Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener
Die Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener ist ein strafrechtlich relevanter Tatbestand, der zum Schutz der postmortalen Persönlichkeitsrechte dient und in Deutschland durch § 189 des Strafgesetzbuches (StGB) geregelt wird. Der Gesetzgeber verfolgt damit das Ziel, das Andenken an verstorbene Personen gegen ehrverletzende Angriffe zu schützen, auch wenn der Verstorbene selbst nach deutschem Recht nicht mehr Rechtssubjekt ist. Die Vorschrift bildet Teil des Ehrschutzes im Strafrecht und unterscheidet sich in ihrer Reichweite, ihren Voraussetzungen sowie ihrem Verhältnis zu Persönlichkeitsrechten lebender Personen.
Rechtliche Einordnung
Die Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener ist in § 189 StGB geregelt und zählt zu den Straftaten gegen die Ehre. Sie ist eingebettet im 14. Abschnitt des Strafgesetzbuches, der verschiedene Formen der Ehrdelikte wie Beleidigung (§ 185 StGB), üble Nachrede (§ 186 StGB) und Verleumdung (§ 187 StGB) umfasst.
Gesetzestext (§ 189 StGB)
„Wer das Andenken eines Verstorbenen verunglimpft, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“
Mit Inkrafttreten des StGB in seiner heutigen Fassung ist so die Herabsetzung, Schmähung oder böswillige Missachtung einer verstorbenen Person auch nach ihrem Tod rechtlich verfolgtbar.
Geschützte Rechtsgüter
Das geschützte Rechtsgut ist das postmortale Persönlichkeitsrecht, insbesondere der soziale Geltungswert und das Ansehen, das der Verstorbene bei anderen Menschen genoss. Der Schutz knüpft an die sittlichen und ethischen Wertvorstellungen der Gesellschaft an und schützt somit den sozialen Achtungsanspruch weiter über den Tod hinaus.
Angehörigenrechte
Obwohl das Andenken primär auf die Person des Verstorbenen bezogen ist, erfasst der Schutz mittelbar auch Angehörige, die in ihrem Pietätsempfinden betroffen sein können. Die Strafbarkeit der Verunglimpfung des Andenkens erfolgt aber unabhängig von deren Willen oder eigenem Strafantrag, da die Tat als Offizialdelikt verfolgt wird.
Tatbestand
Objektiver Tatbestand
Der objektive Tatbestand erfordert eine Handlung, welche das Andenken einer verstorbenen natürlichen Person verunglimpft. Entscheidend ist dabei:
- Verstorbenenbezug: Die Person, zu deren Andenken gehandelt wird, muss tatsächlich verstorben sein. Der Zeitpunkt des Todes ist dabei maßgeblich.
- Verunglimpfung: Die Handlung muss geeignet sein, das Ansehen des Verstorbenen in der Öffentlichkeit herabzusetzen. Hierunter fallen ehrverletzende Äußerungen, Schmähungen, Beleidigungen oder grobe Entstellungen des Charakters, Lebenswandels oder Handelns des Verstorbenen.
- Tathandlung: Erfasst sind sowohl verbale als auch schriftliche Äußerungen, Gesten, Veröffentlichungen, Darstellungen in Medien und andere öffentliche Kundgaben.
Nicht erforderlich ist, dass die Verunglimpfung bereits die Grenze zur strafbaren Beleidigung überschreitet (§ 185 ff. StGB). Maßgeblich ist vielmehr, ob die Würde und das Ansehen des Verstorbenen in erheblicher Weise beeinträchtigt werden.
Abgrenzung zu Kritik und zulässiger Meinungsäußerung
Die Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 GG bleibt auch in Bezug auf Verstorbene zu berücksichtigen. Kritik, die sachlich bleibt und sich im Rahmen historischer oder öffentlicher Debatten bewegt, ist grundsätzlich zulässig. Strafbar sind ausschließlich Äußerungen, deren Inhalt und Form die nötige Distanz und Achtung gegenüber der verstorbenen Person vermissen lassen und in ihren Aussagen die Schwelle zur Verunglimpfung überschreiten.
