Bedeutung der ungenehmigten Veröffentlichung von Wohnungsbildern für den Mieterschutz
Mit Urteil vom 26.05.2025 (Az: 4 S 159/24) hat das Landgericht Stuttgart entscheidend zur Frage Stellung genommen, ob das eigenmächtige Veröffentlichen von Innenaufnahmen einer vermieteten Wohnung im Internet durch den Vermieter einen Anspruch auf Schadensersatz für den Mieter begründen kann. Das Gericht bejahte einen solchen Anspruch und stellte damit erneut die Bedeutung des Schutzes der Privatsphäre im Mietverhältnis heraus.
Schutz der Privatsphäre in Mietverhältnissen
In einem laufenden Mietverhältnis verfügt der Mieter über das Hausrecht an der gemieteten Wohnung. Damit einher geht ein umfassender Schutz der Privatsphäre und der Unverletzlichkeit der Wohnung. Innenaufnahmen spiegeln oft private Lebensverhältnisse wider und enthalten Hinweise auf die Lebensgewohnheiten der Bewohner. Die Veröffentlichung derartiger Bilder im Internet, etwa auf Immobilienportalen, greift tief in das Persönlichkeitsrecht und die Privatsphäre ein.
Das Landgericht Stuttgart betonte in seiner Entscheidung, dass Vermieter für die Veröffentlichung solcher Aufnahmen zwingend die Zustimmung des Mieters benötigen. Eine eigenmächtige Veröffentlichung stellt eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts dar, die auch nach Beendigung des Mietverhältnisses fortbestehen kann.
Anspruch auf Schadensersatz und Bemessungskriterien
Neben dem Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch kann dem Mieter gemäß § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 1 und Art. 2 GG auch ein Anspruch auf immateriellen Schadensersatz zustehen. Voraussetzung ist, dass ein erheblicher Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht vorliegt. Bei einer Veröffentlichung, die für jedermann einsehbar ist, bejaht die Rechtsprechung in der Regel die Erheblichkeit dieser Beeinträchtigung.
Bei der Höhe des Schadensersatzes sind nach ständiger Rechtsprechung verschiedene Faktoren zu berücksichtigen. Dazu zählen unter anderem der Umfang und die Reichweite der Veröffentlichung, die erkennbaren Details der persönlichen Lebensgestaltung, der Zeitraum der Online-Präsenz sowie die Vorgehensweise und das Maß der Eigenmächtigkeit des Vermieters. Das Gericht kann den Schadensersatz dabei gemäß § 287 ZPO nach freiem Ermessen festsetzen.
Wesentliche Aspekte für Mietverhältnisse und Praxis
Grenze der Verwertungsrechte des Vermieters
Das Urteil verdeutlicht, dass der Vermieter weder während noch nach dem Mietverhältnis ohne ausdrückliche Zustimmung Aufnahmen aus der vermieteten Wohnung veröffentlichen oder für Vermarktungszwecke nutzen darf. Auch im Rahmen der Neuvermietung müssen Aufnahmen entfernt oder anderweitig anonymisiert werden, sofern keine Zustimmung vorliegt. Dieses sorgfältig austarierte Schutzkonzept dient dem Interessen- und Persönlichkeitsschutz der Mieter.
Bedeutung für die Immobilienwirtschaft
Für die Immobilienwirtschaft gewinnt das Urteil an Relevanz, da Innenaufnahmen mittlerweile routinemäßig für Inserate verwendet werden. Unternehmen und Privatvermieter sehen sich hier mit gesteigerten Anforderungen an Datenschutz und Persönlichkeitsrecht konfrontiert. Missachtet der Vermieter diese Rechte, drohen nicht nur Schadensersatzforderungen, sondern auch die Gefahr gerichtlicher Unterlassungsanordnungen.
Anspruchsdurchsetzung und Beweisfragen
Mieter, deren Rechte durch ungenehmigte Veröffentlichungen verletzt wurden, stehen nach der Entscheidung des Landgerichts verschiedene zivilrechtliche Ansprüche zur Verfügung. Für die erfolgreiche Anspruchsdurchsetzung sind Nachweise über die Veröffentlichung, Reichweite und Erkennbarkeit erforderlich. Die Entscheidung legt nahe, dass die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen und den Umfang der Beeinträchtigung beim Mieter liegt. Das Gericht kann allerdings unter Würdigung der Umstände und Beweislage Schadensersatzansprüche angemessen schätzen.
Fortbestehende Rechtsfragen und Haftung des Vermieters
Auch wenn das Urteil des Landgerichts Stuttgart eine weitgehende Klarstellung zur Anspruchsgrundlage und Rechtsfolge bietet, existieren im Einzelfall fortbestehende Unsicherheiten hinsichtlich der Bewertung der Erheblichkeit, der Reichweite der Veröffentlichung sowie der Zumutbarkeit von Löschungen und Anonymisierungen. Ferner kann im Zusammenhang mit DSGVO-relevanten Sachverhalten zusätzlich eine aufsichtsrechtliche Überprüfung der Verarbeitung personenbezogener Daten erforderlich werden.
Da das Urteil noch nicht rechtskräftig ist (Stand: Juni 2024), gilt die Unschuldsvermutung für die Parteien im Rahmen eines möglichen weiteren Verfahrens. Die Berichterstattung stützt sich auf öffentlich zugängliche Gerichtsentscheidungen, im konkreten Fall auf die Bewertung und Darstellung im Portal urteile.news.
Quellenhinweis
Die vorstehenden Ausführungen beruhen auf dem Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 26.05.2025 (Az: 4 S 159/24), nachzulesen bei