Begriff und Grundgedanke der Alternativfeststellung
Unter Alternativfeststellung wird die Feststellung eines Gerichts oder einer Behörde verstanden, die mehrere sich gegenseitig ausschließende Sachverhalts- oder Rechtsvarianten nebeneinander stellt, weil eine eindeutige Klärung nicht möglich ist oder aus Vorsorgegründen unterschiedliche rechtliche Bewertungen abgebildet werden sollen. Die Alternativfeststellung zielt darauf ab, eine Entscheidung auch dann tragfähig zu machen, wenn eine der Varianten rechtlich oder tatsächlich nicht durchgreift. Sie unterscheidet sich von der reinen Begründungstechnik dadurch, dass die alternativen Aussagen den Kern der Feststellung betreffen und nicht bloß erläuternde Erwägungen sind.
Abgrenzungen
Alternativfeststellung versus Alternativbegründung
Die Alternativbegründung stützt ein Ergebnis auf mehrere voneinander unabhängige Gründe. Das Ergebnis selbst bleibt eindeutig, die Begründungswege sind alternativ. Demgegenüber betrifft die Alternativfeststellung den Feststellungskern: Es wird nicht nur unterschiedlich begründet, sondern inhaltlich festgehalten, dass entweder die eine oder die andere Variante zutrifft.
Alternativfeststellung versus Hilfsbegründung und Hilfsentscheidung
Bei Hilfsbegründung und Hilfsentscheidung wird eine Aussage nur für den Fall getroffen, dass die Hauptbegründung oder Hauptentscheidung nicht trägt. Diese sind bedingt und nachrangig. Eine Alternativfeststellung stellt Varianten gleichrangig nebeneinander, ohne eine als nachrangig zu kennzeichnen.
Abgrenzung zur Wahlfeststellung im Strafverfahren
Die Wahlfeststellung im Strafverfahren ist eine besondere Form alternativer Entscheidung: Das Gericht geht sicher davon aus, dass ein strafbares Verhalten vorliegt, kann aber nicht feststellen, welches von mehreren in Betracht kommenden Delikten verwirklicht wurde. Die Verurteilung erfolgt dann in der Alternative. Sie unterliegt engen inhaltlichen Anforderungen und ist von der hier beschriebenen allgemeinen Alternativfeststellung zu unterscheiden.
Abgrenzung zur alternativen Kausalität
Alternative Kausalität beschreibt Konstellationen, in denen unklar ist, welcher von mehreren möglichen Ursachenfaktoren den Erfolg herbeigeführt hat. Sie betrifft die Zurechnung von Ursachen, nicht die Form der Feststellung. Eine Alternativfeststellung kann zwar auf Problemlagen alternativer Kausalität reagieren, ist jedoch ein eigenständiges prozessuales und entscheidungstechnisches Phänomen.
Zulässigkeit und Grenzen
Bestimmtheit und Rechtsklarheit
Entscheidungen müssen inhaltlich bestimmt und klar sein. Alternative Aussagen im Entscheidungssatz (Tenor) gefährden die Eindeutigkeit und erschweren die Vollstreckung. Daher sind Alternativfeststellungen im verfügenden Teil von Entscheidungen in der Regel unzulässig. Zulässig bleibt eine alternative Erörterung in den Entscheidungsgründen, wenn der Tenor eindeutig ist.
Vollstreckbarkeit und Bindungswirkung
Eine vollstreckbare Entscheidung setzt klare Feststellungen voraus. Alternativ formulierte Tenorierungen lassen sich regelmäßig nicht vollstrecken und erzeugen unklare Bindungswirkungen. Das spricht gegen Alternativfeststellungen im Kernbereich der Entscheidung. In den Gründen dargestellte Alternativen entfalten keine selbständige Bindungswirkung.
Beweislast und Beweismaß
Alternativfeststellungen entstehen häufig aus Beweisschwierigkeiten. Prozessuale Regelungen verlangen jedoch eine abschließende Überzeugungsbildung oder die Anwendung von Beweislastregeln. Wo das vorgeschriebene Beweismaß nicht erreicht ist, ist eine definitive Feststellung zu treffen oder die Klage abzuweisen; Alternativfeststellungen sind nur in eng begrenzten Ausnahmen anerkannt, insbesondere im Strafverfahren als Wahlfeststellung.
Prozessuale Auswirkungen
Im Zivil- und Verwaltungsprozess gilt, dass Anträge und Urteile hinreichend bestimmt sein müssen. Eine Feststellungsklage, die eine Alternativfeststellung im Tenor anstrebt, ist regelmäßig unzulässig. Prozessual wird dies durch Eventual- oder Hilfsanträge gelöst: Es werden mehrere klare Anträge gestellt, die in einem Rangverhältnis stehen, statt eine einzige alternative Feststellung zu verlangen.
Anwendungsfelder
Strafverfahren
Im Strafverfahren tritt die Alternativfeststellung in Form der Wahlfeststellung auf. Sie setzt voraus, dass feststeht, dass überhaupt ein tatbestandsrelevantes Verhalten begangen wurde, jedoch offenbleibt, welches von mehreren Delikten verwirklicht ist. Die Anforderungen dienen der Wahrung von Schuldprinzip und Fairness. Eine allgemeine alternative Feststellung ohne diese Voraussetzungen ist unzulässig.
Verwaltungs- und Zivilverfahren
In verwaltungs- und zivilgerichtlichen Entscheidungen ist eine alternative Tenorierung in der Regel unvereinbar mit Bestimmtheit und Rechtsklarheit. Alternative Erwägungen sind in den Gründen zulässig, etwa um zu zeigen, dass das Ergebnis unter verschiedenen rechtlichen Bewertungen gleich ausfällt. Der Entscheidungssatz selbst muss eindeutig bleiben.
