Fototapeten auf Werbebildern: Urheberrechtliche Bewertung im Kontext von Ferienwohnungsanzeigen
Die Frage der urheberrechtlichen Schutzfähigkeit von Gestaltungen, die in Werbematerialien verwendet werden, ist immer wieder Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen. Besonders relevant wird das Thema, wenn Innenaufnahmen von Immobilien für Werbezwecke genutzt werden, die Bildelemente wie Fototapeten enthalten. Die Entscheidung des Landgerichts Stuttgart vom 23.06.2023 (Az.: 17 O 39/22) hat diesen Bereich um eine praxisrelevante Facette bereichert.
Ausgangslage und Streitgegenstand
Im Kern des Verfahrens stand die Abbildung einer Fototapete im Rahmen einer Online-Anzeige für eine Ferienwohnung. Der Rechteinhaber der Tapete machte geltend, durch das veröffentlichte Werbefoto werde sein Urheberrecht an der Fototapete verletzt.
Schutzfähigkeit von Fototapeten nach dem Urheberrechtsgesetz
Der urheberrechtliche Schutz nach §§ 2 ff. UrhG setzt voraus, dass es sich beim streitgegenständlichen Werk um eine sogenannte eigentümliche, persönliche Schöpfung handelt. Der Maßstab hierbei orientiert sich an der „Schöpfungshöhe”, also an einem gewissen Maß an Individualität und Gestaltung, das über das Alltägliche hinausgeht.
Maßgebliche Kriterien bei angewandter Kunst
Insbesondere bei Erzeugnissen aus dem Bereich der angewandten Kunst wie Tapeten, Dekorationsobjekten und sonstigen Serieprodukten ist die Annahme einer hinreichenden Schöpfungshöhe häufig umstritten. Das Gericht prüft in diesen Fällen, ob das Design der Tapete einen Wiedererkennungswert besitzt und sich deutlich von vorbekannten Gestaltungen abhebt.
Im entschiedenen Fall kam das LG Stuttgart zu dem Ergebnis, dass die vorliegende Fototapete keinen urheberrechtlichen Schutz genießt. Das Gericht begründete diese Auffassung damit, dass es sich um eine rein funktionale, ästhetisch ansprechende, aber nicht individuell schöpferische Gestaltung gehandelt habe. Eine besondere künstlerische Eigenart sei nicht – oder zumindest nicht ausreichend – zu erkennen gewesen.
Verbreitung urheberrechtlich geschützter Werke durch Fotografien von Innenräumen
Unstrittig ist, dass Werke der bildenden oder angewandten Kunst in Räumen Bestand der fotografischen Wiedergabe werden können. Ebenfalls anerkannt ist, dass eine Veröffentlichung solcher Fotografien eine Nutzungshandlung im Sinne des § 19a UrhG (öffentliche Zugänglichmachung) darstellen könnte, sofern auf dem Foto ein urheberrechtlich geschütztes Werk klar erkennbar und ein zentrales Bildelement ist.
Im vorliegenden Fall verneinte das Gericht bereits die Schutzfähigkeit der Tapete. Selbst wenn diese unterstellt worden wäre, sah das Gericht im Umstand der lediglich beiläufigen Darstellung einen weiteren Aspekt: Die Fototapete habe keine hervorgehobene Stellung auf dem Werbebild eingenommen und sei nicht als zentrales Gestaltungsmotiv genutzt worden.
Bagatellnutzungen und das Zitatrecht
Zu berücksichtigen ist zudem die sogenannte „unwesentliche Beifügung” (§ 57 UrhG), nach der im Rahmen von Fotos die mehr oder minder zufällige Mitaufnahme eines Werkes grundsätzlich keine Verletzungshandlung begründet, sofern das Werk nicht den eigentlichen Gegenstand der Darstellung bildet, sondern lediglich als Beiwerk erscheint.
Bedeutung für die Praxis der Immobilien- und Werbebranche
Die Entscheidung stärkt die Rechtssicherheit insbesondere für Anbieter von Ferienunterkünften, Makler und Plattformbetreiber: Werden Fotografien von Innenräumen aufgenommen und auf diesen sind Alltagsgegenstände, Einrichtungsgegenstände oder auch Fototapeten zu sehen, bedarf es in aller Regel keiner gesonderten Erlaubnis des Rechteinhabers, sofern es an der erforderlichen schöpferischen Eigenleistung fehlt und keine gezielte werbliche Hervorhebung des Gegenstandes erfolgt.
Grenze zur unzulässigen Nutzung
Gleichwohl bleibt im Einzelfall zu prüfen, ob Ausnahmen vorliegen. So kann die Situation anders zu bewerten sein, wenn etwa bekannte Künstlerarbeiten oder markante Designerstücke als Werbemotiv gezielt verwendet oder besonders herausgestellt werden.
Fazit und weiterführende Überlegungen
Das Urteil des LG Stuttgart verdeutlicht, dass im Massengeschäft der Immobilien- und Hotelbranche nicht jedes Element auf einem Werbefoto automatisch urheberrechtlichen Schutz genießt und einer Lizenzierungspflicht unterliegt. Die rechtliche Einordnung hängt entscheidend von der Individualität des abgebildeten Objekts und der Art der Verwendung ab.
Die Thematik bleibt komplex, insbesondere an der Schnittstelle zur anwendungsorientierten Kunst sowie bei der Bewertung, wann ein Werk als bloßes Beiwerk einzustufen ist. Wer umfassende Sicherheit anstrebt oder im Rahmen von Werbemaßnahmen auf Nummer sicher gehen möchte, findet vertiefende Beratung und fundierte rechtliche Unterstützung bei Kanzleien mit ausgewiesener Erfahrung im Urheber-, IT- und Medienrecht.
Für weitergehende Fragen im Zusammenhang mit der Nutzung von gestalteten Innenräumen in Werbung, urheberrechtlicher Einordnung von Designs oder der rechtssicheren Gestaltung von Werbeauftritten stehen die Anwälte von MTR Legal bundesweit zur Verfügung, um individuelle Anliegen im jeweiligen Kontext zu prüfen und lösungsorientiert zu begleiten.