Begriffserklärung und Abgrenzung: Abschleppen
Das Abschleppen bezeichnet im rechtlichen Kontext das Fortbewegen eines betriebsunfähigen oder nach Vorschrift abgestellten Fahrzeugs mithilfe eines geeigneten Transportmittels, beispielsweise eines Abschleppwagens. Der Vorgang kann sowohl auf privatem als auch auf öffentlichem Grund erfolgen. Der Begriff umfasst verschiedene Ausprägungen, darunter das Abschleppen als Nothilfe, im Auftrag des Parkplatzinhabers oder durch Anordnung einer Behörde. Rechtlich ist das Abschleppen eine Maßnahme, die zahlreiche zivilrechtliche, strafrechtliche und ordnungsrechtliche Aspekte berührt.
Rechtsgrundlagen des Abschleppens
Abschleppen auf öffentlichen Straßen
Polizeirechtliche Maßnahmen
Das Abschleppen von Kraftfahrzeugen im öffentlichen Verkehrsraum erfolgt häufig auf Grundlage des Polizeirechts und der jeweiligen Landesgesetze. Die Polizei kann das Abschleppen anordnen, wenn das Fahrzeug den Straßenverkehr gefährdet, eine Verkehrsbehinderung verursacht oder gegen Verkehrsvorschriften verstößt („Gefahr im Verzug“). Die rechtliche Grundlage findet sich meist in den jeweiligen Polizeigesetzen, wie z.B. § 41 Polizeigesetz NRW.
Ordnungsbehördliche Verfahren
Auch Ordnungsbehörden sind befugt, das Abschleppen zu veranlassen, wenn Fahrzeuge z.B. im Halteverbot abgestellt sind oder Fußgängerwege blockieren. Rechtsgrundlage bietet in der Regel das jeweilige Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz in Verbindung mit der Straßenverkehrsordnung (StVO), speziell §§ 12, 13 StVO. Die Anordnung erfolgt als Verwaltungsakt.
Abschleppen auf Privatgrund
Selbsthilferecht des Besitzers
Parkt ein Fahrzeug unbefugt auf Privatgrundstücken (etwa einem Supermarktparkplatz), kann der Grundstücksbesitzer die Beseitigung veranlassen. Nach den Regelungen über den Schutz des Hausrechts (§ 903 BGB in Verbindung mit § 859 BGB) ist er berechtigt, den Störer zu entfernen lassen. Das Abschleppen gilt als Form der sogenannten Selbsthilfe.
Schadensersatzrechtliche Implikationen
Wird rechtswidrig auf einem privaten Grundstück geparkt und abgeschleppt, kann der Grundstückseigentümer die Abschleppkosten unter bestimmten Voraussetzungen vom Fahrzeughalter ersetzt verlangen. Die Haftung richtet sich nach §§ 823, 249 BGB. Voraussetzung ist neben dem Eigentum am Grundstück ein rechtswidriges Betreten (Besitzstörung).
Umfang des Abschlepprechts nach Verkehrssituation
Abschleppen liegengebliebener Fahrzeuge
Hierbei geht es um das Abschleppen eines infolge einer Panne fahruntüchtigen Fahrzeugs durch Dritte oder durch Abschleppunternehmen. Die StVO (§ 15a) beschränkt das Mitfahren einer weiteren Person während des Abschleppens und verpflichtet zu erhöhter Sorgfalt. Es besteht zudem Versicherungspflicht durch Kfz-Haftpflicht.
Abschleppen widerrechtlich geparkter Fahrzeuge
Voraussetzungen für Abschleppmaßnahmen
Das Abschleppen von Fahrzeugen, die beispielsweise im absoluten Halteverbot, auf Feuerwehrzufahrten oder Behindertenparkplätzen abgestellt sind, darf nur durchgeführt werden, wenn eine tatsächliche, konkrete Behinderung des Verkehrs oder eine unmittelbare Gefahr droht. Die Maßnahme muss verhältnismäßig sein und als „letztes Mittel“ („ultima ratio“) in Betracht kommen.
