Wegweisende Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zu Arbeitsrecht

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Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei personellen Maßnahmen – Aktuelle Erkenntnisse aus der Entscheidung 7 ABR 6/24 des Bundesarbeitsgerichts

Die jüngst veröffentlichte Entscheidung des Siebten Senats des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Beschluss vom 20. März 2024 – 7 ABR 6/24) bietet wesentliche Impulse für die Auslegung und Anwendung von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats gemäß § 99 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Dabei wird erneut die Bedeutung der betriebsverfassungsrechtlichen Beteiligung im Kontext von personellen Einzelmaßnahmen, insbesondere Versetzungen, in den Vordergrund gerückt. Die Entscheidung ist von besonderer Relevanz für Unternehmen und Arbeitnehmervertretungen, da sie die Voraussetzungen und Grenzen des Mitbestimmungsrechts präzisiert und wichtige Aspekte zum Verfahren bei unterlassenem Antrag auf Zustimmung behandelt.

Hintergrund der Entscheidung

Das Verfahren betraf die Beteiligung des Betriebsrats bei der geplanten Versetzung eines Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber. Dieser beabsichtigte, die Aufgabenbereiche der betreffenden Arbeitnehmerin in erheblichem Umfang zu verändern. Trotz des klaren Vorliegens einer Versetzung im Sinne von § 95 Abs. 3 BetrVG hatte der Arbeitgeber es unterlassen, die Zustimmung des Betriebsrats gemäß § 99 BetrVG einzuholen. In Reaktion auf diesen Sachverhalt stellte der Betriebsrat beim Arbeitsgericht den Antrag, dem Arbeitgeber aufzugeben, die geplante Maßnahme bis zur Durchführung des Zustimmungsverfahrens zu unterlassen.

Das Arbeitsgericht gab dem Antrag des Betriebsrats statt; das Landesarbeitsgericht wies die Beschwerde des Arbeitgebers zurück. Die zugrundeliegenden Streitpunkte betrafen vorrangig den Umfang der Unterlassungspflicht und die Reichweite der betriebsverfassungsrechtlichen Kontrollmechanismen.

Maßgebliche Rechtsfragen und Lehrinhalte

Begrifflichkeiten: Versetzung und Mitbestimmung

Im Mittelpunkt der rechtlichen Prüfung stand die Abgrenzung der personellen Einzelmaßnahme als „Versetzung” im Sinne des § 95 Abs. 3 BetrVG. Das Bundesarbeitsgericht bestätigte in seiner Entscheidung – vor dem Hintergrund der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung -, dass eine erhebliche Änderung der Arbeitsaufgaben bereits dann eine Versetzung darstellen kann, wenn sie voraussichtlich die Dauer von mehr als einem Monat überschreitet oder mit einer erheblichen Änderung der Umstände einhergeht.

Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei Versetzungen dienen maßgeblich dem Schutz der kollaborativen Wahrnehmung der Interessen der Belegschaft gegenüber betrieblichen Maßnahmen des Arbeitgebers. Wird das vorgeschriebene Zustimmungsverfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt, kann der Betriebsrat gegenüber dem Arbeitgeber einen Unterlassungsanspruch geltend machen.

Unterlassungsansprüche und deren gerichtliche Durchsetzung

Das BAG unterstrich erneut, dass der Betriebsrat bei unterlassener Beteiligung einen Anspruch darauf hat, dass der Arbeitgeber die jeweilige personelle Maßnahme bis zur Beendigung des Beteiligungsverfahrens nicht durchführt. Der Anspruch dient dem Ziel, die betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmungsrechte effektiv durchsetzbar zu machen. Dieses Unterlassungsbegehren kann im Wege eines Verfügungsverfahrens geltend gemacht werden, sofern eine erhebliche Beeinträchtigung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats droht.

Gleichzeitig bestätigte das Gericht, dass ein solcher Anspruch nicht voraussetzt, dass dem Arbeitgeber bösgläubiges oder wiederholtes Fehlverhalten nachgewiesen werden muss. Es genügt die objektive Verletzung der Beteiligungspflicht.

Präventiver Rechtsschutz und fortwirkende Mitbestimmungsrechte

Von besonderer Bedeutung ist die Klarstellung, dass ein bereits begangener Verstoß gegen die Beteiligungspflichten nicht durch spätere Zustimmung oder nachträgliche Durchführung eines Beteiligungsverfahrens geheilt werden kann. Die Entscheidung betont, dass eine eigenmächtige Durchführung einer Versetzung rechtlich unzulässig ist und der Betriebsrat auch nach Durchführung der Maßnahme einen Anspruch auf Unterlassung weiterer vergleichbarer Maßnahmen hat. Im betrieblichen Kontext stellt dies eine wesentliche Stärkung der Interessenvertretung der Belegschaft dar.

Zudem hebt das BAG hervor, dass der Unterlassungsanspruch des Betriebsrats auf zukünftige Maßnahmen bezogen werden kann, die denselben oder einen vergleichbaren rechtlichen Sachverhalt betreffen. Damit wird die Möglichkeit eines präventiven kollektivrechtlichen Rechtsschutzes gestärkt, was für Unternehmen eine erhöhte Sensibilität für die Einhaltung der formellen Beteiligungsrechte erforderlich macht.

Praktische Implikationen für Unternehmen und Arbeitnehmervertretungen

Die aktuelle Rechtsprechung bekräftigt die Relevanz eines strukturierten und rechtssicheren Umgangs mit personellen Maßnahmen im Unternehmen. Arbeitgeber sind gehalten, bei jeder wesentlichen Veränderung des Arbeitsbereichs, die den Tatbestand einer Versetzung erfüllt, frühzeitig das Beteiligungsverfahren mit dem Betriebsrat einzuleiten. Dies gilt unabhängig davon, ob die Maßnahme einvernehmlich mit dem Beschäftigten abgestimmt wurde.

Um Rechtsstreitigkeiten, arbeitsgerichtliche Unterlassungsverfahren und daraus resultierende Verzögerungen im Betriebsablauf zu vermeiden, empfiehlt sich in der Praxis eine präzise Prüfung, ob eine Maßnahme als Versetzung im Sinne des § 95 Abs. 3 BetrVG einzuordnen ist und auf dieser Grundlage die ordnungsgemäße Beteiligung des Betriebsrats zu sichern.

Grenzen und Offenbleibende Fragen

Die Entscheidung 7 ABR 6/24 klärt viele Aspekte rund um Versetzungen und die Rechte des Betriebsrats, lässt jedoch einzelne Einzelfragen offen – insbesondere hinsichtlich der zivilrechtlichen und individualarbeitsrechtlichen Konsequenzen einer (unter Missachtung der Beteiligungsrechte) erfolgten Umsetzung der Personalmaßnahme. Unternehmen und Betriebsräte stehen damit weiterhin vor der Herausforderung, im Einzelfall die tragfähige Abwägung zwischen berechtigten unternehmerischen Interessen und kollektiven Mitbestimmungsrechten vorzunehmen.

Quellenhinweis: Die zugrundeliegende Entscheidung von Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 20. März 2024 – 7 ABR 6/24, ist unter https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/7-abr-6-24/ abrufbar.


Sollten Sie bei unternehmensbezogenen Fragestellungen im Zusammenhang mit Mitbestimmungsrechten, personellen Einzelmaßnahmen oder betriebsverfassungsrechtlichen Beteiligungspflichten unsicher sein, bietet es sich an, eine maßgebliche rechtliche Einschätzung einzuholen. Die Rechtsanwälte von MTR Legal stehen Ihnen hierfür gerne zur Verfügung.

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