Sachverhalt und Verfahrensgang
Mit dem Verfahren 3 AZR 118/24 befasst sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit zentralen Fragen des deutschen Arbeits- und Betriebsrentenrechts. Konkret steht die Verpflichtung zur Durchführung einer betrieblichen Altersversorgung im Fokus, nachdem ein Unternehmen im Rahmen eines Betriebsübergangs seine Betriebstätigkeit auf einen anderen Rechtsträger übertragen hat.
Im Ausgangsfall klagte ein Arbeitnehmer, der in der Vergangenheit im Unternehmen tätig war und nun Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung geltend macht. Der Anspruch gründet sich dabei auf Leistungen, die eine Unterstützungskasse, welche mit dem alten Arbeitgeber verbunden war, zugesagt hatte. Fraglich war jedoch, in welcher Form und mit welchem Umfang der neue Arbeitgeber nach einem Betriebsübergang für die zugesagten Versorgungsleistungen einzustehen hat.
Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen hatte in zweiter Instanz festgestellt, dass der neue Betriebsinhaber ab dem Zeitpunkt des Übergangs die Versorgungspflichten übernimmt, jedoch in dem konkreten Fall in begrenztem Umfang. Der Kläger legte Revision zum BAG ein.
Rechtliche Schwerpunkte
Betriebsübergang und Übergang von Versorgungsverpflichtungen
Der maßgebliche gesetzliche Rahmen ergibt sich aus § 613a BGB. Diese Vorschrift regelt die Rechte und Pflichten beim Übergang eines Betriebs oder Betriebsteils auf einen neuen Inhaber. Zentrale Fragestellung ist hierbei, ob und in welchem Umfang bestehende Ansprüche aus der betrieblichen Altersversorgung auf den Erwerber übergehen.
Das BAG beleuchtet in diesem Zusammenhang, dass bei Versorgungssystemen, die über Einrichtungen wie Unterstützungskassen abgewickelt werden, eine differenzierte Beurteilung nach Art und Umfang der Zusage erforderlich ist. Dabei wird insbesondere zwischen unmittelbaren und mittelbaren Versorgungszusagen unterschieden. Während der neue Betriebsinhaber grundsätzlich für laufende Leistungen einzustehen hat, kann der Umfang der Haftung beschränkt sein, wenn die Durchführungsform auf einer rückgedeckten Unterstützungskasse basiert.
Grenzen der Haftung beim Betriebsübergang
Das Urteil des BAG knüpft an gefestigte Rechtsprechung an, wonach der ’neue‘ Arbeitgeber nach § 613a BGB für Anwartschaften und Versorgungsleistungen grundsätzlich einzustehen hat. Allerdings bestehen nach der gesetzlichen Regelung sowie gefestigter Auslegung Begrenzungen dieser Haftung, wenn bestimmte Durchführungswege der Versorgung – wie hier speziell die Unterstützungskasse – gewählt wurden.
Insbesondere strebt die gesetzliche Regelung einen angemessenen Interessenausgleich an: Arbeitnehmer sollen vor dem Verlust von Versorgungsansprüchen geschützt werden, Unternehmensübertragungen sollen jedoch nicht durch eine überzogene Haftungslast behindert werden. Im vorliegenden Fall konkretisiert das BAG, dass der neue Arbeitgeber nur insoweit haftet, wie aus dem Vermögen der betreffenden Unterstützungskasse (inklusive einer etwaigen Rückdeckungsversicherung) Leistungen nicht mehr erbracht werden können.
Relevanz für die Praxis
Die Entscheidung hat erhebliche Bedeutung im Zusammenhang mit Unternehmenstransaktionen und Nachfolgegestaltungen. Sie verdeutlicht, dass bei der Übertragung eines Betriebs zwar grundsätzlich eine Eintrittspflicht für betriebliche Versorgungssysteme besteht, deren Umfang jedoch im Einzelfall von der konkreten Gestaltung der Versorgungszusage und der Art der Finanzierung abhängt. Durch bloße Aussage, dass ein neuer Betriebsinhaber für alle Versorgungsverpflichtungen vollumfänglich und uneingeschränkt aufkommen muss, wird dem Regelungsgehalt des § 613a BGB und dem Zusammenspiel mit dem Betriebsrentengesetz (BetrAVG) nicht ausreichend Rechnung getragen.
Gleichwohl bleibt festzuhalten, dass Arbeitnehmer im Rahmen eines Betriebsübergangs regelmäßig in ihren Versorgungsanwartschaften geschützt bleiben, sofern nicht Ausnahme- und Begrenzungstatbestände eingreifen.
Bedeutung für Unternehmen und Investoren
Gerade bei Unternehmenstransaktionen und Restrukturierungen ist die genaue Prüfung der bestehenden betrieblichen Versorgungswerke geboten. Komplexe Fragestellungen ergeben sich hierbei nicht nur für Erwerber und Übergeber, sondern ebenso für Investoren und Anteilseigner, die finanzielle Haftungsrisiken realistisch einschätzen und steuern müssen.
Die aktuelle Entscheidung des BAG verdeutlicht einmal mehr, wie wichtig eine detaillierte Analyse der Versorgungszusagen (einschließlich etwaiger Unterstützungskassenregelungen und Rückdeckungsvereinbarungen) im Rahmen von Due Diligence-Prozessen ist. Zudem unterstreicht sie, dass gesetzliche und vertragliche Haftungsbegrenzungen effektiv greifen und damit die Planungssicherheit für Erwerber erhöhen können.
Insbesondere im Kontext internationaler Unternehmensfusionen ist auch die Abstimmung mit ausländischen Rechtsordnungen zu beachten, um Doppelansprüche oder Haftungslücken zu vermeiden.
Fazit und Ausblick
Die Entscheidung 3 AZR 118/24 schafft Klarheit im Spannungsfeld zwischen Arbeitnehmerschutz und wirtschaftlichen Interessen bei Betriebsübernahmen. Sie betont die Komplexität betrieblicher Altersversorgungssysteme beim Betriebsübergang und stellt klar, dass Haftungsübergänge differenziert nach der jeweils gewählten Durchführungsform zu beurteilen sind.
Abschließend sei darauf hingewiesen, dass derartige Sachverhalte stets einer individuellen rechtlichen Würdigung bedürfen – insbesondere vor dem Hintergrund laufender Rechtsprechungsentwicklungen und sich ändernder gesetzlicher Vorgaben. Sofern sich weitergehende Fragen zu den dargestellten Themenbereichen ergeben, können diese im Rahmen einer fundierten Beratung geklärt werden. Die Rechtsanwälte bei MTR Legal stehen hierbei für vertiefende Auskünfte im Bereich des Arbeits- und Unternehmensrechts zur Verfügung.