Begriff und Stellung des Amtsvormunds
Der Amtsvormund ist eine durch das Familiengericht bestellte amtliche Vertretung für minderjährige Personen (Minderjährige), deren elterliche Sorge – entweder ganz oder in Teilbereichen – nicht den Eltern, sondern einem Dritten obliegt. Die Aufgaben und die rechtliche Grundlage des Amtsvormunds ergeben sich vor allem aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) sowie dem Gesetz über die Rechtspflege in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG).
Vielmals wird das Jugendamt als Behörde zum Amtsvormund bestellt, doch ist grundsätzlich jede geeignete Person oder Stelle bestellbar. Der Amtsvormund übernimmt sämtliche Rechte und Pflichten der elterlichen Sorge, sofern nicht eine Ergänzungspflegschaft eingerichtet oder das Sorgerecht teilweise bei den Eltern verbleibt.
Rechtsgrundlagen des Amtsvormunds
Gesetzliche Grundlage
Die zentrale gesetzliche Norm für den Amtsvormund ist § 1791b BGB. Dieser verweist direkt auf das Verfahren und die Bestellung eines Amtsvormundes und regelt dessen Aufgabenstellung. Das FamFG bestimmt in den §§ 270 ff. die gerichtlichen Verfahren zur Bestellung eines Amtsvormunds.
Anlass der Bestellung
Ein Amtsvormund wird insbesondere dann bestellt, wenn:
- die elterliche Sorge beiden Elternteilen oder dem letzten verbleibenden Elternteil durch das Familiengericht vollständig entzogen wird (§ 1666 BGB);
- das Kind ohne elterliche Sorge ist (etwa bei unbekannter Elternschaft oder Tod beider Elternteile);
- die Mutter eines nichtehelichen Kindes minderjährig ist und die Sorge für das Kind nicht ausüben kann.
Bestellung und Pflichten des Amtsvormunds
Arten des Amtsvormunds
- Voll-Amtsvormundschaft: Übernahme der gesamten elterlichen Sorge
- Teilsorge- oder Ergänzungspflegschaft: Übernahme nur einzelner Teilbereiche der Sorge (z. B. Vermögenssorge, Aufenthaltsbestimmung)
Verfahren der Bestellung
Das Familiengericht entscheidet von Amts wegen oder auf Antrag über die Bestellung eines Amtsvormunds. Vorrangig ist gemäß § 1779 BGB, eine geeignete natürliche Person zu berufen (etwa Verwandte oder andere dem Kind Nahestehende). Ist dies nicht möglich oder fachlich angezeigt, bestellt das Gericht das Jugendamt zum Amtsvormund. Die Bestellung ist dem Kind, dem Jugendamt und weiteren Beteiligten bekannt zu geben.
Aufgabenbereich des Amtsvormunds
Der Amtsvormund vertritt das Kind in allen Angelegenheiten der elterlichen Sorge – Personensorge (etwa Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge, Erziehung) und Vermögenssorge (Verwaltung des Vermögens, Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen, Beantragung von Sozialleistungen etc.). Der Amtsvormund ist zudem verpflichtet, stets das Wohl des Kindes (§ 1697a BGB) zu beachten.
Rechte und Kontrolle
Der Amtsvormund ist gegenüber dem Familiengericht rechenschaftspflichtig. Er unterliegt regelmäßiger Kontrolle, insbesondere in Vermögensangelegenheiten. Das Gericht kann ihm Anordnungen erteilen und verlangt in bestimmten Fällen eine Rechnungslegung. Entscheidungen von besonderer Bedeutung für das Kind bedürfen oftmals der Genehmigung durch das Familiengericht (§ 1850 BGB).
Beendigung und Wechsel des Amtsvormunds
Gründe für die Beendigung
Die Amtsvormundschaft endet grundsätzlich, wenn
- das Kind volljährig wird,
- die elterliche Sorge wieder durch die Eltern oder einen Elternteil ausgeübt werden kann,
- das Amtsvormandschaftsverhältnis durch das Familiengericht aufgehoben wird (z. B. bei Adoption des Kindes),
- ein anderer Vormund bestellt wird.
Wechsel des Amtsvormunds
Ein Wechsel kann auf Antrag oder von Amts wegen erfolgen, insbesondere wenn das Wohl des Kindes durch den Amtsvormund gefährdet erscheint oder nach Änderung der tatsächlichen Umstände eine andere Person als geeigneter erscheint.