Subjektiver Tatbestand
Der subjektive Tatbestand setzt Vorsatz voraus. Das bedeutet, dass der Täter bewusst und gewollt das Andenken des Verstorbenen verunglimpft. Fahrlässigkeit reicht nicht aus.
Strafrechtliche Folgen
Die Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener ist mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bedroht. Die Strafverfolgung erfolgt von Amts wegen, es handelt sich somit nicht um ein Antragsdelikt. Die Tat kann auch versucht werden, eine Versuchsstrafbarkeit besteht allerdings nicht.
Strafrechtliche Abgrenzung zu anderen Ehrdelikten
Anders als bei der Beleidigung ist es bei § 189 StGB nicht erforderlich, dass sich die Äußerung an einen bestimmten Adressatenkreis richtet. Maßgeblich ist allein die Objektivität der Handlung und deren Eignung, das öffentliche Ansehen zu beeinträchtigen. Der Schutz besteht ausschließlich für Verstorbene; lebende Personen sind durch die allgemeinen Ehrschutzdelikte erfasst.
Verhältnis zu anderen Rechtsgebieten
Persönlichkeitsrecht und postmortaler Schutz
Im deutschen Recht ist das Persönlichkeitsrecht nicht mit dem Tod des Rechtsträgers erloschen. Die sogenannte postmortale Persönlichkeit wird in Rechtsprechung und Literatur anerkannt. Zivilrechtlich können insbesondere nächste Angehörige Ansprüche auf Unterlassung und Schadensersatz geltend machen, sofern die Verletzung schwerwiegend ist und ihr Andenken beziehungsweise das Ansehen des Verstorbenen in Verletzung der Menschenwürde beeinträchtigt wurde.
Zivilrechtlicher Ehrenschutz (§ 823 Abs. 1 BGB)
Verletzungen des postmortalen Persönlichkeitsrechts können gemäß § 823 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) deliktische Ansprüche auf Unterlassung und ggf. auf Schadensersatz begründen. Dieser zivilrechtliche Ehrenschutz wirkt ergänzend zum strafrechtlichen Schutzniveau.
Medienrecht
Die Darstellung von verstorbenen Personen in Presse, Rundfunk, Filmen oder Internet kann sowohl eine rechtmäßige Berichterstattung als auch eine Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsschutzes begründen. Hier muss eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Informationsinteresse und dem Andenken des Verstorbenen erfolgen.
Beispiele für Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener
- Öffentliche Herabwürdigung: Schmähende Äußerungen oder Bildmanipulationen, die das Ansehen der verstorbenen Person grob verletzen.
- Leugnung historischer Verbrechen: Besonders relevant ist dies im Zusammenhang mit Holocaustleugnung oder Relativierung schwerer Menschheitsverbrechen, sofern das Andenken betroffener Opfer massiv beeinträchtigt wird.
- Diffamierende Veröffentlichungen: Bücher, Filme oder Webseiten, die unwahre oder ehrverletzende Angaben über Verstorbene verbreiten.
Rechtsprechung und Praxis
Die Anwendung des § 189 StGB in der gerichtlichen Praxis erfolgt regelmäßig in Bezug auf Fälle, bei denen das Ansehen in der Öffentlichkeit bewusst und in grober Weise herabgesetzt wird. Die Gerichte nehmen eine sorgfältige Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Ehrschutz vor. Die Strafverfolgungsbehörden schreiten insbesondere in jenen Fällen ein, in denen das gesellschaftliche Werteverständnis über den Umgang mit Verstorbenen in massiver Weise verletzt wird.
Internationaler Vergleich
Zum Schutz des Andenkens Verstorbener existieren vergleichbare Regelungen auch in anderen Rechtssystemen (z. B. Österreich, Schweiz). Die konkrete Ausgestaltung und der Schutzumfang variieren jedoch, wobei auch hier das postmortale Persönlichkeitsrecht – insbesondere hinsichtlich historischer Persönlichkeiten – nach ähnlichen Grundsätzen gesichert ist.
