entleihers verrichtet und in dessen Arbeitsorganisation eingegliedert ist. Abzugrenzen ist sie insbesondere von Dienstverträgen, Werkverträgen und echten Unternehmenskooperationen, bei denen keine Eingliederung der Beschäftigten in die Betriebsorganisation des Auftraggebers erfolgt. Die unzulässige Umgehung der Arbeitnehmerüberlassung durch Vertragskonstruktionen kann zur sogenannten Scheinselbstständigkeit und zu erheblichen Rechtsfolgen führen.


Rechtliche Rahmenbedingungen und Pflichten

Erlaubnispflicht gem. AÜG

Die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung bedarf nach § 1 AÜG einer behördlichen Erlaubnis. Die zuständige Stelle ist in der Regel die Bundesagentur für Arbeit. Die Erlaubniserteilung setzt Zuverlässigkeit und geordnete Vermögensverhältnisse des Verleihers voraus.

Voraussetzungen für die Erlaubnis

  • Nachweis der persönlichen Zuverlässigkeit (§ 3 AÜG)
  • Nachweis ausreichender Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge und Steuern (§ 5 AÜG)
  • Vorlage von Arbeitsverträgen und Nachweisen der Arbeitsbedingungen
  • Keine gravierenden Verstöße gegen arbeitsrechtliche Bestimmungen

Vertragsverhältnisse und deren Bedingungen

Überlassungsvertrag

Der Vertrag zwischen Verleiher und Entleiher muss nach § 12 AÜG zwingend schriftlich abgeschlossen werden. Er hat insbesondere die Identität der Arbeitnehmer/innen, die Einsatzdauer und die konkreten Arbeitsaufgaben zu benennen.

Arbeitsvertrag

Der Arbeitsvertrag zwischen Verleiher und Arbeitnehmenden muss sämtliche wesentlichen Bedingungen enthalten, darunter Vergütung, Arbeitszeit und Einsatzort.

Rechte und Pflichten der Vertragsparteien

Rechte und Pflichten des Verleihers

  • Abschluss und inhaltliche Gestaltung der Arbeitsverträge
  • Abführung der Sozialabgaben und Steuern
  • Sicherstellung der arbeitsrechtlichen Mindeststandards (insbesondere Arbeitszeitgesetz, Mutterschutz etc.)

Rechte und Pflichten des Entleihers

  • Bereitstellung eines sicheren Arbeitsplatzes
  • Wahrnehmung der Fürsorgepflichten während des Einsatzes
  • Umsetzung des Weisungsrechts bezüglich der Arbeitsleistung

Rechte und Pflichten der überlassenen Arbeitnehmer

  • Erfüllung der arbeitsvertraglichen Pflichten gegenüber dem Verleiher
  • Wahrnehmung der arbeitsbezogenen Weisungen des Entleihers im Rahmen der Einsatzbedingungen

Besondere Schutzvorschriften für Leiharbeitnehmer/innen

Gleichstellungsgebot (Equal Treatment und Equal Pay)

Nach § 8 AÜG gilt das Gleichstellungsgebot. Überlassene Arbeitnehmende haben Anspruch auf die wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts, wie sie für vergleichbare Stammarbeitnehmende des Entleihers gelten (Equal Pay). Abweichungen sind nur unter bestimmten Bedingungen möglich, etwa bei Anwendung eines Tarifvertrags der Zeitarbeitsbranche.

Höchstüberlassungsdauer

Die Überlassung ein- und derselben Arbeitskraft an denselben Entleiher ist nach § 1 Abs. 1b AÜG auf höchstens 18 aufeinanderfolgende Monate beschränkt, sofern nicht ein einschlägiger Tarifvertrag eine abweichende Regelung vorsieht.

Anspruch auf Festanstellung

Wird die Höchstüberlassungsdauer überschritten, entsteht rechtlich ein Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitnehmenden und Entleiher. Auch bei fehlender Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung kommt ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher zustande.


Tarifliche und betriebliche Besonderheiten

Einsatz von Zeitarbeit im Betrieb

Im Betrieb kann der Einsatz von Zeitarbeit durch Betriebsvereinbarungen bzw. Tarifverträge näher geregelt werden. Nach § 14 AÜG dürfen Leiharbeitnehmer/innen nicht als Streikbrecher eingesetzt werden.

Beteiligungsrechte des Betriebsrats

Der Betriebsrat des Entleihers ist bei Einsatz von Arbeitnehmerüberlassung umfassend zu beteiligen (Informations-, Beratungs- und Mitbestimmungsrechte gem. Betriebsverfassungsgesetz, §§ 99 ff. BetrVG).


Sozialversicherungsrechtliche Aspekte

Leiharbeitnehmer/innen sind sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Die Beiträge führt der Verleiher ab. Besondere Meldepflichten bestehen bei Überlassung ins Ausland oder von ausländischen Arbeitskräften.


