Legal Lexikon

Abnahme


Begriff und Bedeutung der Abnahme

Die Abnahme ist ein zentraler Begriff des deutschen Zivilrechts und spielt insbesondere im Werkvertragsrecht (§§ 631 ff. BGB), aber auch in anderen Rechtsgebieten wie dem Bau-, Kauf- und Dienstvertragsrecht eine bedeutsame Rolle. Die Abnahme beschreibt regelmäßig die körperliche Entgegennahme oder die konkludente Billigung einer vertragsgemäß hergestellten Leistung durch den Besteller oder Auftraggeber. Sie markiert den Übergang vom Herstellungs- zum Erfüllungsstadium und hat weitreichende rechtliche Konsequenzen, unter anderem bezüglich Gefahrtragung, Vergütung und Mängelrechte.


Rechtsgrundlagen und Definition im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)

Werkvertragsrecht (§ 640 BGB)

Nach § 640 BGB ist der Besteller verpflichtet, das vertragsgemäß hergestellte Werk abzunehmen, soweit nicht nach der Beschaffenheit des Werkes die Abnahme ausgeschlossen ist. Die Vorschrift legt fest, wie die Abnahme zu erfolgen hat und welche Rechte und Pflichten sich daraus sowohl für den Unternehmer als auch für den Besteller ergeben. Neben expliziten Regelungen zur Werkabnahme bestehen auch für andere Vertragsarten spezielle Vorschriften zur Abnahme oder vergleichbaren Aktionen.

Abnahmearten

  • Ausdrückliche Abnahme: Erfolgt regelmäßig durch eindeutige Erklärung (schriftlich, mündlich) des Bestellers, das Werk als vertragsgemäß zu akzeptieren.
  • Konkludente Abnahme: Hierbei lässt das Verhalten des Bestellers erkennen, dass er das Werk als im Wesentlichen vertragsgemäß anerkennt, beispielsweise durch Inbenutzungsnahme.
  • Fiktive Abnahme: Nach § 640 Abs. 2 BGB gilt ein Werk auch ohne ausdrückliche Erklärung als abgenommen, wenn der Unternehmer dem Besteller nach Fertigstellung eine angemessene Frist zur Abnahme gesetzt hat und der Besteller die Abnahme innerhalb dieser Frist nicht unter Angabe von mindestens eines Mangels verweigert.

Voraussetzungen der Abnahme

Fertigstellung des Werkes

Voraussetzung einer Abnahme ist stets, dass das Werk im Wesentlichen vertragsgemäß fertiggestellt wurde. Geringfügige, unwesentliche Mängel hindern die Abnahme in der Regel nicht.

Erklärung oder Verhalten des Bestellers

Die Abnahme erfolgt entweder durch eine Erklärung (Willenserklärung) oder ein Abnahmeersuchen sowie durch schlüssiges Verhalten. Der Besteller muss dabei zu erkennen geben, dass er das Werk als im Wesentlichen vertragsgerecht erhalten will. Liegt keinerlei Zustimmung oder entsprechendes Verhalten vor, ist unter Umständen eine fiktive Abnahme nach Maßgabe des § 640 Abs. 2 BGB möglich.

Abnahmepflicht und Verweigerung

Der Besteller ist verpflichtet, das Werk abzunehmen. Eine Abnahmeverweigerung ist lediglich bei wesentlichen Mängeln zulässig. Die Verweigerung muss begründet werden; wird die Abnahme grundlos verweigert, kann der Unternehmer unter Umständen auf Abnahme klagen.


Rechtsfolgen der Abnahme

Gefahrübergang

Mit der Abnahme geht gemäß § 644 BGB die Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung auf den Besteller über, soweit nicht eine andere Regelung vereinbart wurde.

Fälligkeit der Vergütung

Nach erfolgter Abnahme wird die Werklohnforderung fällig (§ 641 BGB). Der Unternehmer erhält erst nach Abnahme des Werkes den Anspruch auf Bezahlung.

