Legal Lexikon

Abspenstigmachen

Begriff und Grundidee des Abspenstigmachens

Abspenstigmachen bezeichnet das gezielte Abwerben oder Weglocken von Personen oder Geschäftspartnern aus bestehenden Bindungen. Gemeint ist die Einflussnahme, durch die eine Person ihre bisherige Loyalität oder vertragliche Bindung zugunsten eines neuen Anbieters, Arbeitgebers oder Vertragspartners aufgibt. Der Begriff wird im heutigen Sprachgebrauch vor allem im wirtschaftlichen Kontext verwendet und überschneidet sich mit dem Ausdruck „Abwerbung“.

Nicht jede Abwerbung ist unzulässig. Rechtlich bedeutsam wird Abspenstigmachen vor allem dort, wo bestehende Verträge beeinträchtigt werden, unlautere Methoden eingesetzt werden oder schützenswerte Interessen verletzt werden.

Rechtliche Einordnung und Abgrenzung

Zulässiges Abwerben

In einer offenen Marktwirtschaft ist der Wettbewerb um Arbeitskräfte, Kunden und Lieferanten grundsätzlich erlaubt. Die sachliche Ansprache, das Unterbreiten von Angeboten und das werbliche Hervorheben eigener Leistungen sind im Regelfall zulässig, solange keine unlauteren Mittel eingesetzt werden und keine bestehenden Schutzrechte oder Geheimnisse verletzt werden.

Unlauterer Wettbewerb und gezielte Behinderung

Die Grenze zum unzulässigen Abspenstigmachen ist überschritten, wenn die Beeinflussung mit unfairen Mitteln erfolgt oder gezielt darauf angelegt ist, den bisherigen Vertragspartner zu behindern. Typische Anhaltspunkte für Unlauterkeit sind:

  • systematische Störung der Geschäftsabläufe des Mitbewerbers (z. B. massenhafte, belästigende Kontaktaufnahmen, die den Betrieb lahmlegen),
  • falsche Tatsachenbehauptungen, Herabsetzung oder Verunglimpfung des Mitbewerbers,
  • Ausnutzen oder Abgreifen von vertraulichen Informationen (z. B. interne Kundenlisten, Kalkulationen),
  • Aktivitäten, die gezielt einen Vertragsbruch provozieren oder fördern,
  • irreführende Auftritte, die Verwechslungen mit dem Mitbewerber begünstigen.

Beeinflussung bestehender Verträge

Wird eine Person während eines laufenden, wirksam vereinbarten Vertragsverhältnisses dazu veranlasst, ihre Vertragspflichten zu verletzen, kann dies zu zivilrechtlichen Ansprüchen gegen den Anstifter führen. Anders liegt es, wenn lediglich auf einen späteren Wechsel nach ordnungsgemäßer Beendigung des Vertrags hingewirkt wird und dabei faire Methoden genutzt werden.

Typische Konstellationen

Mitarbeiterabwerbung

Die Ansprache von Beschäftigten eines anderen Unternehmens ist grundsätzlich erlaubt. Grenzen ergeben sich bei unlauteren Methoden, bei Eingriffen in laufende Vertrags- und Treuepflichten sowie bei der Nutzung vertraulicher Informationen. Auch das Abwerben ganzer Teams kann zulässig sein; Unlauterkeit kommt in Betracht, wenn der bisherige Betrieb gezielt in seiner Funktionsfähigkeit beeinträchtigt wird oder besondere Geheimhaltungsinteressen betroffen sind.

Kunden- und Lieferantenwechsel

Kunden dürfen umworben werden. Unzulässig wird es insbesondere bei Irreführung, Verwechslungsgefahr, unzutreffenden Aussagen über den Mitbewerber oder der Verwendung fremder, vertraulicher Daten. Auch das Abfangen von Kunden unmittelbar vor Geschäftsräumen kann kritisch sein, wenn es auf unfaire Behinderung angelegt ist.

