OLG Frankfurt am Main setzt neue Maßstäbe für gesundheitsbezogene Werbung bei Lebensmitteln
Mit seinem Urteil vom 2. Dezember 2024 hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (Az. 6 U 124/24) Klarheit hinsichtlich der Werbeaussagen für Lebensmittel geschaffen, die eine spezifische gesundheitsbezogene Wirkung suggerieren. Konkret betroffen war die Nutzung des Begriffs „Anti-Kater“ für ein als Lebensmittel vertriebenes Präparat. Die Entscheidung unterstreicht die engen Grenzen, innerhalb derer gesundheitsbezogene Angaben im Rahmen der Vermarktung zulässig sind, und hebt die regulatorischen Anforderungen hervor, die Lebensmittelunternehmer zu beachten haben.
Hintergrund des Verfahrens
Dem Urteil lag die Bewerbung eines Nahrungsergänzungsmittels zugrunde, auf dessen Verpackung und Onlinepräsenz der Begriff „Anti-Kater“ prominent hervorgehoben wurde. Die verantwortliche Vertriebsfirma suggerierte damit, das Produkt könne einen durch Alkoholkonsum verursachten „Kater“ lindern oder verhindern. Gegen diese Werbegestaltung wandte sich ein Verbraucherschutzverband mit dem Hinweis, dass derartige gesundheitsbezogene Angaben nur zulässig seien, wenn sie auf dem aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand basieren und durch die Health-Claims-Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 1924/2006) ausdrücklich genehmigt wurden.
Rechtlicher Rahmen für gesundheitsbezogene Angaben
Health-Claims-Verordnung
Die Health-Claims-Verordnung regelt europaweit die Verwendung nährwert- und gesundheitsbezogener Angaben auf Lebensmitteln. Danach dürfen solche Aussagen nur getroffen werden, wenn sie von der Europäischen Kommission geprüft und in eine Positivliste aufgenommen worden sind. Voraussetzung für die Zulässigkeit ist dabei neben dem Nachweis der wissenschaftlichen Absicherung insbesondere eine ausdrückliche Zulassung der konkreten Angabe.
Anwendung auf den Begriff „Anti-Kater“
Das OLG Frankfurt a.M. stellte klar, dass die Bezeichnung „Anti-Kater“ eine spezifische gesundheitsbezogene Wirkung beschreibt, nämlich die Linderung oder Verhinderung von Beschwerden nach Alkoholkonsum. Eine derartige Werbeaussage unterfalle daher dem Anwendungsbereich der Health-Claims-Verordnung und sei ausschließlich zulässig, wenn eine entsprechende Zulassung vorliege. Da ein „Anti-Kater“-Claim bislang nicht genehmigt wurde und entsprechende wissenschaftliche Nachweise fehlen, sei die Werbung als unzulässig zu bewerten.
Implikationen für Lebensmittelhersteller und Vertriebe
Grenzen werblicher Gestaltungsfreiheit
Das Urteil verdeutlicht, dass Lebensmittelunternehmer bei anpreisenden Aussagen, die eine Linderung, Vorbeugung oder Heilung von Beschwerden versprechen, rechtlich besonders restriktiv agieren müssen. Auch eine vermeintlich augenzwinkernde Formulierung wie „Anti-Kater“ kann, so das OLG, von Verbrauchern als gesundheitliche Wirkung verstanden werden und unterliegt damit den strengen Anforderungen der Verordnung.
Verantwortlichkeit für die Werbebotschaft
Das Gericht wies ferner darauf hin, dass nicht nur ausdrücklich, sondern auch sinngemäß geäußerte und suggestiv wirkende gesundheitsbezogene Aussagen von der europäischen Gesetzgebung erfasst sind. Bereits das Hervorheben eines Effekts gegen bestimmte Beschwerden – hier der „Kater“ nach Alkoholkonsum – reicht grundsätzlich aus, um einen Health Claim anzunehmen.
Bedeutung der Entscheidung für die Lebensmittelwirtschaft
Die gerichtliche Untersagung der Werbung mit dem Zusatz „Anti-Kater“ ist von erheblicher praktischer Relevanz für die Branche. Unternehmen sind gehalten, sämtliche Aussagen auf ihren Produkten und in der Werbung sorgfältig daraufhin zu überprüfen, ob sie als gesundheitsbezogen im Sinne der Verordnung einzuordnen sind. Die Entscheidung des OLG Frankfurt am Main schafft zusätzliche Rechtssicherheit hinsichtlich der Auslegung von gesundheitsbezogenen Angaben und dürfte Wirkung weit über den konkreten Einzelfall hinaus entfalten.
Gleichwohl ist zu beachten, dass die Rechtslage und ihre Auslegung gewissen Entwicklungen und Veränderungen unterliegt. Verfahren zu vergleichbaren Werbekonzepten befinden sich laufend in der Entscheidung durch verschiedene Instanzen; das letzte Wort in der Bewertung gesundheitsbezogener Angaben bleibt insbesondere dem Europäischen Gerichtshof vorbehalten (Stand: Dezember 2024).
Fazit und Ausblick
Lebensmittelunternehmen stehen weiterhin vor der Herausforderung, die werbliche Kommunikation mit regulatorischen Vorgaben in Einklang zu bringen. Die aktuelle Rechtsprechung verschärft die Sorgfaltsanforderungen und mahnt zur Zurückhaltung bei gesundheitsbezogenen Aussagen. Für Marktteilnehmer empfiehlt sich daher eine kontinuierliche Überprüfung und Anpassung ihrer Werbekonzepte.
Für weitergehende rechtliche Einschätzungen oder Hilfestellungen im Zusammenhang mit der Bewerbung und Kennzeichnung von Lebensmitteln stehen bei MTR Legal Rechtsanwälte Ansprechpartner mit umfangreicher Erfahrung zur Verfügung.