Beginn der Verjährungsfrist

Erst mit erfolgter Abnahme beginnt die Verjährungsfrist für Mängelrechte des Bestellers nach § 634a BGB zu laufen.

Umkehr der Beweislast

Mit der Abnahme kehrt sich die Beweislast um: Bis zur Abnahme trägt grundsätzlich der Unternehmer die Beweislast dafür, dass kein Mangel vorliegt; ab diesem Zeitpunkt muss der Besteller etwaige Mängel nachweisen.

Übergang des Erfüllungsstadiums

Nach Abnahme ist der Vertrag in das Stadium der Gewährleistung/Mängelhaftung übergegangen. Rechte wie Nacherfüllung, Minderung und Rücktritt stehen dem Besteller ab dann zu, falls Mängel festgestellt werden.


Besondere Erscheinungsformen der Abnahme

Teilabnahme

In größeren Projekten oder Bauvorhaben können gemäß vertraglicher Regelungen Teilabnahmen vereinbart werden. Jeder eigenständige, funktionsfähige Werkabschnitt kann dabei abgenommen werden. Dies hat insoweit alle rechtlichen Konsequenzen wie die Schlussabnahme.

Abnahme im Baurecht

Im Bauvertragsrecht (insbesondere nach VOB/B) gelten besondere Anforderungen. Die Abnahme ist häufig durch förmliche Begehungen und Protokollierung geprägt. Auch im öffentlichen Baurecht kommt der Abnahme als Verwaltungsakt eine wesentliche Bedeutung zu.

Öffentliche und konkludente Abnahme

In einigen Rechtsbereichen, etwa bei öffentlichen Aufträgen, ist eine Abnahme nicht zwingend, sondern wird durch Ingebrauchnahme, förmliche Bestätigung oder schlichtes Ersetzen des alten Werkskauses durch das neue Werk angenommen.


Folgen einer unterlassenen oder verweigerten Abnahme

Verweigert der Besteller die Abnahme ohne das Vorliegen wesentlicher Mängel, kann der Unternehmer gemäß § 641 Absatz 2 BGB eine angemessene Frist zur Abnahme setzen. Verstreicht diese Frist, ohne dass eine Abnahme erfolgt oder wesentliche Mängel geltend gemacht werden, gilt das Werk als abgenommen (fiktive Abnahme).


Abnahme im Kauf- und Dienstvertragsrecht

Kaufrecht

Im Kaufrecht ist die Abnahme kein gesetzlich definierter Begriff. Allerdings gibt es Überschneidungen (z. B. bei der Annahme der Kaufsache oder im Rahmen von Lieferverträgen), deren Erfüllung rechtlich ähnlich behandelt wird.

Dienstvertragsrecht

Beim Dienstvertrag steht die Erbringung der vereinbarten Tätigkeit im Vordergrund. Eine Abnahme vergleichbar dem Werkvertragsrecht ist nicht vorgesehen, da kein bestimmter Erfolg geschuldet ist.


Abgrenzung zu ähnlichen Rechtsbegriffen

Annahme

Im Gegensatz zur Abnahme beschreibt die Annahme einen Vorgang im Schuldrecht, der regelmäßig auf die Entgegennahme einer Leistung oder eines Angebots gerichtet ist. Die Annahme ist insbesondere für das Zustandekommen von Verträgen maßgebend. Die Abnahme bezieht sich demgegenüber auf die Billigung einer erbrachten Werkleistung oder Lieferung hinsichtlich ihrer Vertragsgemäßheit.

Übergabe

Die Übergabe ist ein tatsächlicher Realakt, etwa zum Eigentumserwerb nach § 929 BGB, und unterscheidet sich im Zweck grundlegend von der Abnahme.


Literatur und weiterführende Informationen

  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), insbesondere §§ 631-650, § 640 BGB
  • Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/B)
  • BGH-Rechtsprechung zur Abnahme
  • Kommentarwerke zum Bürgerlichen Gesetzbuch

Die Abnahme ist ein Schlüsselbegriff des deutschen Zivilrechts, dessen praktische Bedeutung weit über das Werkvertragsrecht hinausgeht. Ihre rechtlichen Voraussetzungen, Formen und Folgen sind vielfältig ausgestaltet und sollten in jedem Werk- oder Bauvertrag umfassend berücksichtigt werden.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Folgen hat die Abnahme eines Werkes?

