Urteil zu Arbeitsrecht: Entscheidung im Fall 8 AZR 209/21

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Sachverhalt und Hintergründe des Verfahrens

In dem durch das Bundesarbeitsgericht mit dem Aktenzeichen 8 AZR 209/21 entschiedenen Verfahren standen die Voraussetzungen und Grenzen der Auskunftspflichten eines Arbeitgebers nach Art. 15 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) im Mittelpunkt. Der Fall betraf einen Arbeitnehmer, der nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses von seinem ehemaligen Arbeitgeber Auskunft darüber verlangte, welche personenbezogenen Daten im Rahmen seiner Beschäftigung verarbeitet wurden. Darüber hinaus begehrte der Kläger die Herausgabe von Kopien der betreffenden Unterlagen.

Der spezifische Streitpunkt war die Reichweite der vom Arbeitgeber unter Einhaltung des Datenschutzrechts zu erteilenden Auskünfte. Insbesondere wurde streitig, in welchem Umfang Kopien von Dokumenten verlangt werden können und ob die Verpflichtung besteht, sämtliche interne Korrespondenz, E-Mails und Notizen, die den Arbeitnehmer betreffen, vorzulegen.

Rechtliche Aspekte bei der Auskunft nach Art. 15 DSGVO

Umfang der Auskunftspflicht nach DSGVO

Art. 15 DSGVO gewährt betroffenen Personen das Recht auf umfassende Auskunft über die zu ihrer Person gespeicherten Daten sowie auf Erhalt einer Kopie dieser Daten. Entscheidend ist dabei, welchen Umfang diese Auskunftspflicht besitzt und wie detailliert die Auskunft sein muss. In der arbeitsrechtlichen Praxis hat dies erhebliche Bedeutung, da sehr häufig sensible und umfangreiche Datenbestände über Beschäftigte geführt werden.

Die Rechtsprechung hat wiederholt betont, dass die Auskunft nicht bedeuten muss, dass dem Betroffenen sämtliche im Unternehmen existierende Schriftstücke ohne Einschränkung zugänglich gemacht werden. Vielmehr ist stets zu differenzieren zwischen personenbezogenen Daten, die im Lichte des Auskunftsanspruchs offenzulegen sind, und weiteren Unterlagen, die diesem Anspruch nicht unterliegen – insbesondere dann, wenn die Dokumente lediglich interne Bewertungen oder Vermerke enthalten, die lediglich mittelbar auf den Arbeitnehmer bezogen sind.

Grenzen und Schutzinteressen

Beachtlich ist bei der Beurteilung der Reichweite des Auskunftsanspruchs auch der Schutz anderer betroffener Personen und legitime Unternehmensinteressen, etwa Geschäftsgeheimnisse oder betriebsinterne Abläufe. Die DSGVO selbst gibt vor, dass die Rechte und Freiheiten Dritter zu berücksichtigen sind (vgl. Art. 15 Abs. 4 DSGVO).

Das Bundesarbeitsgericht hat darüber hinaus betont, dass der Auskunftsanspruch nicht dazu führen darf, dass der Arbeitgeber gezwungen wird, jeden Schriftwechsel, jede Gesprächsnotiz oder interne Kommunikation ohne jede Einschränkung zu offenbaren. Vielmehr kommt es darauf an, ob und inwieweit bestimmte Dokumente tatsächlich „personenbezogene Daten“ enthalten, die dem Anspruch unterfallen. Hier ist im Einzelfall zu prüfen, ob die betreffenden Daten für den Antragsteller von Bedeutung sind und ob schutzwürdige Interessen Dritter entgegenstehen.

Anforderungen an die Herausgabe von Dokumenten-Kopien

Die Frage, in welchem Umfang Kopien von Dokumenten verlangt werden können, ist sowohl für Arbeitgeber wie Arbeitnehmer von großer praktischer Relevanz. Eine Herausgabe kann insbesondere dann angezeigt sein, wenn die betreffenden Dokumente weitgehend automatisiert vorliegen oder in sonst organisatorisch einfacher Weise bereitgestellt werden können. Eine Herausgabe „sämtlicher“ Dokumente, Notizen oder E-Mails, die im Unternehmen gespeichert sind, ist demgegenüber nach der Auslegung des Bundesarbeitsgerichts nicht ohne Weiteres von der DSGVO gedeckt.

Eine Herausgabepflicht setzt regelmäßig voraus, dass ein konkreter Zusammenhang zum Auskunftsersuchen gegeben ist und die jeweiligen Dokumente tatsächlich personenbezogene Daten enthalten. Pauschale Herausgabeverlangen stoßen laut höchstrichterlicher Rechtsprechung an ihre Grenzen, insbesondere dann, wenn dies zu unverhältnismäßigem Aufwand bei einer möglichen Durchsicht sehr umfangreicher Akten führen würde.

Einordnung und Bedeutung für die Praxis

Auswirkungen für Arbeitnehmer und Unternehmen

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts verdeutlicht die erhebliche Bedeutung eines ausgewogenen Umgangs mit Auskunftsbegehren im Beschäftigungsverhältnis. Unternehmen sind gehalten, ihre Prozesse dahingehend zu prüfen, dass sie einerseits die berechtigten Ansprüche ehemaliger und aktueller Beschäftigter nach Transparenz erfüllen, andererseits aber auch betriebliche Belange und Datenschutzinteressen Dritter wahren.

Arbeitnehmer wiederum können aus der Entscheidung ableiten, dass ihr Auskunftsrecht nicht grenzenlos ist, sondern jeweils am Zweck des Auskunftsanspruchs und im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben ausgeübt werden kann.

Praktische Umsetzung und Herausforderungen

Gerade im Hinblick auf die Verarbeitung und Speicherung personenbezogener Daten empfiehlt es sich, bestehende Dokumentations- und Archivierungsprozesse regelmäßig zu evaluieren. Die rechtliche Komplexität solcher Auskunftsersuchen erfordert in der Regel eine sorgfältige Einzelfallprüfung, bei der sowohl die Anforderungen des Datenschutzrechts als auch betriebliche und organisatorische Belange berücksichtigt werden müssen.

Fazit

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (8 AZR 209/21) führt zu einer weiteren Klarstellung der Reichweite von Auskunftsansprüchen nach der DSGVO im Arbeitsverhältnis und unterstreicht die Notwendigkeit einer differenzierten Prüfung der jeweiligen Interessenlagen. Die Auskunftspflicht des Arbeitgebers ist weitreichend, findet jedoch ihre Grenzen unter anderem im Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sowie im Schutz der Rechte Dritter und betrieblicher Belange.

Hinweis für Unternehmen und Arbeitnehmer

Sollten sich im Rahmen bestehender oder beendeter Arbeitsverhältnisse Fragen zur Reichweite und Umsetzung von Auskunftsansprüchen nach der DSGVO ergeben, kann eine individuelle rechtliche Begleitung den zielführenden Umgang mit den gesetzlichen Anforderungen unterstützen. Das Team von MTR Legal steht im Rahmen seiner Tätigkeit Unternehmen und Einzelpersonen für eine vertrauliche und sachorientierte Beratung zur Verfügung.

Quelle: Bundesarbeitsgericht, Urteil v. 16.2.2023 – 8 AZR 209/21

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