Verhältnismäßigkeit und Ermessen
Die Behörde, der Grundstückseigentümer oder ihr Beauftragter müssen prüfen, ob mildere Mittel (z.B. Benachrichtigung des Halters) möglich und zumutbar sind. Das Abschleppen ist nur dann rechtmäßig, wenn es keine Alternative gibt oder eine Gefährdungslage besteht.
Kostentragung und Abrechnung
Grundsatz der Kostenerstattung
Abschleppkosten trägt grundsätzlich der Störer, d. h. regelmäßig der Halter des Fahrzeugs nach § 25a StVG sowie gemäß BGB. Die Ersatzpflicht erstreckt sich auf sämtliche durch das Abschleppen entstandenen notwendigen Aufwendungen. Die Kosten dürfen jedoch den ortsüblichen Rahmen nicht überschreiten.
Streitfälle und gerichtliche Klärung
Häufig kommt es zu Rechtsstreitigkeiten um die Höhe der Abschleppkosten, Standgebühren oder Nebenkosten. Die Rechtsprechung betont den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Unberechtigte Abschlepp- oder Zusatzkosten können im Wege der zivilrechtlichen Klage zurückgefordert werden.
Rechtsschutz und Rechtsschutzmöglichkeiten
Vorgehen gegen Abschleppmaßnahmen
Betroffene können gegen eine behördliche Abschleppanordnung Widerspruch oder Anfechtungsklage nach Verwaltungsrechtsweg erheben. Auf privater Ebene besteht gegebenenfalls ein Anspruch auf Schadensersatz, wenn das Fahrzeug zu Unrecht abgeschleppt wurde.
Ansprüche auf Herausgabe
Bei unrechtmäßigem Abschleppen besteht ein Anspruch auf Herausgabe des Fahrzeugs nach §§ 985, 861 BGB. Ein Zurückbehaltungsrecht wegen offener Rechnungen ist unter engen Voraussetzungen zulässig.
Strafrechtliche Aspekte beim Abschleppen
Unbefugtes Entfernen und Diebstahl
Wird ein Fahrzeug ohne Berechtigung abgeschleppt und einbehalten, kann dies unter Umständen als Wegnahme (§ 242 StGB) oder Unterschlagung (§ 246 StGB) gewertet werden. Eine Strafbarkeit setzt die Überschreitung der rechtlichen Befugnis voraus.
Abrechnungsbetrug und Gebührenüberhöhung
Das Abrechnen überhöhter Abschleppkosten kann strafbar als Betrug (§ 263 StGB) sein. Die Rechtsprechung prüft jeweils, ob objektiv und subjektiv eine Täuschung und Vermögensschädigung vorliegt.
Abschleppen im internationalen Kontext
Die rechtlichen Regelungen zum Abschleppen unterscheiden sich innerhalb Europas und weltweit. In den meisten europäischen Staaten existieren vergleichbare polizeiliche und privatrechtliche Regelungen. Besonders bei grenzüberschreitenden Sachverhalten ist zu beachten, welches Landesrecht Anwendung findet, etwa bei der Rückholung des Fahrzeugs nach Abschleppvorgängen im Ausland.
Fazit
Das Abschleppen von Fahrzeugen ist ein komplex geregelter Sachverhalt, der zahlreiche Schnittstellen zwischen Polizei- und Ordnungsrecht, Privatrecht sowie Strafrecht beinhaltet. Maßgeblich sind Fragen der Rechtmäßigkeit, der Kostentragung und der Verhältnismäßigkeit. Sowohl auf öffentlichem wie privatem Grund ist das Abschleppen stets am Einzelfall zu messen und bedarf rechtlicher Prüfung, um unzulässige Maßnahmen zu vermeiden. Rechtsschutzmöglichkeiten stehen Betroffenen zur Verfügung, um gegen unrechtmäßige Abschleppvorgänge vorzugehen oder daraus resultierende Ansprüche durchzusetzen.
Häufig gestellte Fragen
Wann ist das Abschleppen eines Fahrzeugs rechtlich zulässig?