Steuerrechtliche Feststellungen
Bei der gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen wird mitunter versucht, verschiedene rechtliche Qualifikationen vorsorglich abzubilden. Der verfügende Teil eines Feststellungsbescheids muss jedoch bestimmt sein. Alternative Ausführungen finden, wenn überhaupt, im Begründungsteil Platz und entfalten keine eigenständige Bindungswirkung für Folgebescheide, sofern sie nicht in den feststellenden Teil aufgenommen wurden.
Rechtsfolgen und Bewertung
Rechtskraft
Rechtskraft erfasst nur das eindeutig Festgestellte. Alternative Elemente im Tenor verhindern eine klare Rechtskraftwirkung und sind daher regelmäßig unzulässig. Alternative Erwägungen in den Gründen erlangen keine Rechtskraft, soweit sie nicht tragender Bestandteil der Entscheidung sind.
Rechtsschutz
Unklare oder alternative Feststellungen erschweren effektiven Rechtsschutz, weil ungewiss bleibt, wogegen sich ein Rechtsmittel richtet und was die bindende Aussage ist. Dies erklärt die Zurückhaltung gegenüber Alternativfeststellungen im Entscheidungskern.
Dokumentations- und Begründungsfunktion
Alternativen in den Entscheidungsgründen können die Nachvollziehbarkeit erhöhen, indem dargestellt wird, dass das Ergebnis unabhängig von der rechtlichen Einordnung Bestand hat. Diese Technik dient der Begründungstransparenz, ohne die Bestimmtheit des Tenors zu beeinträchtigen.
Typische Formulierungen und Ausgestaltung
Erscheinungsformen
Alternativfeststellungen treten sprachlich etwa als „entweder … oder …“, „hilfsweise wird festgestellt, dass …“ oder in konditionalen Formen („für den Fall, dass … gilt …“) auf. Nur letztere – als echte Hilfsentscheidungen – wahren regelmäßig die Bestimmtheit, weil sie ein Rang- oder Bedingungsverhältnis ausdrücken.
Anforderungen an die Entscheidungsformel
Der Entscheidungssatz muss eindeutig sein. Soweit alternative Überlegungen mitgeteilt werden, sollten sie dem Begründungsteil vorbehalten bleiben. Auf diese Weise bleiben Vollstreckbarkeit, Rechtsklarheit und Bindungswirkung gewahrt.
Zusammenfassung
Die Alternativfeststellung bezeichnet die nebeneinander stehende Feststellung sich ausschließender Varianten in einer Entscheidung. Sie ist im Kernbereich von Tenor und Verwaltungsakt wegen der Anforderungen an Bestimmtheit, Vollstreckbarkeit und klare Bindungswirkung grundsätzlich problematisch. Anerkannte Ausnahmen bestehen in engen Konstellationen, insbesondere als Wahlfeststellung im Strafverfahren. Zulässig und verbreitet ist die Darstellung alternativer Begründungswege in den Entscheidungsgründen, während der Entscheidungssatz eindeutig bleiben muss.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Alternativfeststellung
Was bedeutet Alternativfeststellung in einfachen Worten?
Es handelt sich um eine Form der Entscheidung, bei der mehrere sich ausschließende Sachverhalts- oder Rechtsvarianten nebeneinander festgehalten werden, weil eine eindeutige Klärung nicht erreicht wird oder unterschiedliche rechtliche Einordnungen vorsorglich abgebildet werden.
Ist eine Alternativfeststellung im Entscheidungssatz zulässig?
Im Entscheidungssatz ist eine Alternativfeststellung in der Regel unzulässig, weil Entscheidungen klar und bestimmt sein müssen. Zulässig sind alternative Erwägungen meist nur in den Entscheidungsgründen.
Worin unterscheidet sich Alternativfeststellung von Alternativbegründung?
Die Alternativbegründung liefert mehrere Begründungswege für ein eindeutiges Ergebnis. Die Alternativfeststellung betrifft hingegen den Inhalt der Feststellung selbst, indem Varianten im Ergebnis nebeneinander stehen.
Welche Rolle spielt die Alternativfeststellung im Strafverfahren?
Im Strafverfahren erscheint sie als Wahlfeststellung: Das Gericht verurteilt in der Alternative, wenn feststeht, dass ein strafbares Verhalten vorliegt, aber offenbleibt, welches Delikt erfüllt ist. Diese Form ist nur unter strengen Voraussetzungen zulässig.
Darf ein Verwaltungsakt alternative Feststellungen enthalten?
Der verfügende Teil eines Verwaltungsakts muss eindeutig sein. Alternative Feststellungen im Tenor widersprechen regelmäßig dem Bestimmtheitsgebot. Alternative Ausführungen können allenfalls im Begründungsteil erscheinen und entfalten keine eigene Bindungswirkung.
Welche Auswirkungen hat eine Alternativfeststellung auf die Rechtskraft?
Rechtskraft setzt Klarheit der festgestellten Inhalte voraus. Alternative Elemente im Entscheidungssatz verhindern eine eindeutige Rechtskraftwirkung; alternative Begründungen in den Gründen werden grundsätzlich nicht rechtskräftig.
Wie verhält sich die Alternativfeststellung zu Beweislast und Beweismaß?
Sie entsteht typischerweise bei Beweisschwierigkeiten. Prozessuale Regeln verlangen jedoch eine abschließende Überzeugungsbildung oder die Anwendung von Beweislastgrundsätzen. Daher sind Alternativfeststellungen nur ausnahmsweise anerkannt.