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Ad-hoc-Publizität

Begriff und Zweck der Ad-hoc-Publizität

Ad-hoc-Publizität bezeichnet die Pflicht kapitalmarktorientierter Unternehmen, kursrelevante, bislang nicht öffentliche Informationen unverzüglich, vollständig und für alle Marktteilnehmenden gleichzeitig zu veröffentlichen. Ziel ist ein fairer und transparenter Handel mit Finanzinstrumenten, die Verhinderung von Insiderhandel sowie die Sicherung der Gleichbehandlung aller Anlegerinnen und Anleger.

Rechtlicher Rahmen und Grundprinzipien

Marktintegrität und Gleichbehandlung

Die Ad-hoc-Publizität dient der Marktintegrität. Informationen, die den Preis von Finanzinstrumenten erheblich beeinflussen können, sollen nicht selektiv einzelnen Personen zugutekommen. Die Veröffentlichung erfolgt so, dass alle den gleichen Informationsstand erhalten.

Adressatenkreis und betroffene Finanzinstrumente

Die Pflicht betrifft in der Regel Emittenten, deren Aktien, Schuldverschreibungen oder andere Finanzinstrumente an einem organisierten Markt oder auf multilateralen Handelsplätzen gehandelt werden. Die Pflicht kann auch Emittenten treffen, deren Finanzinstrumente in der Europäischen Union oder in mehreren Staaten parallel zum Handel zugelassen sind.

Inhalt und Reichweite der Veröffentlichungspflicht

Wann eine Information ad-hoc-pflichtig ist

Insiderrelevante Information

Ad-hoc-pflichtig sind präzise, nicht öffentliche Informationen, die sich unmittelbar oder mittelbar auf den Emittenten oder dessen Finanzinstrumente beziehen und bei deren Bekanntwerden ein erheblicher Einfluss auf den Preis wahrscheinlich ist. Präzise bedeutet, dass ein Ereignis eingetreten ist oder mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eintreten wird und seine möglichen Auswirkungen auf den Preis absehbar sind.

Wahrscheinlichkeit und Wesentlichkeit

Die Einschätzung der Kursrelevanz erfordert eine Prognose, ob ein verständiger Anleger die Information bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen würde. Dabei sind Eintrittswahrscheinlichkeit und potenzielles Gewicht der Auswirkungen insgesamt zu bewerten.

Beispiele typischer Sachverhalte

  • Unternehmensübernahmen, Zusammenschlüsse, Spaltungen oder wesentliche Beteiligungserwerbe/-veräußerungen
  • Erhebliche Änderungen der Ergebnis- oder Umsatzprognose (z. B. Gewinnwarnungen)
  • Wesentliche Vertragsabschlüsse oder -kündigungen mit strategischer Bedeutung
  • Finanzierungsereignisse wie Kapitalerhöhungen, Anleihenemissionen oder Covenants-Verstöße
  • Behördliche Entscheidungen, Genehmigungen oder Untersagungen mit erheblicher Auswirkung
  • Schwere Störungen, Compliance-Vorfälle, Cyberereignisse oder Rechtsrisiken mit spürbarer finanzieller Relevanz

Standard der Information: Richtigkeit, Vollständigkeit, Klarheit

Die Veröffentlichung muss sachlich, zutreffend und verständlich sein. Unklare, irreführende oder widersprüchliche Angaben sind zu vermeiden. Der Inhalt hat den Kern der Information zu erfassen; beigefügte Erläuterungen dürfen die Kernaussage nicht verwässern.

Zeitpunkt, Form und Verbreitungswege

Unverzüglichkeit und Gleichzeitigkeit

Die Veröffentlichung hat ohne schuldhaftes Zögern zu erfolgen, sobald die ad-hoc-pflichtige Information vorliegt. Eine gestaffelte oder selektive Information einzelner Personen ist unzulässig.

Verbreitungskanäle und Sprache

Die Information ist über geeignete, allgemein zugängliche und schnelle Verbreitungskanäle zu veröffentlichen. Üblich sind elektronische Meldesysteme und Medien, die den Kapitalmarkt zuverlässig erreichen. Bei Mehrfachzulassung im Ausland können Sprach- und Parallelveröffentlichungen erforderlich sein; maßgeblich ist eine gleichzeitige Verfügbarkeit für die maßgeblichen Märkte.

Archivierung und Nachweis

Ad-hoc-Mitteilungen sind über einen angemessenen Zeitraum auf der Internetseite des Emittenten vorzuhalten. Der Emittent muss den Zeitpunkt, den Inhalt und die Art der Verbreitung dokumentieren, um die ordnungsgemäße Veröffentlichung nachweisen zu können.

Aufschub der Veröffentlichung

Voraussetzungen des Aufschubs

Ein zeitweiliger Aufschub ist möglich, wenn eine unverzügliche Veröffentlichung berechtigte Interessen des Emittenten beeinträchtigen würde, die Verzögerung die Öffentlichkeit nicht irreführen kann und die Vertraulichkeit der Information durch geeignete Vorkehrungen gewährleistet ist. Diese Voraussetzungen sind fortlaufend zu prüfen.

Überwachung der Vertraulichkeit

Bei aufgeschobenen Informationen ist sicherzustellen, dass nur ein begrenzter Personenkreis Zugriff hat, der Zugang dokumentiert wird und geeignete technische sowie organisatorische Maßnahmen gegen unbefugte Weitergabe bestehen.

Ende des Aufschubs und Veröffentlichung

Der Aufschub endet, sobald die Voraussetzungen entfallen, die Information öffentlich wird oder Anzeichen bestehen, dass die Vertraulichkeit beeinträchtigt ist (etwa durch konkrete Marktgerüchte mit Bezug zur aufgeschobenen Information). Dann ist unverzüglich zu veröffentlichen.

