Anforderungen an Preiswerbung im Handel und ihre rechtliche Einordnung
Die anhaltend strikten Vorgaben zur Preiswerbung im Einzelhandel verlangen von Unternehmen größte Sorgfalt bei der Ankündigung von Preisreduzierungen. Gleichzeitig hat die Rechtsprechung, jüngst unterstrichen durch eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 9. Oktober 2025 (Az. I ZR 183/24), die gesetzlichen Vorgaben zum Schutz der Verbraucherrechte nachvollziehbar verschärft. Eine transparente Preisgestaltung ist danach nicht nur wettbewerbsrechtlich geboten, sondern auch verbraucherschutzrechtlich zwingend erforderlich.
Gesetzliche Grundlagen für Preisangaben bei Preisnachlässen
Umsetzung der Preisangabenverordnung (PAngV) und der Richtlinie (EU) 2019/2161
Seit Mai 2022 regelt § 11 PAngV die Informationspflichten bei Bekanntgabe von Preisermäßigungen für Waren gegenüber Verbrauchern. Kern der Vorschrift ist, dass bei einer Preisreduzierung neben dem neuen (reduzierten) Preis zwingend der niedrigste Gesamtpreis anzugeben ist, der für das betreffende Produkt innerhalb der vorangegangenen 30 Tage vor der Aktion verlangt wurde. Diese Regelung ist das Resultat der europäischen „Omnibus-Richtlinie”, welche das Ziel verfolgt, Verbraucher:innen vor irreführenden Rabattaktionen zu schützen und unlauteren Wettbewerb einzudämmen.
Vor diesem Hintergrund bedeutet jede Preisherabsetzung, der eine Preiswerbung gegenüber Verbrauchern folgt, ein hohes Maß an Transparenz. Die Pflicht zur Angabe des niedrigsten Gesamtpreises besteht unabhängig von der Höhe der Reduktion oder der Dauer der Preismaßnahme. Eine Ausnahme gilt grundsätzlich nur für frische, schnell verderbliche Ware.
Konsequenzen einer fehlerhaften oder unvollständigen Preiswerbung
Wer gegen diese Vorgaben verstößt, riskiert nicht allein Abmahnungen von Wettbewerbern und Verbraucherverbänden, sondern unterliegt zudem den Sanktionen nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Darüber hinaus können fehlerhafte Preisangaben auch bußgeldbewährt sein. In der Konsequenz setzt die Praxis für jede Preiswerbung eine sorgfältige Dokumentation und laufende Kontrolle aller Preisänderungen voraus.
Die aktuelle BGH-Entscheidung: Klarheit und Eindeutigkeit als Maßstab
Sachverhalt und rechtliche Einordnung
Im zugrunde liegenden Fall hatte ein Unternehmen für ein Produkt mit einem „reduzierten Preis” geworben, ohne den nach § 11 PAngV vorgeschriebenen Referenzpreis der letzten 30 Tage zu nennen. Der Bundesgerichtshof betonte in seiner Entscheidung, dass eine Preiswerbung nur dann den gesetzlichen Anforderungen genügt, wenn sie eindeutig, klar und für Verbraucher:innen in jeder Hinsicht nachvollziehbar ist. Das Gericht stellte klar, dass die bloße Angabe eines vorherigen, möglicherweise unverbindlich empfohlenen Preises nicht genügt, um den gesetzlichen Transparenzanforderungen gerecht zu werden.
Demnach muss sichergestellt sein, dass für jedes rabattierte Produkt nachweisbar der niedrigste Preis aus dem zurückliegenden 30-Tages-Zeitraum benannt wird. Dies gilt sowohl für Online-Shops als auch für den stationären Handel. Unternehmen können sich nicht auf ein abweichendes Verständnis der Kundschaft oder auf etwaige Branchenusancen berufen, um von diesen Pflichten abzuweichen.
Auswirkungen auf Geschäftsmodelle und interne Abläufe
Die Entscheidung des BGH hat spürbare Konsequenzen für alle Marktteilnehmer – unabhängig von Unternehmensgröße oder Vertriebsweg. Das Zusammenspiel von Preisstrategien, Werbemaßnahmen und IT-gestützter Preisverwaltung gewinnt erheblich an Komplexität. Die Nachvollziehbarkeit und jederzeitige Abrufbarkeit sämtlicher Preisveränderungen ist aus regulatorischer Sicht unumgänglich. Unternehmen sind gut beraten, ihre Prozesse, insbesondere im Bereich Marketing und Vertrieb, regelmäßig zu überprüfen und an die aktuelle Rechtslage anzupassen, um haftungsträchtige Fehler zu vermeiden.
Marktpraktische Aspekte und besondere Herausforderungen
Umgang mit dynamischen Preisanpassungen
In zunehmend dynamischen Märkten, etwa im Online-Handel mit automatisierten Preisanpassungen (Dynamic Pricing), wird die lückenlose Dokumentation der jeweiligen Verkaufspreise zum zentralen Compliance-Risiko. Bereits kurzfristige Sonderaktionen oder Tagesangebote können zu einer Vielzahl an Preisänderungen innerhalb kurzer Zeit führen. Die Pflicht zur Ausweisung des niedrigsten 30-Tage-Gesamtpreises gilt jedoch uneingeschränkt und unabhängig von der Frequenz der Preisänderungen.
Für international agierende Anbieter ergeben sich gegebenenfalls zusätzliche Herausforderungen bei der Synchronisierung unterschiedlicher nationaler Regelungen, die je nach Heimatmarkt voneinander abweichen oder zusätzliche Transparenzanforderungen vorsehen können.
Herausforderungen bei der Produktbündelung und Sortimentsgestaltung
Gerade im Hinblick auf Produktsets, Bundles oder variabel konfigurierbare Waren stellt sich die Frage, wie der maßgebliche Referenzpreis zutreffend ausgewiesen werden muss. Auch für diese Konstellationen verlangt die Rechtsprechung eine transparente und trennscharfe Ausweisung des jeweiligen Niedrigstpreises, bezogen auf die konkrete Produktzusammenstellung.
Fazit: Rechtssichere Preiswerbung als fortlaufende Aufgabe
Die jüngste Rechtsprechung unterstreicht die hohe Relevanz klarer und nachvollziehbarer Preisangaben nicht nur zur Stärkung des Verbraucherschutzes, sondern auch zur Sicherung eines fairen und transparenten Wettbewerbs. Eine präzise Umsetzung der europäischen Vorgaben in nationales Recht und deren konsequente Anwendung im Unternehmensalltag stellen Unternehmen vor fortwährende Herausforderungen.
Bei Fragen zur rechtskonformen Gestaltung von Preiswerbung oder Unsicherheiten hinsichtlich der aktuellen Auslegung der Preisangabenverordnung stehen die Rechtsanwälte von MTR Legal Rechtsanwälte mit ihrer langjährigen Erfahrung und Branchenkenntnis gerne zur Verfügung.