Das Abschleppen eines Fahrzeugs ist aus rechtlicher Sicht nur dann zulässig, wenn hierfür ein triftiger Grund gemäß den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung (StVO) vorliegt. Zu den anerkannten rechtlichen Gründen gehören insbesondere das Abschleppen nach einer Panne, einem Unfall oder bei einem verkehrswidrig abgestellten Fahrzeug. Behörden oder von ihnen beauftragte Firmen dürfen Fahrzeuge abschleppen lassen, wenn sie die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährden, beispielsweise bei Behinderung von Rettungswegen, auf Gehwegen oder in Feuerwehrzufahrten. Privatpersonen bzw. Grundstückseigentümer dürfen fremde Fahrzeuge auf ihrem Privatgrundstück nur nach erfolgter Androhung und unter Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes abschleppen lassen. Eine Selbsthilfe ohne Einschaltung der Polizei oder eines Abschleppdienstes ist meist unzulässig und kann rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Zudem ist das Abschleppen auf öffentlichen Straßen lediglich erlaubt, wenn das abgeschleppte Fahrzeug den Verkehrsfluss stört und sonst keine alternative Lösung möglich ist. Das Fahrzeug darf auf öffentlichen Straßen grundsätzlich auch nur zur nächsten geeigneten Stelle abgeschleppt werden, etwa zur nächstgelegenen Werkstatt oder dem nächsten Parkplatz – nicht zu einem weit entfernten Ziel.
Wer trägt die Kosten für das Abschleppen?
Grundsätzlich trägt der Halter beziehungsweise der Fahrer des abgeschleppten Fahrzeugs die Kosten des Abschleppvorgangs, sofern das Abschleppen aus einer ordnungswidrigen Handlung resultiert, beispielsweise beim Parken in zweiter Reihe, auf Gehwegen, in Fußgängerzonen oder auf Privatparkplätzen ohne Genehmigung. Die Höhe der Kosten richtet sich nach den ortsüblichen Tarifen, wobei staatliche Abschleppmaßnahmen oftmals festgelegten Gebührenordnungen unterliegen. Wird das Abschleppen durch private Rechteinhaber wie Grundstücksbesitzer veranlasst, dürfen diese maximal die tatsächlich angefallenen Kosten in Rechnung stellen, ein überhöhter Kostenersatz kann vor Gericht beanstandet werden. Im Falle eines unverschuldeten Unfalls werden die Abschleppkosten in aller Regel von der Kfz-Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers erstattet. Kommt es jedoch zum Missbrauch des Abschlepprechts, etwa wenn das Fahrzeug unberechtigterweise oder mutwillig entfernt wird, muss der Veranlasser gegebenenfalls für etwaige Schäden haften und erhält keine Kostenerstattung.
Welche rechtlichen Vorgaben gelten beim Abschleppen auf öffentlichen Straßen?
Beim Abschleppen auf öffentlichen Verkehrsflächen müssen sämtliche einschlägigen Vorschriften der Straßenverkehrsordnung (StVO) beachtet werden. Beispielsweise ist das Abschleppen nur zur nächsten geeigneten Ausweichstelle oder Werkstatt erlaubt, ein Transport über längere Strecken oder zu privaten Adressen ist untersagt. Das Abschleppfahrzeug muss geeignet und zugelassen sein, und es darf keine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer entstehen. Während des Abschleppvorgangs ist das Abschleppseil oder die Abschleppstange ordnungsgemäß und gut sichtbar anzubringen; zudem müssen alle Lichter, vor allem die Warnblinkanlage, eingeschaltet werden. Die Geschwindigkeit während des Abschleppens ist auf maximal 50 km/h begrenzt. Das Abschleppen von Zwei- auf Vierradfahrzeuge oder umgekehrt sowie von Fahrzeugen mit Automatikgetriebe oder blockierten Rädern ist gesondert zu prüfen, da hier oft zusätzliche technische und rechtliche Einschränkungen bestehen.
Welche Voraussetzungen müssen Abschleppunternehmen rechtlich erfüllen?
