Rechtliche Einordnung vergleichender Werbung bei ästhetisch-chirurgischen Eingriffen auf Social Media
Die wettbewerbsrechtliche Beurteilung vergleichender Werbemaßnahmen stellt insbesondere im Kontext ästhetisch-chirurgischer Eingriffe auf Plattformen wie Instagram eine komplexe Herausforderung dar. Dies zeigt die Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt am Main vom 10. November 2023 (Az.: 6 U 40/25), das den Einsatz vergleichender Werbung in einer Instagram-Story für einen medizinisch nicht indizierten operativen Eingriff als unlautere geschäftliche Handlung eingestuft hat.
Umfang und Grenzen vergleichender Werbung
Voraussetzungen und Zulässigkeit nach Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)
Die vergleichende Werbung ist grundsätzlich nach den Vorschriften des § 6 UWG zulässig, sofern eine sachliche und zutreffende Gegenüberstellung wesentlicher, relevanter, nachprüfbarer und typischer Merkmale oder Preise von Waren oder Dienstleistungen erfolgt. Gleichwohl darf diese Form der Werbung keine den Wettbewerb verzerrenden oder irreführenden Elemente enthalten sowie nicht auf Herabsetzung oder Verunglimpfung von Mitbewerbern abzielen.
Besonderheiten im medizinisch-kosmetischen Bereich
Im Bereich medizinisch nicht indizierter, ästhetischer Operationen bestehen Besonderheiten: Gerade im sensiblen Segment der Schönheitschirurgie, das gesundheitsbezogene Dienstleistungen für nicht medizinisch notwendige Eingriffe umfasst, gelten erhöhte Anforderungen an die Transparenz und die Sachlichkeit der Werbeaussagen. Die Adressaten sind regelmäßig Laien, die angesichts des versprochenen ästhetischen Nutzens potenziell anfälliger für Werbeversprechen sind. Die Grenze zur unlauteren Werbung ist daher bereits bei geringfügigen Überschreitungen schneller erreicht.
Entscheidung des OLG Frankfurt am Main: Sachverhalt und rechtliche Würdigung
Anlass der gerichtlichen Bewertung
Im zugrunde liegenden Fall bewarb ein Anbieter ästhetischer Dienstleistungen einen operativen Eingriff per Instagram-Story unter namentlicher Bezugnahme auf einen Mitbewerber. Die Darstellung betraf ein medizinisch nicht begründetes Verfahren, wobei eigene Leistungen als überlegene Alternative dargestellt und der Mitbewerber systematisch als weniger geeignet präsentiert wurde.
Gerichtliche Kernargumentation
Das OLG Frankfurt am Main bejahte in dieser Konstellation einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht. Ausschlaggebend sei das gezielte Herausstellen eigener Leistungen unter gleichzeitiger Herabsetzung des Mitbewerbers mittels vergleichender Bewertungsmaßstäbe, die weder neutral noch objektiv nachvollziehbar seien. Die öffentliche Plattform Instagram verschärft nach Ansicht des Gerichts die Gefahr, dass solche Botschaften breite Wirkung entfalten und leicht irreführend aufgefasst werden können.
Dabei betonte das OLG die gesteigerte Schutzbedürftigkeit der angesprochenen Verbraucher, die einen erhöhten Grad an Information und Seriosität erwarten dürfen – speziell bei operativen Eingriffen mit potenziellen Risiken. Werbung, die im Rahmen eines sozialen Netzwerks allein auf Aufmerksamkeitserregung und Wettbewerbsvorteile durch kritische Bezugnahme auf Wettbewerber ziele, könne in Fällen wie diesem leicht die Schwelle zur Unlauterkeit überschreiten.
Abgrenzung erlaubter und unlauterer Werbung: Wesentliche Faktoren
Informationsfunktion und Transparenzgebot
Die rechtlichen Anforderungen verlangen, dass vergleichende Werbung sich an der Wahrung einer sachlichen Informationsfunktion orientiert und für Verbraucher nachvollziehbar bleibt. Manipulative, einseitig wertende Vergleiche, die Mitbewerber unsachlich abwerten oder deren Methoden als pauschal nachteilig darstellen, verstoßen regelmäßig gegen das Gebot der Lauterkeit.
Relevanz von Plattform und Reichweite
Bei der Auswahl des Mediums – hier der Einsatz einer Instagram-Story – ist die schnelle, virale Verbreitung und die besondere Ansprache junger, möglicherweise beeinflussbarer Nutzer zu berücksichtigen. Die Ausnutzung der Wirkung sozialer Netzwerke zur gezielten Herabsetzung von Wettbewerbern kann dabei als besonders intensiv und damit rechtlich problematisch eingeordnet werden.
Implikationen der Entscheidung für die Praxis und Bedeutung für Unternehmen
Unmittelbare Auswirkungen auf Werbepraxis im Gesundheitsmarkt
Die Entscheidung des OLG Frankfurt verdeutlicht, dass bei Werbemaßnahmen für nicht medizinisch indizierte chirurgische Eingriffe bereits die grenzüberschreitende Bezugnahme auf einen Mitbewerber in Verbindung mit herabsetzender Darstellung schnell die Unlauterkeitsschwelle überschreiten kann. Werbende Unternehmen sind daher gehalten, die Anforderungen an vergleichende Informationsvermittlung und die spezifischen Besonderheiten sozialer Medien strikt zu beachten.
Bedeutung für unternehmerische Kommunikationsstrategien
Insbesondere Unternehmen im Bereich ästhetisch-chirurgischer Dienstleistungen sind gehalten, die strengen Maßstäbe an das Transparenzgebot sowie die Sachlichkeit und Neutralität von Werbebotschaften einzuhalten. Die Entscheidung zeigt, dass die Spielräume insbesondere bei personenbezogener Werbung, die sich explizit auf andere Anbieter bezieht, eng begrenzt sind. Herabwürdigende Vergleiche können erhebliche rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen und sind daher bei Konzeption und Durchführung von Marketingmaßnahmen sorgfältig zu vermeiden.
Fazit
Die aktuelle Rechtsprechung unterstreicht die klare Grenze zwischen zulässiger vergleichender Werbung und unzulässiger Herabsetzung von Mitbewerbern, insbesondere in sensiblen Gesundheitsmärkten und auf reichweitenstarken digitalen Plattformen. Unternehmen, die in diesem Umfeld agieren, tun gut daran, die Entwicklungen in der Rechtsprechung genau zu verfolgen und ihren Kommunikationsansatz rechtssicher auszurichten.
Bei weiterführenden Fragen zur Abgrenzung zwischen zulässiger und unzulässiger vergleichender Werbung und zu den Implikationen der aktuellen Rechtsprechung stehen die Kolleginnen und Kollegen von MTR Legal für eine individuelle Rechtsberatung im Wettbewerbsrecht zur Verfügung.