Zusammenfassung
Die Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener stellt einen wichtigen Bestandteil des deutschen Ehrschutzrechts dar. § 189 StGB schützt das postmortale Persönlichkeitsrecht gegenüber groben Herabwürdigungen nach dem Ableben. Der Rechtsrahmen gewährleistet einen umfassenden Schutz sowohl durch strafrechtliche als auch durch zivilrechtliche Regelungen und setzt ein gesellschaftliches Signal für Pietät und Achtung auch über den Tod hinaus. Die Grenze zur erlaubten Meinungsäußerung ist dabei stets unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalles und bestehender Grundrechte zu bewerten.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Schutzmechanismen bestehen für das Andenken Verstorbener im deutschen Recht?
Der Schutz des Andenkens Verstorbener gegen Verunglimpfung wird im deutschen Recht insbesondere durch § 189 Strafgesetzbuch (StGB) gewährleistet. Danach macht sich strafbar, wer das Andenken eines Verstorbenen verunglimpft, etwa durch herabwürdigende oder ehrverletzende Äußerungen. Neben dem strafrechtlichen Schutz bietet auch das Zivilrecht in bestimmten Fällen Rechtsbehelfe, etwa im Rahmen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, welches über Artikel 1 und Artikel 2 des Grundgesetzes fortwirkt. Die nächsten Angehörigen – insbesondere die nächsten Familienmitglieder – können gegen rechtsverletzende Veröffentlichungen zivilrechtlich vorgehen. Allerdings erlischt der Schutz des Persönlichkeitsrechts grundsätzlich mit dem Tod, sodass der Schutz des Andenkens im Wesentlichen durch das Strafrecht aufrechterhalten wird. Außerdem werden die Interessen der Angehörigen teils über deren eigenes Persönlichkeitsrecht geschützt, beispielsweise bei der Veröffentlichung von Bildern des Verstorbenen.
Wer ist berechtigt, bei einer Verunglimpfung des Andenkens Strafanzeige zu erstatten oder rechtlich vorzugehen?
Im Strafrecht ist die Strafverfolgung gemäß § 194 Abs. 2 StGB bei einer Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener grundsätzlich von einem Strafantrag der Angehörigen abhängig; sogenannte „Antragsberechtigte“ sind die Angehörigen, wobei hierzu insbesondere Ehepartner, Kinder und Eltern zählen. Wird kein solcher Antrag gestellt, kann nur im sogenannten öffentlichen Interesse ein behördliches Einschreiten erfolgen, was im Einzelfall durch die Staatsanwaltschaft zu prüfen ist. Zivilrechtlich sind die Handlungsmöglichkeiten für Angehörige begrenzt, da das allgemeine Persönlichkeitsrecht mit dem Tod endet. Lediglich in Ausnahmefällen – etwa wenn das Persönlichkeitsrecht des Angehörigen selbst tangiert wird – stehen ihnen Unterlassungs-, Beseitigungs- oder Schadensersatzansprüche zu. So können beispielsweise Eltern oder Kinder gegen eine gravierende Beleidigung des Verstorbenen vorgehen, wenn dadurch ihr eigenes Empfinden schwer beeinträchtigt wird.
Welche Aussagen oder Handlungen erfüllen den Tatbestand der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener?
Der Tatbestand der Verunglimpfung ist in § 189 StGB geregelt und erfasst ausdrücklich solche Aussagen oder Handlungen, die geeignet sind, das Ansehen oder den Ruf eines Verstorbenen absichtlich zu schmälern oder zu schädigen. Hierzu zählen grobe Beleidigungen, Ehrverletzungen, Schmähkritiken oder auch unwahre Tatsachenbehauptungen, die eine herabwürdigende Wirkung entfalten. Auch die öffentliche Zurschaustellung, etwa durch diffamierende Darstellungen, kann darunterfallen. Nicht erfasst sind sachliche oder neutrale Äußerungen sowie legitime Kritik im Rahmen der Meinungsfreiheit. Entscheidend ist stets der Kontext und ob der objektive Dritte von einer Verunglimpfung sprechen würde; der subjektive Maßstab des Angehörigen spielt eine nachrangige Rolle.