Abschleppunternehmen unterliegen sowohl den gewerberechtlichen als auch den straßenverkehrsrechtlichen Bestimmungen. Für ihre Tätigkeit wird eine entsprechende Gewerbeanmeldung benötigt, und die Fahrzeuge müssen für den Abschleppbetrieb zugelassen und entsprechend ausgerüstet sein. In einigen Fällen – insbesondere bei Abschleppleistungen im Auftrag öffentlicher Stellen – ist der Nachweis einer besonderen Zuverlässigkeit und Fachkunde erforderlich. Ferner gelten Haftungsvorschriften: Die Firmen haften für Schäden, die beim Abschleppen am Fahrzeug oder Dritten entstehen, sofern sie diese zu vertreten haben. Im Rahmen der ordnungsgemäßen Geschäftsbesorgung sind sie verpflichtet, das abgeschleppte Fahrzeug an einem sicheren und erlaubten Ort abzustellen und es gegen unbefugten Zugriff zu sichern.
Was sind die rechtlichen Folgen eines unrechtmäßigen Abschleppens?
Das unrechtmäßige Abschleppen eines Fahrzeugs kann verschiedene rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Wird ein Fahrzeug ohne triftigen Grund oder entgegen bestehender Gesetze abgeschleppt, kann sich der Abschleppende gegenüber dem Fahrzeugeigentümer oder -halter sowohl zivilrechtlich als auch strafrechtlich schadensersatzpflichtig machen. Denkbar sind Ansprüche auf Rückgabe des Fahrzeugs, Ersatz von Schäden sowie eventuell sogar Schmerzensgeld, falls zusätzliche Belastungen oder Folgeschäden entstanden sind. Unter bestimmten Umständen kommen auch Tatbestände wie Sachbeschädigung, Nötigung oder Diebstahl in Betracht. Darüber hinaus kann eigenmächtiges Abschleppen auf Privatgrund, ohne die Behörde einzuschalten oder ohne vorherige ausdrückliche Warnung, eine unerlaubte Selbsthilfe darstellen und zu zivilrechtlichen Unterlassungs- sowie Schadensersatzansprüchen führen.
Wie muss der Fahrzeughalter über das Abschleppen informiert werden?
Rechtlich ist vorgesehen, dass der Fahrzeughalter so schnell wie möglich über das Abschleppen seines Fahrzeugs informiert wird. Die Polizei oder das zuständige Ordnungsamt sind verpflichtet, sowohl den Standort des Fahrzeugs als auch die Kontaktdaten des Abschleppunternehmens zu dokumentieren und dem Halter auf Nachfrage bekannt zu geben. Im Falle privaten Abschleppens müssen die Kontaktdaten ebenfalls hinterlegt oder am Abstellort des Fahrzeugs sichtbar angebracht werden, damit der Halter schnellstmöglich sein Fahrzeug abholen beziehungsweise die Kosten begleichen kann. In der Regel reicht hierzu eine schriftliche Mitteilung oder ein Aushang, aus dem hervorgeht, wo das Fahrzeug untergebracht wurde und wie der Kontakt zum Abschleppdienst erfolgen kann.
Welche Besonderheiten gelten beim Abschleppen auf Privatgelände?
Das Abschleppen auf Privatgelände ist unter besonderen rechtlichen Voraussetzungen zulässig. Hintergrund ist das sogenannte Selbsthilferecht des Eigentümers aus § 859 BGB, wonach dieser Fahrzeuge, die sein Recht am Grundstück verletzen, entfernen lassen darf. Allerdings muss zuvor eine sogenannte „Androhungslast“ erfüllt werden: Das Abschleppen muss angedroht und dem unberechtigten Nutzer eine angemessene Reaktionszeit eingeräumt werden, außer in Fällen akuter Behinderung oder Gefahr. Zudem gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit; das Abschleppen darf nicht unverhältnismäßig hart oder teuer erfolgen. Die entstandenen Kosten müssen transparent und nachweisbar sein und orientieren sich regelmäßig an marktüblichen Sätzen. Dem betroffenen Fahrzeughalter stehen Informationsrechte zu, um sein Fahrzeug wiederzuerlangen.