Teamabwerbung und Know-how-Transfer

Wechseln mehrere Schlüsselpersonen gleichzeitig, können Betriebsgeheimnisse und sensible Informationen betroffen sein. Das Risiko rechtlicher Auseinandersetzungen steigt, wenn während des Anbahnungsprozesses interne Unterlagen genutzt, Speicher kopiert oder Geheimhaltungsabreden umgangen werden.

Besondere Bereiche (öffentlicher Dienst, Heilberufe, Sport)

In bestimmten Bereichen bestehen Sonderregeln: Der öffentliche Dienst kennt besondere Dienstpflichten; Heilberufe unterliegen Berufskodizes und Werbebeschränkungen; im Profisport existieren Transfer- und Verbandsstatuten. Diese Rahmen können Abspenstigmachen zusätzlich begrenzen, ohne den Grundsatz des Leistungswettbewerbs aufzuheben.

Zivilrechtliche Folgen

Unterlassung und Beseitigung

Wer durch unlauteres Abspenstigmachen beeinträchtigt wird, kann auf Unterlassung zielen. Zusätzlich kommen Maßnahmen in Betracht, die eine Störung beseitigen, etwa die Rücknahme irreführender Aussagen.

Schadensersatz und Gewinnabschöpfung

Bei nachweisbarer Schädigung durch unfaire Methoden können Ersatzansprüche entstehen. In schwerwiegenden Fällen kann zudem verlangt werden, unrechtmäßig erzielte Vorteile ganz oder teilweise herauszugeben. Die Höhe hängt von konkreten Umständen wie entgangenem Gewinn, Kosten und Kausalität ab.

Vertragsklauseln: Wettbewerbsverbote, Kundenschutz, Verschwiegenheit

Absprachen zur Geheimhaltung, zum Kundenschutz oder zu nachvertraglichen Wettbewerbsverboten können die Spielräume beim Abspenstigmachen beeinflussen. Ihre Wirksamkeit hängt von Angemessenheit, zeitlichen Grenzen, sachlicher Reichweite und Ausgleichsregelungen ab. Unangemessene Beschränkungen sind unwirksam.

Beweisfragen

In Konflikten sind Dokumentation und Indizien bedeutsam: Inhalte von Ansprachen, Verwendungsnachweise vertraulicher Unterlagen, Kommunikationsverläufe, Auffälligkeiten im zeitlichen Ablauf oder standardisierte Werbemuster im Vergleich zu gezielten Eingriffen. Entscheidend ist das Gesamtbild.

Straf- und ordnungsrechtliche Bezüge

Geheimnisschutz, Bestechung, Nötigung

Abspenstigmachen als solches ist keine Straftat. Strafrechtliche Relevanz kann jedoch entstehen, wenn dabei Schutzgüter verletzt werden, etwa durch das Erlangen oder Offenbaren von Geschäftsgeheimnissen, durch Bestechlichkeit oder durch Druckmittel wie Drohung. Solche Fälle werden eigenständig bewertet.

Berufsrechtliche Sanktionen

Wo Berufspflichten besondere Werbe- und Verhaltensregeln vorsehen, können Verstöße berufsrechtliche Folgen haben. Das gilt insbesondere für hoheitliche Tätigkeiten sowie für Bereiche mit besonderen Vertrauensanforderungen.

Wettbewerbs- und kartellrechtliche Aspekte

Abreden, nicht abzuwerben (No-Poach)

Absprachen zwischen Unternehmen, auf die Anwerbung von Beschäftigten zu verzichten, können den Wettbewerb um Arbeitskräfte verfälschen. Solche Vereinbarungen unterliegen der Kontrolle des Kartellrechts und sind häufig unwirksam, wenn sie ohne sachlichen Grund den Arbeitsmarkt beschränken.

Irreführung, Herabsetzung, Verwechslungsgefahr

Werbemaßnahmen im Zuge des Abspenstigmachens dürfen nicht täuschen, Mitbewerber nicht herabsetzen und keine Verwechslungen mit fremden Kennzeichen herbeiführen. Andernfalls drohen Unterlassung und weitere Ansprüche.

