Sachverständiger erklärt: “Pfusch am Bau” führt nicht zu Befangenheit

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Sachverständigenaussagen und das Misstrauen gegen deren Unparteilichkeit – Eine vertiefte Betrachtung aktueller Rechtsprechung

Einordnung des Begriffs „Pfusch am Bau” im Kontext von Sachverständigengutachten

Im Zivilprozess ist der Sachverständige häufig eine Schlüsselfigur. Seine sachliche und objektive Bewertung von technischen und fachlichen Streitfragen legt oftmals das Fundament für die gerichtliche Entscheidungsfindung. Grundsätzlich unterliegen Sachverständige strengen Anforderungen an ihre Objektivität und Neutralität. Wird ihnen vorgeworfen, parteiisch zu agieren, können Verfahrensbeteiligte eine Befangenheit geltend machen. Besonders brisant wird dies, wenn die Wortwahl des Sachverständigen im Rahmen seines Gutachtens emotional gefärbt erscheint oder Umgangssprachliches wie „Pfusch am Bau” verwendet wird.

Aktuell hat das Oberlandesgericht Rostock (Beschluss vom 18.09.2020 – 4 W 30/20) zu beurteilen gehabt, ob die Verwendung des Begriffs „Pfusch am Bau” durch einen gerichtlichen Sachverständigen das Misstrauen in dessen Unparteilichkeit begründen kann. Zur Beurteilung stand die Frage, inwieweit Wertungen oder griffige Formulierungen in Gutachten die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen können.

Die maßgeblichen Grundsätze zur Ablehnung von Sachverständigen wegen Befangenheit

Das objektive Misstrauenspotenzial

Die Ablehnung eines Sachverständigen wegen Befangenheit (§ 406 Abs. 1 ZPO) ist kein Instrument, um unerwünschte oder nachteilig empfundene Gutachten zu entkräften. Entscheidend ist vielmehr, ob aus Sicht einer vernünftigen Partei unter Berücksichtigung aller Umstände ein gerechtfertigter Zweifel an der Unvoreingenommenheit und Neutralität des Sachverständigen entsteht. Die Schwelle hierfür ist hoch angesetzt: Objektiv nachvollziehbare Umstände, nicht lediglich subjektives Unbehagen, sind ausschlaggebend.

Wortwahl und Tonalität im gerichtlichen Gutachten

Im vorliegenden Fall monierte die Partei, dass die Formulierung „Pfusch am Bau” den Eindruck erwecke, der Sachverständige habe sich im Ergebnis innerlich festgelegt und den erforderlichen Abstand zum Streitfall verloren. Das OLG Rostock differenziert jedoch klar zwischen einer polemischen, unsachlichen Wortwahl als Indiz echter Parteilichkeit und der knappen, pointierten Umschreibung gravierender Ausführungsmängel. Dabei stützt sich das Gericht auf die Leitlinie, dass ein Sachverständiger auch deutliche, im Fachgebrauch übliche Begriffe verwenden darf, sofern diese durch objektive Anknüpfungstatsachen getragen sind.

OLG Rostock: „Pfusch am Bau” als sachbezogene Bewertung

Kontextualisierung der Beanstandung

Die Beurteilung des OLG Rostock erfolgte anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls. Der Sachverständige hatte in seinem Gutachten bauliche Mängel so gravierend bewertet, dass das von ihm gewählte Wort „Pfusch am Bau” eine prägnante Zusammenfassung der festgestellten handwerklichen Defizite darstellte. Das Gericht sah darin keine Grundsatzkritik an den Parteien, sondern vielmehr eine fachliche Einordnung des erkannten Ausführungsfehlers. Im Ergebnis vermochte die Formulierung keine Besorgnis der Befangenheit zu begründen.

Abgrenzung zu unzulässigen Werturteilen

Das Gericht betonte, dass scharfe, aber in der Sache begründete Kritik nicht mit unsachgemäßen Werturteilen verwechselt werden dürfe. Eine parteiliche Voreingenommenheit wäre anzunehmen, wenn der Sachverständige ohne hinreichenden Anlass pauschal abwertende oder beleidigende Begriffe nutzen würde. Hier jedoch konnte aus dem Gesamtzusammenhang des Gutachtens abgeleitet werden, dass die Bezeichnung „Pfusch am Bau” auf fundierte fachliche Feststellungen gestützt war.

Folgerungen für die Handhabung von Befangenheitsanträgen im Bauprozess

Konsequenzen für Streitigkeiten mit technischem Hintergrund

Die Entscheidung unterstreicht erneut, dass Streitigkeiten rund um Baumängel typischerweise von hoher emotionaler und wirtschaftlicher Tragweite sind und die objektive Beurteilung durch sachverständige Dritte häufig im Mittelpunkt steht. Gleichwohl verlangt das Verfahren, sich von allem persönlich oder finanziell motivierten Misstrauen abzukoppeln und nur eindeutig nachweisbare objektive Gründe anzuerkennen.

Präzisierung der Verfahrenssicherheit

Für Unternehmen, Investoren und Privatpersonen, die sich in baurechtlichen Auseinandersetzungen befinden, bedeutet diese Entscheidung ein gewisses Maß an Klarheit hinsichtlich der zu erwartenden Verfahrenssicherheit: Nicht jede deutliche oder umgangssprachliche Bemerkung des Sachverständigen stellt die Objektivität in Frage. Nur wenn diese in einen Zusammenhang gestellt wird, der die Subjektivität des Verfassers nahelegt, kann eine erfolgreich begründete Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit überhaupt in Betracht kommen.

Zusammenfassung und weiterführende Überlegungen

Die aktuelle Entscheidung des OLG Rostock verdeutlicht, dass die Wahl prägnanter fachlicher Begriffe im Sachverständigengutachten – selbst wenn diese sprachlich zugespitzt erscheinen – allein keinen Ablehnungsgrund im Sinne der Befangenheitstatbestände darstellen, sofern eine ausreichende fachliche Fundierung vorliegt. Daraus ergibt sich, dass die Schwelle für einen erfolgreichen Befangenheitsantrag gegen gerichtliche Sachverständige weiterhin hoch liegt. Unternehmen und Privaten wird nahegelegt, die Anforderungen an einen derartigen Antrag sorgfältig zu prüfen und die objektiven Kriterien im Blick zu behalten.

Sollten im Zusammenhang mit gerichtlichen Verfahren Unsicherheiten hinsichtlich der Unparteilichkeit von Sachverständigen, den Chancen und Risiken von Befangenheitsanträgen oder der strategischen Prozessführung entstehen, kann eine gründliche und unabhängige Beurteilung von erheblichem Vorteil sein. Bei weitergehenden Fragen zur konstruktiven Begleitung von Streit- und Gerichtsverfahren unterstützen Sie die Teams von MTR Legal mit ihrer langjährigen Erfahrung im Bereich Prozessführung umfassend und individuell.

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