Welche Strafen drohen bei einer Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener?
Die Strafandrohung für die Verunglimpfung des Andenkens eines Verstorbenen richtet sich nach § 189 StGB. Danach wird die Tat mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. In besonders schweren Fällen oder bei gleichzeitigen weiteren Straftatbeständen (wie der Beleidigung Lebender) kann eine höhere Strafe verhängt werden. Bei erstmaligen, geringfügigen oder bedingt schuldhaften Taten ist eine Einstellung des Verfahrens oder Strafmilderung denkbar. Ebenfalls kann das Gericht sogenannte „Nebenstrafen“ auferlegen, etwa das Verbot, bestimmte Äußerungen zu wiederholen, oder die Veröffentlichung eines Urteils zur Wiederherstellung des Andenkens.
Gibt es Ausnahmen vom strafrechtlichen Schutz des Andenkens Verstorbener?
Ja, das deutsche Strafrecht kennt Ausnahmen vom Schutz des Andenkens Verstorbener. Insbesondere entfällt die Strafbarkeit, wenn es sich um nachweislich wahre Tatsachenbehauptungen handelt oder wenn die Äußerungen im Rahmen eines überwiegenden Interesses an der öffentlichen Meinungsbildung oder historischen Forschung getätigt wurden. Auch die Kunstfreiheit (Artikel 5 Abs. 3 GG) oder die Freiheit der Wissenschaft können einschlägig sein, etwa bei kritischen geschichtlichen Darstellungen. Die Grenze bildet jedoch stets die Überschreitung zur Schmähkritik, also einem Angriff, der nicht mehr der sachlichen Auseinandersetzung dient, sondern gezielt verletzend ist.
Wie lange besteht der strafrechtliche Schutz des Andenkens Verstorbener?
Das Gesetz enthält keine ausdrückliche zeitliche Begrenzung für den Schutzzeitraum gemäß § 189 StGB. In der Rechtsprechung wird jedoch die Ansicht vertreten, dass ein sogenannter Persönlichkeitsschutz nach dem Tod nicht unbegrenzt fortdauert, sondern mit fortschreitender Zeit an Gewicht verliert. Dies ist insbesondere für prominente Persönlichkeiten von Bedeutung, da hier oft ein öffentliches Interesse an historischen Tatsachen besteht. Nach etwa 30 Jahren – der Dauer des urheberrechtlichen postmortalen Persönlichkeitsrechts – wird vielfach ein natürlicher Ablauf der Schutzwirkungen angenommen. Allerdings gibt es für § 189 StGB keine offizielle Höchstfrist, sodass Verunglimpfungen theoretisch auch nach langer Zeit noch strafbar sein können, sofern der Respekt vor dem Andenken objektiv weiter besteht.
Welche Bedeutung hat die Meinungsfreiheit im Kontext der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener?
Die Meinungsfreiheit nach Artikel 5 GG ist ein wesentliches Grundrecht und erfasst grundsätzlich auch die Äußerungen über Verstorbene. Gleichwohl kann dieses Grundrecht im Rahmen der Abwägung hinter dem postmortalen Persönlichkeitsschutz und dem Schutz des Andenkens Verstorbener zurücktreten. Maßgebliches Abgrenzungskriterium ist, ob die Äußerung noch von der freien Meinungsäußerung gedeckt oder bereits eine Verunglimpfung im Sinne von § 189 StGB darstellt. Entscheidend ist hierbei, ob die Äußerung auf Tatsachen gestützt ist, ob sie einer sachlichen Auseinandersetzung dient (z. B. im Rahmen der historischen Aufarbeitung) oder ob sie lediglich der Schmähung oder Herabwürdigung des Verstorbenen dient. In jedem Fall muss ein Ausgleich zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Verstorbenen beziehungsweise dem Ansehen und dem öffentlichen Interesse an der Meinungsäußerung erfolgen.