Digitale und werberechtliche Aspekte

Online-Ansprache, Social-Media-Recruiting, Suchmaschinenwerbung auf Markenbegriffen oder der Einsatz von Vergleichsportalen sind verbreitete Formen des Abspenstigmachens. Zulässig sind sachliche, transparente Methoden. Unzulässig sind etwa die Nutzung geleakter Datenbestände, die Irreführung über Absenderidentität oder Täuschungen über Leistungsinhalte.

Historischer Hintergrund und Sprachgebrauch

Der Ausdruck „abspenstig machen“ ist älterer Sprachgebrauch für das Lösen von jemandes Treue. Früher wurde er auch außerhalb der Wirtschaft verwendet, etwa im privaten Bereich. Heute spielt der Begriff vor allem im Kontext von Wettbewerb, Arbeitswelt und Wechsel von Geschäftsbeziehungen eine Rolle und beschreibt zumeist die Grenze zwischen fairer Abwerbung und unlauteren Eingriffen.

Abgrenzung zu verwandten Begriffen

  • Abwerbung: neutraler Begriff für das Umwerben eines Wechsels.
  • Kundenfang: kann neutral oder – je nach Methode – abwertend gemeint sein.
  • Gezielte Behinderung: beschreibt die unfaire Beeinträchtigung eines Mitbewerbers.
  • Verleitung zum Vertragsbruch: Beeinflussung, die auf die Verletzung laufender Pflichten zielt.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was bedeutet Abspenstigmachen im rechtlichen Kontext?

Abspenstigmachen beschreibt das gezielte Einwirken, um Personen aus bestehenden Bindungen wie Arbeits-, Kunden- oder Lieferbeziehungen herauszulösen. Rechtlich relevant wird es, wenn dabei unfaire Methoden eingesetzt oder geschützte Interessen verletzt werden.

Ist Abspenstigmachen grundsätzlich erlaubt?

Der Wettbewerb um Kunden und Arbeitskräfte ist im Grundsatz zulässig. Unzulässig wird Abspenstigmachen, wenn es auf unfaire Behinderung, Irreführung, die Nutzung vertraulicher Informationen oder die Provokation von Vertragsverletzungen gerichtet ist.

Worin liegt der Unterschied zwischen zulässiger Abwerbung und unlauterem Vorgehen?

Zulässig ist die faire, sachliche Ansprache ohne Eingriffe in fremde Rechte. Unlauter ist ein Vorgehen, das den Mitbewerber gezielt behindert, falsche Tatsachen nutzt, Verwechslungen erzeugt, Geheimnisse ausnutzt oder laufende Verträge zu pflichtwidrigem Verhalten verleitet.

Welche Ansprüche kommen bei unzulässigem Abspenstigmachen in Betracht?

In Betracht kommen Unterlassung und Beseitigung, Schadensersatz sowie die Herausgabe unrechtmäßig erzielter Vorteile. Die Durchsetzung setzt eine ausreichende Tatsachengrundlage und Kausalität voraus.

Welche Rolle spielen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse?

Der Schutz vertraulicher Informationen ist zentral. Das Abspenstigmachen mithilfe solcher Informationen kann zu Unterlassungs-, Schadensersatz- und weiteren Ansprüchen führen. Entscheidend sind Vertraulichkeit, Zugriffswege und der konkrete Verwendungsnachweis.

Sind Vereinbarungen, keine Mitarbeiter abzuwerben, wirksam?

Zwischen Unternehmen geschlossene Abreden, auf Abwerbung zu verzichten, können den Wettbewerb um Arbeitskräfte beeinträchtigen und kartellrechtlich problematisch sein. Ihre Wirksamkeit hängt von Reichweite, Anlass und Erforderlichkeit ab; pauschale Verbote sind oft unwirksam.

Gibt es Besonderheiten in regulierten Bereichen?

Ja. Im öffentlichen Dienst, in Heilberufen oder im Profisport gelten zusätzliche Regeln, etwa Dienstpflichten, Berufskodizes oder Verbandsordnungen. Diese können die Grenzen des zulässigen Abspenstigmachens enger ziehen.