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Anstandsschenkung


Begriff und Definition der Anstandsschenkung

Die Anstandsschenkung ist ein Begriff aus dem deutschen Zivilrecht, der eine unentgeltliche Zuwendung zwischen Personen beschreibt, die nach gesellschaftlichen oder familiären Gepflogenheiten und Anlässen als sozial üblich angesehen wird. Charakteristisch für die Anstandsschenkung ist, dass sie aufgrund eines besonderen sozialen Ereignisses (z. B. Geburtstag, Hochzeit, Jubiläum) gewährt wird und sowohl nach Art und Wert im Rahmen der allgemein anerkannten Sitten liegt. Im Gegensatz zur regulären Schenkung unterliegt die Anstandsschenkung bestimmten rechtlichen Privilegien und Ausnahmen.


Rechtsgrundlagen der Anstandsschenkung

Gesetzliche Regelungen im BGB

Die gesetzliche Grundlage für die Anstandsschenkung findet sich im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), insbesondere in § 534 BGB sowie in den Vorschriften zu Form, Widerruf und Rückforderung von Schenkungen. Der Begriff wird dabei zwar nicht ausdrücklich definiert, ist jedoch durch Rechtsprechung und Kommentarliteratur anerkannt und ausgeprägt.

§ 534 BGB (Ausschluss der Rückforderung bei Anstandsschenkungen) normiert, dass das Recht des Schenkers, eine Schenkung wegen groben Undanks zurückzufordern, bei Anstandsschenkungen ausgeschlossen ist:
„Das Recht des Schenkers auf Rückforderung wegen groben Undanks ist ausgeschlossen, soweit es sich um eine Zuwendung handelt, die nach den Maßstäben des Anstandes, insbesondere aus Anlass eines besonderen Tages, gemacht wurde (Anstandsschenkung).“

Verhältnis zu anderen Arten der Schenkung

Die Anstandsschenkung stellt eine Unterform der Schenkung gemäß § 516 BGB dar. Sie unterscheidet sich jedoch durch ihre enge Bindung an gesellschaftliche Konventionen und Anlässe. Sie ist weder rechtlich noch wirtschaftlich mit der sogenannten Handschenkung gleichzusetzen, bei der der tatsächliche Vollzug im Vordergrund steht.


Rechtliche Merkmale der Anstandsschenkung

Soziale Üblichkeit und Anlass

Zentrales Merkmal der Anstandsschenkung ist die Üblichkeit der Zuwendung. Es muss sich regelmäßig um Geschenke mit geringem materiellen Wert handeln, deren Zuwendung nach gesellschaftlichen Maßstäben anlässlich eines festlichen oder besonderen Ereignisses erfolgt:

  • Geburtstage
  • Hochzeiten
  • Taufe
  • Konfirmation, Kommunion, Erstkommunion
  • Jubiläen (beruflich oder privat)
  • Beförderung, bestandene Prüfungen

Der Wert der Zuwendung ist nach den Lebensverhältnissen von Schenkendem und Beschenktem im Einzelfall zu beurteilen.

Formfreiheit

Anders als andere Schenkungen, bei denen unter Umständen eine notarielle Beurkundung erforderlich ist (z. B. bei Grundstücksschenkungen, § 518 BGB), ist die Anstandsschenkung grundsätzlich formlos wirksam und bedarf keiner besonderen Form. Bereits mit der tatsächlichen Zuwendung wird die Schenkung vollzogen.


Fehlende Rückforderungsrechte und Widerrufsausschluss

Ein wesentliches rechtliches Charakteristikum der Anstandsschenkung besteht im Ausschluss bestimmter Rückforderungsansprüche:

Ausschluss der Rückforderung wegen groben Undanks

Nach § 534 BGB kann eine Anstandsschenkung nicht wegen groben Undanks widerrufen werden. Der Gesetzgeber sieht in der sozialen Zweckbindung und dem geringen Wert keinen Raum für eine solche Rückforderung.

