Online-Bewertungen und die Beweislast für Tatsachenbehauptungen
Bewertungen auf Online-Portalen besitzen für Unternehmen eine erhebliche Bedeutung, da sie direkten Einfluss auf das Vertrauen potenzieller Kunden und Geschäftspartner nehmen können. Dennoch ist das Recht auf freie Meinungsäußerung nicht grenzenlos. Aktuelle Entscheidungen der Rechtsprechung verdeutlichen, dass der Verfasser einer Bewertung, die auf Tatsachenbehauptungen basiert, diese im Streitfall belegen muss. Dies bestätigt eine aktuelle Entscheidung des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 12.07.2023 (Az.: 6 O 18/23), die essentielle Rechtsgrundsätze für das Spannungsfeld zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht herausarbeitet.
Zentrale Abgrenzung: Meinungsäußerung versus Tatsachenbehauptung
Meinungsäußerungen: Schutz durch das Grundgesetz
Das Grundrecht der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) schützt jede subjektive Wertung, die von der individuellen Sichtweise des Bewertenden geprägt ist. Solche Meinungsäußerungen bedürfen keiner Nachweisbarkeit, solange sie nicht die Grenze zur Schmähkritik oder Formalbeleidigung überschreiten. Typische Beispiele sind Formulierungen wie „Der Service hat mir nicht gefallen“, oder „Ich empfand die Wartezeit als unangemessen“. Diese Aussagen sind in einem weiten Rahmen zulässig, sofern sie keine unwahren Tatsachen unterstellen.
Tatsachenbehauptungen: Beweisbedarf und Grenzen
Davon abzugrenzen sind Tatsachenbehauptungen: Dabei handelt es sich um konkrete Angaben über Vorgänge oder Zustände, die dem Beweis durch objektive Mittel zugänglich sind. Im Bereich von Online-Bewertungen ist eine sorgfältige Differenzierung vielfach erforderlich, insbesondere dann, wenn der Bewertende schwerwiegende Vorwürfe – etwa fehlerhafte Leistungen oder unsachgemäßes Verhalten – äußert. Solche Aussagen sind nur zulässig, wenn sie auch wahrheitsgemäß und nachweisbar sind.
Die Beweislast für die Wahrheit trägt hierbei der Bewertende. Im Falle eines gerichtlichen Verfahrens muss er den Wahrheitsgehalt der beanstandeten Tatsachenbehauptung substantiiert darlegen und beweisen. Gelingt dies nicht, kann eine Unterlassungsverfügung ergehen.
Urteil des Landgerichts Frankenthal: Maßgebliche Rechtsgrundsätze
Sachverhalt des Verfahrens
Im vom LG Frankenthal entschiedenen Fall hatte ein Patient auf einem medizinischen Bewertungsportal eine Einrichtung mit der Aussage bewertet, die in Rede stehende Behandlung habe überhaupt nicht stattgefunden. Die Betreiberin der Einrichtung beanstandete diese Aussage als unwahr und forderte die Löschung der Bewertung.
Gerichtliche Maßstäbe und Entscheidungsgründe
Das Gericht stellte klar heraus, dass die betreffende Behauptung als Tatsachenmitteilung zu klassifizieren ist und somit deren Richtigkeit unter Beweis zu stellen ist. Da dem Bewertenden dieser Nachweis nicht gelang, bejahte das Landgericht einen Unterlassungsanspruch zugunsten der Klägerin.
Das Urteil hebt hervor, dass Bewertungsportale zwar dem Schutz der Meinungsfreiheit dienen, jedoch bei Tatsachenbehauptungen eine erhöhte Verantwortlichkeit des Autors besteht. Unternehmen und Personen dürfen unzutreffenden Behauptungen nicht schutzlos ausgesetzt sein. Dies gilt umso mehr, als negative Online-Bewertungen gravierende wirtschaftliche Implikationen entfalten können.
Bedeutung für die Praxis
Das Urteil unterstreicht die Rechtsposition von Unternehmen bei wahrheitswidrigen Bewertungen und stellt einen weiteren Baustein zum Schutz ihres geschäftlichen Ansehens dar. Gleichzeitig mahnt die Entscheidung zu sorgfältiger Differenzierung bei der Formulierung von Bewertungen: Wer einen konkreten Sachverhalt geltend macht, muss diesen im Streitfall gerichtsfest belegen können.
Abwägung zwischen Persönlichkeitsrecht und Kommunikationsfreiheit
Anforderungen an Verdachtsäußerungen
Gerade im Rahmen der sog. Verdachtsberichterstattung oder bei Bewertungen mit gemischt tatsächlichem und wertendem Gehalt ist besondere Vorsicht geboten. Verdachtsäußerungen, die sich nicht auf nachprüfbare Tatsachen stützen lassen, gelten rechtlich als unzulässig; der Bewertende muss im Einzelfall darlegen, dass er über den maßgeblichen Erfahrungshintergrund verfügt und den geäußerten Verdacht begründen konnte.
Schutzmechanismen für betroffene Unternehmen
Für Unternehmen empfiehlt sich eine strukturierte Überwachung der einschlägigen Bewertungsportale. Rasch eingeleitete Verfahren auf Unterlassung können im Falle unwahrer Tatsachenbehauptungen nicht nur das Unternehmensimage schützen, sondern auch präventiv weitere Persönlichkeitsverletzungen verhindern.
So bleibt sichergestellt, dass die Kommunikationsfreiheit im Internet nicht zum Freibrief für unwahre Vorwürfe wird, während zugleich die gebotenen Meinungsäußerungen weiterhin Bestand haben.
Fazit und weiterführende Fragestellungen
Die Entscheidung des LG Frankenthal verdeutlicht die differenzierten Rechtsgrundlagen für Online-Bewertungen: Während subjektive Meinungen weitgehend geschützt sind, unterliegen Tatsachenbehauptungen immer einer besonderen Sorgfalts- und Beweisanforderung. Die richtige Einordnung und Vorgehensweise hängt maßgeblich vom jeweiligen Einzelfall ab und kann insbesondere bei komplexen Sachverhalten rechtliche Spezialkenntnisse im IT-Recht erfordern.
Unternehmen, Investoren und vermögende Privatpersonen, die sich mit Fragen rund um Bewertungen, Portalhaftung oder den Schutz des eigenen wirtschaftlichen Rufs konfrontiert sehen, stehen oft vor anspruchsvollen rechtlichen Herausforderungen. Für eine maßgeschneiderte rechtliche Begleitung empfiehlt sich eine qualifizierte Rechtsberatung im IT-Recht, wie sie MTR Legal Rechtsanwälte auf internationalem Niveau anbietet.