Rechtsfolgen bei Verstößen gegen das AÜG

Verstöße gegen die Erlaubnispflicht, das Gleichstellungsgebot oder die Maximalüberlassungsdauer haben erhebliche zivil-, ordnungswidrigkeiten- und gegebenenfalls strafrechtliche Konsequenzen:

  • Geldbußen, Entzug der Erlaubnis (§ 16 AÜG)
  • Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen Arbeitnehmenden und Entleiher (§ 10 AÜG)
  • Nachzahlung von Beiträgen zur Sozialversicherung und Lohnsteuer
  • Ansprüche auf Nachzahlung von Vergütungsdifferenzen

Internationale Arbeitnehmerüberlassung

Bei grenzüberschreitender Arbeitnehmerüberlassung gelten ergänzend die Vorgaben der EU-Richtlinie 2008/104/EG sowie das Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG). Diese stellen zusätzliche Anforderungen an Mindestarbeitsbedingungen und Entlohnung.


Bedeutung und Entwicklung

Die Arbeitnehmerüberlassung ist im deutschen Arbeitsmarkt eine bedeutende Beschäftigungsform. Sie dient häufig dazu, kurzfristige Personalengpässe auszugleichen, neue Marktsegmente zu erschließen oder Teilarbeiten flexibel zu vergeben. Zugleich ist sie politisch und gesellschaftlich Gegenstand intensiver Diskussionen über faire Arbeitsbedingungen und Missbrauchsvermeidung.


Literatur und weiterführende Informationen

  • Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG), aktuelle Fassung
  • Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)
  • Tarifverträge der Zeitarbeitsbranche
  • Bundesagentur für Arbeit: Leitfaden zur Arbeitnehmerüberlassung

Dieser Lexikonartikel bietet eine umfassende Übersicht über die gesetzlichen Grundlagen, Pflichten und Rechte der beteiligten Parteien und aktuelle Aspekte der Arbeitnehmerüberlassung im deutschen Recht.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für eine zulässige Arbeitnehmerüberlassung erfüllt sein?

Für die rechtlich zulässige Arbeitnehmerüberlassung in Deutschland ist zwingend eine Erlaubnis nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) erforderlich. Das verleihende Unternehmen (Verleiher) muss die Erlaubnis bei der Bundesagentur für Arbeit beantragen und regelmäßig verlängern lassen. Fehlt diese, ist der Überlassungsvertrag unwirksam und der Leiharbeitnehmer wird im Zweifel zum Arbeitnehmer des Entleihers. Die Erlaubnis gewährt der Behörde dabei die Möglichkeit, die Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit des Verleihers zu überprüfen und Auflagen zu erteilen. Zusätzlich muss ein schriftlicher Arbeitnehmerüberlassungsvertrag abgeschlossen werden, der unter anderem die Identität des zu entleihenden Arbeitnehmers, die Dauer der Überlassung sowie wesentliche Arbeitsbedingungen zumindest in den Grundzügen aufführt. Darüber hinaus sind das sogenannte „equal pay“-Gebot, nach spätestens neun Monaten Einsatzdauer, sowie das Verbot der Kettenüberlassung einzuhalten. Bestimmte Branchen, wie das Bauhauptgewerbe, weisen weitere Besonderheiten auf. Die Nichteinhaltung der gesetzlichen Vorgaben kann bußgeldbewehrt sein und zu einem Übergang des Arbeitsverhältnisses führen.

Welche Pflichten hat der Entleiher gegenüber dem Leiharbeitnehmer?

Der Entleiher trägt nach § 618 BGB und § 11 Abs. 6 AÜG eine weitreichende Fürsorgepflicht für die überlassenen Arbeitnehmer. Er ist insbesondere verpflichtet, die arbeits- und arbeitsschutzrechtlichen Bestimmungen eigenständig einzuhalten. Das betrifft vor allem die Durchführung notwendiger Unterweisungen, die Bereitstellung von Arbeitsschutzmitteln sowie die Einhaltung der Höchstarbeitszeiten und Pausenregelungen. Im Falle eines Arbeitsunfalls haften Entleiher und Verleiher unter Umständen gesamtschuldnerisch. Zudem ist der Entleiher verpflichtet, die Gleichbehandlung der Leiharbeitnehmer mit der Stammbelegschaft bezüglich Zugang zu Gemeinschaftseinrichtungen oder Informationen zu offenen Stellen zu gewährleisten. Allerdings bleiben die originären Pflichten des Arbeitgebers, wie Lohnzahlung oder Urlaubsgewährung, grundsätzlich beim Verleiher, soweit nicht abweichende Regelungen greifen.

Wie wird der Grundsatz des „equal pay“ rechtlich umgesetzt?