Ausschluss des Rückforderungsrechts bei Verarmung des Schenkers

Nach § 528 BGB kann ein Schenker bei eigener Verarmung gewöhnliche Schenkungen zurückfordern. Bei Anstandsschenkungen ist das jedoch grundsätzlich nicht möglich, ebenfalls mit Bezug auf den sozialen Charakter und den üblich geringen wirtschaftlichen Wert.


Abgrenzung zu sonstigen Zuwendungen und steuerrechtliche Betrachtung

Unterschied zu Gelegenheitsgeschenken

Während Anstandsschenkungen auf einer gesellschaftlichen Norm beruhen und den Rahmen des Üblichen nicht übersteigen, können Gelegenheitsgeschenke sowohl den Kontext der gesellschaftlichen Sitte als auch die wirtschaftlichen Verhältnisse übersteigen und somit als reguläre Schenkung qualifiziert werden, auf die dann die allgemeinen Anforderungen an die Schenkung Anwendung finden können.

Abgrenzung zur übereignungspflichtigen Schenkung

Wird eine Gegenleistung erwartet oder ist die Zuwendung mit Auflagen versehen, liegt regelmäßig keine Anstandsschenkung vor, sondern eine reguläre Schenkung im Sinne von § 516 BGB.


Steuerrechtliche Behandlung der Anstandsschenkung

Schenkungssteuerrecht

Die Anstandsschenkung ist im Rahmen des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) von Bedeutung. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 14 ErbStG unterliegen Zuwendungen, die nach Anstand und Sitte üblich sind, nicht der Schenkungssteuer, da sie ausdrücklich steuerfrei gestellt sind. Die Zuwendung darf dabei nach „Anlass und Umfang“ nicht über das sozial gebotene Maß hinausgehen.

Prüfungsmaßstab

Die Finanzbehörden prüfen die Anwendbarkeit der Steuerbefreiung jeweils anhand des Einzelfalls, wobei Kriterien wie Einkommen und Vermögen der Beteiligten, Art und Höhe des Geschenks sowie der Anlass der Zuwendung zu berücksichtigen sind.


Typische Streitfragen und Rechtsprechung

Umfang und Wertbemessung

Regelmäßig wird vor Gerichten darüber gestritten, ob eine Zuwendung noch als Anstandsschenkung oder bereits als steuerpflichtige beziehungsweise rückforderbare Schenkung einzustufen ist. Leitlinien zur Beurteilung liefert insbesondere die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sowie des Bundesfinanzhofs.

Missbrauchsvermeidung

Zur Umgehung von Schenkungssteuerpflichten ist eine Mehrung von Anstandsschenkungen in kurzer Zeit nicht zulässig. Auch erhebliche Vermögenszuwendungen unter dem Deckmantel des Anstands werden von Gerichten regelmäßig als steuerpflichtige Schenkungen gewertet.


Zusammenfassung

Die Anstandsschenkung ist eine besondere Form der Schenkung, die an gesellschaftliche Gepflogenheiten und festgelegte Anlässe gebunden ist. Sie ist weitgehend formlos, unterliegt nicht den allgemeinen Rückforderungs-, Widerrufs- und steuerlichen Regelungen regulärer Schenkungen und ist im Rahmen des BGB und des ErbStG rechtlich privilegiert. Die maßgebliche Abgrenzung zur sonstigen Schenkung erfolgt primär über Art, Wert und Anlass der Zuwendung sowie die gesellschaftlichen Zusammenhänge. Die Anstandsschenkung stellt damit ein wichtiges Institut zur Wahrung gesellschaftlicher Sitten und steuerlicher Fairness dar.

Häufig gestellte Fragen

Welche Formvorschriften sind bei einer Anstandsschenkung zu beachten?