Die Abnahme eines Werkes hat im Werkvertragsrecht zentrale rechtliche Folgen. Mit der Abnahme erkennt der Besteller das Werk grundsätzlich als vertragsgemäß an, es sei denn, er macht Mängel ausdrücklich geltend. Ab diesem Zeitpunkt beginnt die Verjährungsfrist für Mängelansprüche (§ 634a BGB) zu laufen. Darüber hinaus trägt der Besteller ab der Abnahme die Gefahr etwaiger Beschädigungen oder des Untergangs des Werkes. Auch der Vergütungsanspruch des Unternehmers wird mit der Abnahme fällig (§ 641 BGB). Die Beweislast für das Vorliegen von Mängeln kehrt sich mit der Abnahme um: Der Besteller muss nun beweisen, dass ein Mangel vorliegt, während vor der Abnahme der Unternehmer die Mangelfreiheit darlegen muss. Zudem ist die Abnahme Voraussetzung für bestimmte Gewährleistungsrechte sowie für eine Abrechnung nach § 650g BGB im Bauvertrag.

Kann der Besteller die Abnahme wegen unwesentlicher Mängel verweigern?

Der Besteller kann die Abnahme nach § 640 Absatz 1 Satz 2 BGB nicht verweigern, wenn nur unwesentliche Mängel vorliegen. Die Frage, wann ein Mangel unwesentlich ist, richtet sich nach der Erheblichkeit des Mangels im Hinblick auf die Funktionstauglichkeit und den vertraglich vereinbarten Gebrauch des Werkes. Unwesentlich sind Mängel, die den Gebrauch des Werks durch den Besteller nicht oder nur in sehr geringem Maße beeinträchtigen. In der Praxis kommt es hier häufig zu Streitigkeiten, sodass im Zweifelsfall ein Sachverständigengutachten benötigt wird. Dennoch steht dem Besteller im Fall unwesentlicher Mängel das Recht zu, die Beseitigung dieser Mängel zu verlangen; die förmliche Abnahme muss er jedoch hinnehmen.

Welche Formvorschriften gelten für die Abnahme?

Grundsätzlich sieht das Gesetz keine zwingende bestimmte Form für die Abnahme vor; sie kann ausdrücklich, formlos oder konkludent erfolgen. Allerdings ist die schriftliche Abnahme in vielen Vertragsarten, insbesondere im Bauvertragsrecht, aus Beweisgründen üblich und in der VOB/B (§ 12) sowie teils auch nach § 650g BGB bei Streit über die Abnahmereife vorgesehen. Förmliche Abnahmen werden häufig durch ein gemeinsames Abnahmeprotokoll dokumentiert, in dem etwaige Mängel und Vorbehalte festgehalten werden. Auch eine schlüssige (konkludente) Abnahme ist möglich, etwa durch Ingebrauchnahme oder stillschweigende Billigung des Werkes. Eine fingierte Abnahme kann greifen, wenn der Unternehmer dem Besteller eine angemessene Frist zur Abnahme setzt und dieser die Abnahme ohne Benennung von Mängeln unbegründet verweigert (§ 640 Abs. 2 BGB).

Welche Bedeutung hat ein Abnahmeprotokoll im Streitfall?

Ein Abnahmeprotokoll hat im Rechtsstreit hohe Indizwirkung und ist ein bedeutendes Beweismittel. Es enthält in der Regel die Feststellungen zum Zustand des Werkes zum Zeitpunkt der Abnahme, dokumentiert etwaige Vorbehalte oder festgestellte Mängel und klärt, ob der Besteller die Abnahme erklärt hat. Vorbehalte wegen Mängeln oder Vertragsstrafen sind im Protokoll explizit aufzunehmen, da sie nur dann nach der Abnahme noch geltend gemacht werden können (§ 640 Abs. 3 BGB). Im Prozess dient das Protokoll dem Richter als Grundlage zur Klärung, ob und in welchem Umfang die Abnahme erfolgt ist und ob Mängel oder Einwendungen seitens des Bestellers bestehen bleiben. Das Protokoll entbindet jedoch nicht von der weitergehenden Darlegungslast hinsichtlich etwaiger später geltend gemachter Mängel.