Praktische Bedeutung und Abgrenzung zu verwandten Institutionen
Funktion gegenüber dem Mündel
Das Kind, für welches der Amtsvormund bestellt ist, wird als „Mündel“ bezeichnet. Der Amtsvormund übt faktisch die Rolle eines Fürsorgeberechtigten aus und hat die Interessen des Kindes zu vertreten und zu fördern.
Abgrenzung zu Pfleger und Ergänzungspfleger
Im Unterschied zur Amtsvormundschaft wird ein Pfleger regelmäßig nur für einzelne Angelegenheiten oder Teilbereiche der elterlichen Sorge bestellt. Der Ergänzungspfleger ergänzt die elterliche Sorge nur in einem spezifischen Bereich, während der Amtsvormund eine vollumfängliche elterliche Sorge ausübt.
Rolle des Jugendamts
Das Jugendamt als häufigster Amtsvormund handelt durch einen beauftragten Mitarbeiter. Es bleibt jedoch immer das Jugendamt als Behörde selbst die bestellte Vormundschaftsperson. Die Amtsvormundschaft kann in Ausnahmefällen auf andere öffentliche oder private Stellen übertragen werden.
Haftung und Aufsicht
Der Amtsvormund haftet für Schäden, die aus einer Verletzung seiner Pflichten entstehen, nach allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften. Als öffentliche Stelle genießt das Jugendamt gewisse Haftungsprivilegien, muss aber dennoch für grob fahrlässiges oder vorsätzliches Handeln einstehen.
Das Familiengericht führt die fachliche und rechtliche Kontrolle über das Handeln des Amtsvormunds durch regelmäßige Berichte und kann bei Pflichtverletzungen eingreifen.
Literatur und Weblinks
- Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), §§ 1773 ff.
- Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG), §§ 270 ff.
- Sozialgesetzbuch VIII (SGB VIII), § 55 f.
Hinweis: Die rechtliche Regelung des Amtsvormunds unterliegt ständiger Entwicklung. Für spezielle Anwendungsfälle ist die aktuelle Gesetzeslage zu beachten.
Häufig gestellte Fragen
Wann wird ein Amtsvormund bestellt?
Ein Amtsvormund wird in der Regel durch das Familiengericht bestellt, wenn die elterliche Sorge für ein minderjähriges Kind ruht oder entzogen wurde und keine geeignete Einzelperson als Vormund zur Verfügung steht. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn beide Elternteile verstorben sind, sich das Sorgerecht nicht ausüben lässt oder die Kindesmutter minderjährig ist und keine handlungsfähigen Eltern vorhanden sind. Die Bestellung erfolgt auf der Grundlage von §§ 1773, 1791b, 1897 BGB in Verbindung mit § 55 SGB VIII. Zuständig ist das Jugendamt als Behörde, das dann als sogenannte „Amtsvormundschaft“ für das Kind tätig wird. Der Amtsvormund wird durch richterlichen Beschluss eingesetzt und erhält die gesamten Sorgerechte, solange diese nicht anderweitig eingeschränkt oder modifiziert wurden.
Welche Aufgaben und Befugnisse hat ein Amtsvormund konkret?
Der Amtsvormund übernimmt umfangreiche rechtliche Aufgaben, die sonst einer sorgeberechtigten Person obliegen. Dazu zählen insbesondere die gesetzliche Vertretung des Mündels gegenüber Dritten, die Entscheidung über Aufenthaltsort und Wohnort, die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen, die Verwaltung des Vermögens des Mündels, Schul- und Ausbildungsentscheidungen sowie gesundheitliche Belange bis hin zu medizinischen Behandlungen. Der Vormund ist verpflichtet, regelmäßig persönlichen Kontakt zum Kind zu halten und dessen Wohl sicherzustellen (§ 1800 BGB). Außerdem trifft der Vormund alle Entscheidungen stets mit Blick auf das Kindeswohl, wobei der Jugendliche mit zunehmendem Alter und Einsichtsfähigkeit stärker beteiligt werden muss (§ 1909 Abs. 3 BGB). Der Amtsvormund unterliegt zudem einer behördlichen und gerichtlichen Kontrolle, muss über seine Tätigkeit Rechenschaft ablegen und auf Verlangen des Familiengerichts Berichte vorlegen.
Welche Rechte und Pflichten haben leibliche Eltern weiterhin, wenn ein Amtsvormund bestellt wurde?