Bei der Anstandsschenkung handelt es sich grundsätzlich um eine Zuwendung, die aus Anlass eines gesellschaftlich üblichen Ereignisses (z.B. Geburtstag, Hochzeit, Jubiläum) erfolgt und von ihrem Umfang dem sozialen und wirtschaftlichen Status des Schenkers sowie dem Anlass entspricht. Rechtlich gesehen steht die Anstandsschenkung unter dem Vorbehalt der Formfreiheit, das heißt, sie bedarf in der Regel keiner notariellen Beurkundung gemäß § 518 BGB, sofern die Zuwendung sofort vollzogen wird. Die Formvorschriften des Schenkungsversprechens sind daher auf Anstandsschenkungen nicht anwendbar, da bei diesen regelmäßig eine sogenannte Handschenkung (sofortige Übergabe) erfolgt. Schwierig wird die Abgrenzung, wenn die Zuwendung zwar unter dem Deckmantel der Anstandsschenkung erfolgt, aber entweder keine sofortige Übergabe stattfindet oder der Wert der Schenkung deutlich über das gesellschaftlich Übliche hinausgeht. In solchen Fällen ist die Formvorschrift des § 518 BGB zu berücksichtigen, wonach ein Schenkungsversprechen notariell beurkundet werden muss, sofern es nicht unmittelbar vollzogen wurde.

Ist eine Anstandsschenkung rückforderbar?

Im deutschen Zivilrecht besteht bei Schenkungen grundsätzlich die Möglichkeit der Rückforderung, beispielsweise bei grobem Undank (§ 530 BGB) oder wegen Verarmung des Schenkers (§ 528 BGB). Für Anstandsschenkungen gelten jedoch Abweichungen: Sie unterliegen nicht in gleichem Maße der gesetzlichen Rückforderung wie reguläre Schenkungen, da sie stark vom sozialen Brauch geprägt sind und oft keinen so großen materiellen Wert aufweisen. Dennoch kann eine Rückforderung nicht pauschal ausgeschlossen werden. Ist die Anstandsschenkung etwa nur zum Schein erfolgt, lag eine Täuschung oder Drohung vor oder tritt nachträglich eine schwere Verfehlung des Beschenkten ein, kann im Einzelfall unter den genannten gesetzlichen Voraussetzungen auch die Rückabwicklung einer Anstandsschenkung gefordert werden. Die rechtliche Wirksamkeit der Rückforderung hängt maßgeblich von einer wertmäßigen und anlassbezogenen Prüfung ab, ob tatsächlich eine Anstandsschenkung oder doch eine reguläre Schenkung vorliegt.

Unterliegt eine Anstandsschenkung der Schenkungssteuer?

Auch Anstandsschenkungen können grundsätzlich der Schenkungssteuer unterliegen. Das deutsche Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) sieht nur für Gelegenheitsgeschenke eine Steuerfreiheit vor, wenn diese im Rahmen üblicher Anlässe (beispielsweise Geburtstage, Hochzeiten, Weihnachten) und in üblicher Höhe erfolgen (§ 13 Abs. 1 Nr. 14 ErbStG). Maßgeblich ist, ob das Geschenk als „übliche Gelegenheitsgeschenke“ einzustufen ist, was anhand des sozialen Standes und der Vermögensverhältnisse des Schenkers sowie der sozialen Gepflogenheiten zu beurteilen ist. Wird der Rahmen des Üblichen überschritten, fällt die Zuwendung unter die allgemeine Schenkungsbesteuerung. Finanzämter prüfen insbesondere bei hohen Zuwendungen anlässlich besonderer Anlässe, ob tatsächlich noch von einer steuerbefreiten Anstandsschenkung ausgegangen werden kann oder ob eine steuerpflichtige Schenkung vorliegt.

Welche Rolle spielt der Anlass bei der Einordnung einer Anstandsschenkung?