Der Grundsatz des „equal pay“ verpflichtet den Verleiher nach einer Überlassungsdauer von neun Monaten, dem Arbeitnehmer das gleiche Arbeitsentgelt zu zahlen wie einem vergleichbaren Stammarbeitnehmer im Entleihbetrieb (§ 8 AÜG). Ausnahmen sind lediglich durch sogenannte Tariföffnungsklauseln möglich, bei denen tarifliche Regelungen für maximal 15 Monate zulässig sind. Der Anspruch umfasst sämtliche regelmäßigen Lohnbestandteile wie Grundgehalt, Zulagen, Sonderzahlungen, Sachleistungen etc. Der Entleiher ist verpflichtet, dem Verleiher die vergleichbare Vergütung schriftlich mitzuteilen. Bei Verstößen gegen dieses Prinzip besteht ein eigenständiger Nachzahlungsanspruch des Leiharbeitnehmers gegenüber dem Verleiher, der bis zu drei Jahre rückwirkend geltend gemacht werden kann. Unterschiede bei der Bewertung von gleichwertiger Arbeit werden regelmäßig gerichtlich überprüft und können zu Nachforderungen führen.

Welche Mitbestimmungsrechte hat der Betriebsrat im Zusammenhang mit der Arbeitnehmerüberlassung?

Der Betriebsrat des Entleihbetriebs besitzt gemäß § 99 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht bei der Einstellung von Leiharbeitnehmern und muss daher vor jeder Überlassung informiert und angehört werden. Zudem besteht nach § 14 Abs. 3 AÜG für den Betriebsrat ein Informationsrecht bezüglich der Zahl und der Einsatzdauer der Leiharbeitnehmer. Auch bei Fragen zur Personalplanung, Arbeitsplatzgestaltung und bei der Gewährung von Sozialleistungen kann dem Betriebsrat ein Mitspracherecht zustehen. Darüber hinaus ist der Betriebsrat berechtigt, etwaige Verstöße gegen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz zu beanstanden und die Einhaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu überwachen.

Welche Folgen hat eine unzulässige Arbeitnehmerüberlassung für die Vertragsparteien?

Bei einer unzulässigen Arbeitnehmerüberlassung – insbesondere bei fehlender Erlaubnis oder Verstoß gegen das Verbot der Kettenüberlassung – entsteht nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 AÜG zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Entleiher kraft Gesetzes ein Arbeitsverhältnis. Dies kann rückwirkend erfolgen. Die betroffenen Arbeitnehmer können innerhalb eines Monats nach Kenntniserlangung des Verstoßes schriftlich widersprechen. Für die beteiligten Unternehmen drohen empfindliche Bußgelder bis zu 500.000 Euro sowie Schadensersatzansprüche und Nachzahlungen besonders im Bereich Sozialversicherung und Steuer. Zusätzlich kann die Aufsichtsbehörde die Entziehung der Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung veranlassen.

Welche Besonderheiten gelten für den Einsatz von Leiharbeitnehmern in bestimmten Branchen?

Im Bauhauptgewerbe besteht gemäß § 1b AÜG ein ausdrückliches Verbot der Arbeitnehmerüberlassung, sofern der Entleiher selbst dem Bauhauptgewerbe angehört. Ausnahmen gelten nur für konzerninterne Überlassungen. Branchen wie die Pflege oder die Luftfahrt weisen umfangreiche Sonderregeln zur Maximalüberlassungsdauer, den Arbeitsbedingungen und der Mitbestimmung auf. Im Bereich der öffentlichen Verwaltung gelten teils ergänzende, eigenständige Vorschriften, insbesondere zur Tarifanwendung, die vom AÜG abweichen können. Branchenbezogene Tarifverträge können zudem weitere Einschränkungen und Sonderregelungen etablieren, die zwingend zu beachten sind.

Wann ist eine Arbeitnehmerüberlassung als „vorübergehend“ anzusehen und welche rechtlichen Konsequenzen hat ein Verstoß gegen die Höchstüberlassungsdauer?

Seit dem 1. April 2017 ist im AÜG eine Höchstüberlassungsdauer von 18 aufeinanderfolgenden Monaten für denselben Leiharbeitnehmer im selben Entleihbetrieb gesetzlich festgeschrieben. Ein Überschreiten dieser Zeit führt nach § 9 Abs. 1 Nr. 1b AÜG zur Fiktion eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Entleiher, sofern der Arbeitnehmer nicht widerspricht. Tarifvertragliche oder betriebliche Abweichungen sind im begrenzten Rahmen möglich, erfordern jedoch ebenfalls gesetzeskonforme Dokumentation. Werden Leiharbeitnehmer systematisch länger als erlaubt eingesetzt, drohen nicht nur arbeitsrechtliche Konsequenzen, sondern auch empfindliche Bußgelder und unter Umständen der Entzug der Überlassungserlaubnis. Eine lückenlose Dokumentation der Einsatzzeiten ist daher unerlässlich.