Richtigstellungen, Gerüchte und laufende Verfahren

Falsche oder unvollständige frühere Mitteilungen sind zu berichtigen, sobald neue Erkenntnisse vorliegen, die den Gesamteindruck wesentlich verändern. Reine Marktgerüchte lösen grundsätzlich keine Pflicht aus; bestehen jedoch Anhaltspunkte, dass Gerüchte auf eine durchgesickerte, aufgeschobene Information zurückgehen, ist regelmäßig zu veröffentlichen. Bei laufenden Verhandlungen ist zu prüfen, ob und wann die Schwelle zur Ad-hoc-Pflicht überschritten ist.

Organisatorische Verantwortung im Unternehmen

Rollen und Prozesse

Unternehmen benötigen klare Zuständigkeiten für das Erkennen, Bewerten und Veröffentlichen ad-hoc-pflichtiger Informationen. Dazu zählen interne Meldewege, Eskalationsmechanismen, Freigabeprozesse und ein belastbares Aufzeichnungswesen.

Zusammenspiel mit anderen Publizitätspflichten

Ad-hoc-Publizität steht neben weiteren Kapitalmarktpflichten wie periodischer Finanzberichterstattung, Stimmrechtsmitteilungen, Eigengeschäften von Führungskräften oder Prospektanforderungen. Die Pflichten sind voneinander abzugrenzen; im Zweifel geht die sofortige Ad-hoc-Veröffentlichung der periodischen Berichterstattung vor.

Rechtsfolgen bei Verstößen

Aufsichtsrechtliche Maßnahmen

Verstöße können Maßnahmen der Aufsichtsbehörden nach sich ziehen, darunter Untersuchungen, Anordnungen und Sanktionen. Auch Börsen und Handelsplätze können eigene Maßnahmen ergreifen.

Haftungsrisiken

Bei unterlassener, verspäteter oder irreführender Veröffentlichung kommen zivilrechtliche Ansprüche in Betracht. Entscheidend sind Kausalität, Verschulden und der konkret entstandene Schaden.

Markt- und Reputationsfolgen

Neben rechtlichen Konsequenzen drohen Vertrauensverlust, erhöhte Volatilität und erschwerte Kapitalmarktzugänge.

Grenzüberschreitende Aspekte und Sonderfälle

Mehrfachzulassungen und Sprachregeln

Bei Notierung in mehreren Staaten sind die jeweils relevanten Märkte gleichzeitig zu informieren. Sprachvorgaben können variieren; maßgeblich ist die barrierearme Zugänglichkeit für die adressierten Anlegermärkte.

Unternehmensgruppen und Tochtergesellschaften

Entscheidungen und Ereignisse bei Tochtergesellschaften können ad-hoc-pflichtig sein, wenn sie dem Mutteremittenten zuzurechnen sind und kursrelevant werden. Konzerninterne Informationsflüsse und Vertraulichkeit sind entsprechend zu organisieren.

Häufig gestellte Fragen zur Ad-hoc-Publizität

Was bedeutet Ad-hoc-Publizität und wen trifft sie?

Ad-hoc-Publizität ist die Pflicht von Emittenten, kursrelevante, nicht öffentliche Informationen unverzüglich und für alle Marktteilnehmenden gleichzeitig zu veröffentlichen. Sie gilt für Unternehmen, deren Finanzinstrumente an organisierten Märkten oder multilateralen Handelsplätzen gehandelt werden.

Welche Informationen gelten als ad-hoc-pflichtig?

Ad-hoc-pflichtig sind präzise, nicht öffentliche Informationen mit voraussichtlich erheblichem Einfluss auf den Preis eines Finanzinstruments. Dazu zählen etwa bedeutende Transaktionen, wesentliche Prognoseänderungen, wichtige behördliche Entscheidungen oder gravierende Störungen mit finanzieller Relevanz.

Wie schnell muss veröffentlicht werden?

Die Veröffentlichung hat ohne schuldhaftes Zögern zu erfolgen, sobald die Information vorliegt und die Erheblichkeitsschwelle überschritten ist. Selektive Vorabinformationen sind zu vermeiden; alle sollen gleichzeitig informiert werden.

Unter welchen Bedingungen ist ein Aufschub der Veröffentlichung zulässig?

Ein Aufschub ist zulässig, wenn ein berechtigtes Interesse des Emittenten besteht, die Verzögerung die Öffentlichkeit nicht irreführt und die Vertraulichkeit der Information gewährleistet ist. Diese Voraussetzungen sind fortlaufend zu überwachen; entfällt eine davon, ist unverzüglich zu veröffentlichen.

Muss auf Marktgerüchte reagiert werden?

Gerüchte allein lösen grundsätzlich keine Veröffentlichungspflicht aus. Besteht jedoch der konkrete Bezug zu einer aufgeschobenen, vertraulichen Information oder ist die Vertraulichkeit gefährdet, kann eine umgehende Veröffentlichung erforderlich werden.

Wie unterscheidet sich Ad-hoc-Publizität von der regelmäßigen Finanzberichterstattung?

Die regelmäßige Berichterstattung folgt festen Zyklen (z. B. Quartals- und Jahresberichte). Ad-hoc-Publizität greift anlassbezogen und unverzüglich, sobald eine kursrelevante Information vorliegt, und ist nicht an fixe Termine gebunden.

Welche Rechtsfolgen drohen bei Verstößen?

Verstöße können aufsichtsrechtliche Maßnahmen und Sanktionen sowie zivilrechtliche Haftungsrisiken nach sich ziehen. Zudem sind negative Marktreaktionen und Reputationsschäden möglich.