Wurde ein Amtsvormund bestellt, sind die Rechte und Pflichten der leiblichen Eltern in Bezug auf die elterliche Sorge vollständig oder teilweise suspendiert. Das Sorgerecht geht ‒ je nach richterlicher Entscheidung ‒ vollständig auf den Amtsvormund über, sodass Eltern keine rechtlichen Entscheidungen mehr für ihr Kind treffen können. Jedoch haben Eltern das Recht, den Kontakt zu ihrem Kind zu pflegen, soweit dies dem Wohl des Kindes nicht widerspricht. Darüber hinaus haben sie das Recht auf Information und Anhörung im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens zur Vormundschaft. Unter Umständen kann das Gericht einzelne Teilbereiche der Sorge bei den Eltern belassen („Teilhabe“), dies geschieht aber nur ausnahmsweise (§ 1630 BGB). Die Unterhaltspflicht bleibt grundsätzlich bestehen, ihnen kann jedoch die Ausübung von Vertretungsrechten in Unterhaltsangelegenheiten entzogen werden.
Ist der Amtsvormund zur regelmäßigen persönlichen Kontaktaufnahme mit dem Mündel verpflichtet?
Gesetzlich ist dem Amtsvormund vorgegeben, das Kind persönlich kennenzulernen und einen regelmäßigen Kontakt zu pflegen (§ 1800 BGB sowie § 55 Abs. 2 SGB VIII). Das Bundesverwaltungsgericht und zahlreiche Landesjugendämter fordern ausdrücklich nicht nur einen formal-administrativen Kontakt, sondern eine aktive Beziehungspflege zur Wahrung des Kindeswohls. Die Häufigkeit richtet sich nach den Bedürfnissen, dem Alter und der Situation des Kindes oder Jugendlichen. Ein persönliches Treffen ist mindestens einmal im Quartal, im Regelfall jedoch monatlich vorzunehmen, um ein ausreichendes Bild von der Entwicklung und den Lebensumständen des Kindes zu erhalten und bei Bedarf unterstützend lenkend eingreifen zu können.
Unterliegt der Amtsvormund einer Kontrolle und wie erfolgt diese?
Der Amtsvormund unterliegt sowohl der Kontrolle des Familiengerichts als auch einer internen Aufsicht im Jugendamt. Das Familiengericht kann regelmäßig Berichte und Rechnungslegungen fordern (§§ 1837 ff. BGB). Zudem besteht für bestimmte Angelegenheiten, wie etwa die Zustimmung zu einer Heirat, einer Adoption oder größeren Vermögensverfügungen, eine Genehmigungspflicht durch das Gericht (§§ 1643, 1821 BGB). Intern ist im Jugendamt meist ein zweistufiges Kontrollsystem durch andere Sachbearbeiter vorgesehen, um Missbrauch oder Fehleinschätzungen zu vermeiden. Verstöße gegen gesetzliche Vorgaben oder offensichtliches Fehlverhalten können zum Entzug des Amtsvormandschaft führen.
Kann der Amtsvormund abberufen oder ausgewechselt werden?
Ein Amtsvormund kann auf Antrag des Jugendamtes, der Eltern, befreiter Personen oder des Mündels selbst durch einen Beschluss des Familiengerichts abberufen werden, wenn ein wichtiger Grund im Sinne des § 1886 BGB vorliegt. Dies kann etwa der Fall sein bei Interessenkonflikten, grober Pflichtverletzung oder Ungeeignetheit des Vormunds. Auch das Jugendamt kann selbst eine Neubestellung von Amtsvormunden im Rahmen seiner Organisationsstruktur vornehmen, muss jedoch über jeden Wechsel den Familienrichter informieren und begründen. Der Abberufung oder ein Wechsel ist stets im Interesse des Mündels abzuwägen.
Haben Minderjährige bzw. Jugendliche Mitspracherechte gegenüber dem Amtsvormund?
Nach § 1909 BGB ist der Amtsvormund verpflichtet, Kinder und insbesondere Jugendliche in Entscheidungen, die sie betreffen, einzubeziehen und ihre Wünsche angemessen zu berücksichtigen. Ab etwa 14 Jahren wird die eigenständige Meinung rechtlich besonders beachtet und hat zum Teil gewichtige Bedeutung, beispielsweise bei Fragen zum Aufenthalt, zur Ausbildung oder zu religiösen Belangen. Das Kind selbst kann bei Unstimmigkeiten das Familiengericht anrufen. Darüber hinaus ist der gesetzliche Beteiligungsgrundsatz (§ 8 Abs. 1 SGB VIII) zu beachten, nach dem die Entwicklung der eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit gefördert werden soll.