Was sind die rechtlichen Voraussetzungen einer wirksamen Abnahme?

Für eine wirksame Abnahme ist erforderlich, dass das Werk im Wesentlichen vertragsgemäß hergestellt wurde, also abnahmefähig ist. Der Besteller muss die Abnahme klar und eindeutig erklären, sei es ausdrücklich, schriftlich oder durch konkludentes Verhalten. Die Abnahme kann auch durch Tatsachen erfolgen, aus denen sich ein Einverständnis mit dem Werk ergibt, wie etwa die vorbehaltlose Ingebrauchnahme oder die Zahlung der Schlussrechnung. Unbegründete Abnahmeverweigerungen führen nicht zur Verhinderung der Abnahme; hier kann der Unternehmer unter Fristsetzung auf die Abnahme bestehen und bei fruchtlosem Fristablauf eine sogenannte „fingierte Abnahme“ herbeiführen (§ 640 BGB). Wesentliche Mängel berechtigen den Besteller zur Abnahmeverweigerung, unwesentliche jedoch nicht. Unerlässlich ist, dass bei der Abnahme erkennbare Mängel oder Vorbehalte ausdrücklich geltend gemacht werden, da andernfalls ein Verzicht auf die entsprechenden Rechte angenommen werden kann.

Wann kann die Abnahme durch schlüssiges Verhalten erfolgen?

Eine schlüssige (konkludente) Abnahme liegt vor, wenn der Besteller durch sein Verhalten eindeutig zum Ausdruck bringt, das Werk als im Wesentlichen vertragsgemäß anzunehmen. Typische Beispiele sind die Ingebrauchnahme des Werkes – etwa die Nutzung einer sanierten Wohnung, die Weiterveräußerung eines Gegenstands oder die Bezahlung der Schlussrechnung ohne Vorbehalt. Auch die Verwertung von Arbeitsergebnissen kann als schlüssige Abnahme gewertet werden. Bleibt der Besteller nach beendeter Werkleistung untätig, ist aber eine ausdrückliche Aufforderung zur Abnahme durch den Unternehmer vorausgegangen, kann dies nach Ablauf einer angemessenen Frist als konkludente beziehungsweise fingierte Abnahme ausgelegt werden. Entscheidend ist, dass für den Unternehmer aus dem Verhalten des Bestellers zweifelsfrei die Billigung des Werks als vertragsgerecht erkennbar wird.

Welche Rechte hat der Besteller nach der Abnahme bei Vorliegen von Mängeln?

Nach der Abnahme eines Werkes stehen dem Besteller bei Vorliegen von Mängeln die gesetzlichen Gewährleistungsrechte nach §§ 634 ff. BGB zu. Dies sind im Einzelnen: das Recht auf Nacherfüllung, das Recht auf Minderung des Werklohns, das Recht zum Rücktritt (bzw. bei Bauwerken auf die Kündigung) vom Vertrag sowie ein Anspruch auf Schadensersatz oder Ersatz vergeblicher Aufwendungen. Es ist wichtig zu beachten, dass die Geltendmachung dieser Rechte nach der Abnahme – insbesondere bei bereits erkannten Mängeln – an die Einhaltung von Vorbehalten gebunden sein kann (insbesondere bei Vertragsstrafe oder erkannten Mängeln). Mit der Abnahme kehrt sich die Beweislast um, sodass der Besteller für das Vorliegen und die Ursächlichkeit der gerügten Mängel verantwortlich ist. Die Rechte verjähren nach § 634a BGB je nach Werkart regelmäßig innerhalb von zwei oder fünf Jahren ab Abnahme.