Einführung: Die Erhebung von Vergnügungssteuer für Bordellbetriebe im Fokus der Verwaltungsgerichtsbarkeit
Die Besteuerung von Vergnügungsstätten wird auf kommunaler Ebene seit Jahren kontrovers diskutiert. Eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 30. Dezember 2010 (Az. 8 K 3904/09) konkretisiert die Voraussetzungen, unter denen die Erhebung einer Vergnügungssteuer auf den Betrieb eines Bordells rechtlich zulässig ist. Die Streitfrage betraf insbesondere die Auslegung kommunaler Satzungen im Lichte der verfassungsrechtlichen Vorgaben sowie die rechtliche Einordnung bordelltypischer Dienstleistungen als steuerpflichtige “Vergnügungen”.
Rechtliche Grundlagen: Kommunale Besteuerungsautonomie und die Vergnügungssteuer
Charakter und Zweck der Vergnügungssteuer
Die Vergnügungssteuer gehört zu den lokalen Aufwandsteuern gemäß Art. 105 Abs. 2a GG. Sie zielt nicht auf den erzielten Gewinn oder Umsatz ab, sondern auf das Vergnügen selbst als Ausdruck besonderen Aufwandes. Typischerweise werden Kinobesuche, Tanzveranstaltungen und – zunehmend – Angebote von Prostitutionsstätten in den steuerpflichtigen Kreis einbezogen. Wesentlich ist hierbei, dass die Vergnügungssteuer keine Gegenleistung für eine konkrete Leistung der Kommune darstellt, wie dies bei Gebühren der Fall wäre.
Gesetzliche Grundlage und kommunale Satzungsgebung
Kommunen sind kraft des Konnexitätsprinzips befugt, Aufwandsteuern via Satzung zu erheben. Die Stuttgarter Stadtverwaltung stützte sich insoweit auf eine eigene Vergnügungssteuersatzung (§ 1 VergnStS). Die Satzung entsprach nach Prüfung durch das Gericht sowohl den formellen Anforderungen des Kommunalabgabenrechts als auch den materiellen Vorgaben des Gleichheitssatzes (Art. 3 GG) und des Grundsatzes der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit.
Zentrale Streitpunkte: Steuerpflichtigkeit von Bordellbetrieben
Abgrenzung: Steuerschuldner und steuerbarer Tatbestand
Im Ausgangsfall wandte sich ein Bordellbetreiber gegen seine Heranziehung zur Vergnügungssteuer. Dieser beanstandete insbesondere die Gleichbehandlung seines Betriebs mit anderen klassischen Vergnügungsstätten und rügte eine angebliche Verletzung der Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 GG) und des Gleichbehandlungsgrundsatzes. Das VG Stuttgart stellte klar, dass derartige Angebote als “Veranstaltungen anderer Art zur geschlechtlichen Betätigung” im Sinne der Satzung zu qualifizieren sind und der objektive Vorgang der Ermöglichung sexueller Handlungen für Dritte dem steuerbaren Tatbestand unterfällt.
Verfassungsrechtliche Anforderungen
Das Gericht wies ausdrücklich darauf hin, dass die Steuer keine unzulässige Doppelbelastung oder eine gegen das Übermaßverbot verstoßende Belastungshöhe begründet. Insbesondere stehe dem bundesrechtlichen Grundsatz steuerlicher Lastengleichheit (Art. 3 GG) nicht entgegen, dass verschiedene Betriebstypen unterschiedlich besteuert würden, sofern der objektive Steuerzweck – die Erfassung besonderer, gesellschaftlich üblicher Aufwendungen – gewahrt bleibe. Zudem sah das Gericht keine unzulässige Erschwerung der Berufsausübung oder eine Stigmatisierung der Betreiber entsprechender Einrichtungen.
Auswirkungen für Betreiber und Steuerpflichtige
Folgen der gerichtlichen Entscheidung
Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgart hat über den Einzelfall hinaus Bedeutung für die Auslegung kommunaler Vergnügungssteuersatzungen im ganzen Bundesgebiet. Insbesondere bestätigt sie die Legitimität, Betriebe des Prostitutionsgewerbes in die Steuerpflicht einzubeziehen, sofern die zugrunde liegende Satzung hinreichend bestimmt und nicht diskriminierend ausgestaltet ist. Kommunale Steuergläubiger können sich auf diese Rechtsprechung berufen, um die steuerliche Gleichbehandlung verschiedener Vergnügungsstätten sicherzustellen.
Abgrenzungsprobleme und offene Fragen
Gleichwohl verbleiben Abgrenzungs- und Auslegungsfragen hinsichtlich der konkreten Bemessungsgrundlage oder der Einordnung von Mischbetrieben, in denen steuerpflichtige und nicht steuerpflichtige Leistungen angeboten werden. Ferner bleibt offen, wie eventuelle zukünftige Anpassungen im Bundes- oder Landesrecht, beispielsweise durch Änderungen im Prostitutionsgesetz oder im Kommunalabgabengesetz, die Zulässigkeit derartiger Steuern beeinflussen könnten.
Fazit: Rechtssicherheit für Kommunen und Betreiber, aber fortbestehende Komplexität
Zusammenfassend hat das Verwaltungsgericht Stuttgart in seinem Urteil vom 30. Dezember 2010 klargestellt, dass die Erhebung einer Vergnügungssteuer auf den Betrieb eines Bordells unter bestimmten Voraussetzungen mit höherrangigem Recht vereinbar ist. Kommunale Satzungen, die das Angebot sexueller Dienstleistungen explizit und hinreichend bestimmt erfassen, entsprechen sowohl verfassungsrechtlichen als auch einfachgesetzlichen Anforderungen. Betreiber entsprechender Einrichtungen sollten die Entwicklung in Gesetzgebung und Rechtsprechung daher sorgfältig beobachten, um mögliche Risiken frühzeitig zu identifizieren.
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