Der Anlass einer Zuwendung ist bei der Beurteilung, ob es sich um eine Anstandsschenkung im rechtlichen Sinn handelt, von zentraler Bedeutung. Akzeptierte Anlässe sind insbesondere familiäre, freundschaftliche oder soziale Ereignisse, wie etwa Geburtstage, Hochzeiten, Examensfeiern, Taufen, Jubiläen oder sonstige Feste, bei denen gesellschaftlicher Brauch eine Zuwendung in angemessenem Umfang vorsieht. Fehlt ein solcher Anlass oder handelt es sich um eine Zuwendung außerhalb üblicher sozialer Gepflogenheiten, wird juristisch regelmäßig nicht mehr von einer Anstandsschenkung ausgegangen. Die Einordnung ist stets eine Frage des Einzelfalls und hängt davon ab, wie in vergleichbaren sozialen Gruppen oder Regionen solcher Anlass mit Geschenken bedacht wird.

In welchem Verhältnis steht die Anstandsschenkung zum Pflichtteilsrecht?

Im Zusammenhang mit dem Pflichtteilsrecht (§§ 2303 ff. BGB) sind Anstandsschenkungen von besonderer Relevanz bei der Pflichtteilsergänzung (§ 2325 BGB). Werden vor dem Erbfall unentgeltliche Zuwendungen getätigt, können diese grundsätzlich den Pflichtteilsergänzungsanspruch erhöhen. Davon ausgenommen sind jedoch Geschenke, die als Anstandsschenkung zu werten sind, da sie typischerweise dem gesellschaftlichen Brauch und nicht der bewussten Schmälerung des Pflichtteils dienen. Die genaue Abgrenzung erfolgt auch hier anhand des Anlass- und Wertmaßstabs. Nur solche Zuwendungen, die diesen Rahmen überschreiten, werden bei der Pflichtteilsergänzung berücksichtigt.

Wie erfolgt die Beweisführung im Streitfall, ob eine Zuwendung eine Anstandsschenkung ist?

Kommt es zwischen Schenker und Beschenktem oder zwischen den Erben und Begünstigten zum Streit über die Einordnung einer Zuwendung als Anstandsschenkung, ist die Darlegungs- und Beweislast entscheidend. Grundsätzlich muss derjenige, der sich auf die Rechtsfolgen der Anstandsschenkung beruft (z.B. Steuerfreiheit, Ausschluss von Pflichtteilsergänzung), darlegen und ggf. beweisen, dass sämtliche Kriterien erfüllt sind: Es muss ein gesellschaftlich anerkannter Anlass vorliegen, die Zuwendung muss in ihrem Wert angemessen sein und es dürfen keine Umstände vorliegen, die gegen eine Anstandsschenkung sprechen. Als Beweismittel kommen neben Zeugenaussagen auch Einladungen, Geschenkelisten oder bankübliche Überweisungstexte infrage. Gerichte wägen alle Umstände des Einzelfalls ab, weshalb eine sorgfältige Dokumentation empfehlenswert ist.

Gelten Anstandsschenkungen auch im Verhältnis zu juristischen Personen?

Anstandsschenkungen setzen grundsätzlich eine natürliche Person als Empfänger voraus, da sie auf persönlichen Beziehungen oder gesellschaftlichen Gepflogenheiten beruhen. Im Verhältnis zu juristischen Personen, wie etwa Vereinen, Stiftungen oder Unternehmen, ist grundsätzlich Vorsicht geboten, da die persönliche Beziehung, aus der eine Anstandsschenkung resultiert, fehlt. Eine Zuwendung an eine juristische Person im Rahmen eines gesellschaftlich üblichen Ereignisses kann zwar ausnahmsweise zulässig sein, ist aber rechtlich meist nicht als Anstandsschenkung einzuordnen. Hier gelten die allgemeinen Regeln zur Schenkung. Jede Zuwendung an eine juristische Person sollte steuerlich und zivilrechtlich getrennt geprüft werden.