Wissenschaftliche Integrität und arbeitsrechtliche Konsequenzen: Entscheidung des LAG Köln zur Kündigung einer Professorin an der Universität Bonn
Das Landesarbeitsgericht Köln hatte jüngst über einen besonders sensiblen Sachverhalt im Hochschulbereich zu entscheiden: Die Kündigung einer Hochschullehrerin der Universität Bonn wegen Plagiatsvorwürfen erweist sich nach der aktuellen Entscheidung aus arbeitsrechtlicher Sicht als rechtmäßig (Az. 10 SLa 289/24, Entscheidung vom 01.10.2025, Quelle: urteile.news).
Hintergrund: Plagiatsvorwürfe im Hochschulsektor
Plagiatsvorwürfe zählen zu den schwerwiegendsten Verstößen gegen die Grundprinzipien der Wissenschaft, da sie die akademische Redlichkeit und das Vertrauen in die Objektivität und Seriosität wissenschaftlicher Publikationen berühren. Im gegenständlichen Verfahren wurde einer Bonner Hochschulprofessorin vorgeworfen, wesentliche Teile wissenschaftlicher Artikel und anderer Veröffentlichungen ohne die gebotenen Quellenangaben übernommen zu haben. In Folge dessen leitete die Hochschule ein Verfahren zur Überprüfung der Vorwürfe ein und fasste – nach deren aus Sicht der Universität bestätigten Vorliegen – die Entscheidung zur außerordentlichen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses.
Rechtlicher Rahmen: Besonderheiten im Arbeitsverhältnis von Professoren
Das Arbeitsverhältnis einer Professorin an einer staatlichen Universität unterliegt besonderen Regelungen. Neben dem allgemeinen Arbeitsrecht greifen hochspezielle Vorschriften des Hochschul-, Dienst- sowie Beamtenrechts – insbesondere betreffend Tenure-Zusagen, das Vertrauensverhältnis zwischen Hochschule und Hochschullehrer sowie die Verpflichtung zur wahrheitsgemäßen Lehre und Forschung.
Eine außerordentliche (fristlose) Kündigung ist im Hochschulbereich – vergleichbar mit anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes – nur unter strengen Voraussetzungen zulässig. Zu den wichtigsten Kriterien zählen:
- Das Vorliegen eines so schwerwiegenden Pflichtverstoßes, dass eine Fortführung des Arbeitsverhältnisses für die Hochschule unzumutbar ist,
- die sorgfältige Prüfung und umfassende Ermittlung der Sachverhalte,
- die Berücksichtigung von Interessenabwägung sowie der Verhältnismäßigkeit.
Plagiate, die wissenschaftliche Standards massiv verletzen, können geeignet sein, die Vertrauensbasis irreparabel zu zerstören.
Entscheidungsgründe des LAG Köln
Das Landesarbeitsgericht Köln folgte der Bewertung des Arbeitsgerichts Bonn und bestätigte die Rechtmäßigkeit der ausgesprochene Kündigung.
Pflichtverletzung und Vertrauensverlust
Das Gericht würdigte die Pflichtverstöße als schwerwiegend und betonte die besondere Verantwortung, die Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer für die Sozialisation des akademischen Nachwuchses und die Sicherung der wissenschaftlichen Integrität haben. Die vorbehaltlose Übernahme fremder Leistungen als eigene unterlaufe nicht nur die Gepflogenheiten guter wissenschaftlicher Praxis, sondern beschädige auch das Ansehen der Hochschule. Gerade die Vorbildfunktion gegenüber Studierenden und Mitarbeitern gebiete eine besonders strikte Beachtung von Zitatstandards.
Interessenabwägung und Alternativen zur Kündigung
Das Gericht führte ausdrücklich aus, dass auch mildere arbeitsrechtliche Maßnahmen (wie etwa eine Abmahnung) nicht ausreichend erschienen, da die festgestellte Verletzung eine nachhaltige Störung des erforderlichen Vertrauensverhältnisses zur Folge habe. Die Universität könne in begründeten Fällen das Arbeitsverhältnis auch unabhängig von einer strafrechtlichen Würdigung beenden – die arbeitsrechtliche Bewertung sei eigenständig durchzuführen. Die Professorin habe es versäumt, entlastende Umstände oder nachvollziehbare Erklärungen für die Übernahmen fremder Texte vorzubringen.
Bedeutung der Einzelfallabwägung
Die Entscheidung unterstreicht die Notwendigkeit einer individuellen Würdigung jedes Einzelfalls. Das Gericht verwies darauf, dass Art und Umfang der übernommenen Textstellen sowie das Maß der bewussten Täuschung zu berücksichtigen seien. Im vorliegenden Fall sah das Gericht sämtliche Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung als erfüllt an.
Implikationen für Wissenschaft und Arbeitsrecht
Diese Entscheidung verdeutlicht, dass Hochschulen bei nachgewiesenen gravierenden Verstößen gegen wissenschaftliche Standards konsequent reagieren können und müssen. Zugleich betont sie den hohen Stellenwert, den Integrität, Transparenz und Vertrauenswürdigkeit im Umfeld von Wissenschaft und Lehre haben. Die arbeitsrechtliche Bewertung bleibt dabei stets eine Frage des konkreten Einzelfalls und verlangt die sorgfältige Interessenabwägung.
Quellen und Hinweise zu laufenden Verfahren
Im veröffentlichten Urteil werden keine Namensnennungen vorgenommen. Es gilt weiterhin die Unschuldsvermutung, solange nicht sämtliche rechtlichen Instanzen ausgeschöpft sind. Die Prozessbeteiligten haben grundsätzlich die Möglichkeit, gegen die getroffene Entscheidung weitere Rechtsmittel einzulegen.
Weitere Informationen zum Fall sind auf urteile.news abrufbar: LAG Köln, 10 SLa 289/24.
Kontaktaufnahme bei rechtlichen Fragestellungen
Für Wissenschaftseinrichtungen, Unternehmen oder Führungskräfte, die mit vergleichbaren Fragestellungen konfrontiert werden, können im Rahmen dieses sensiblen Themenfeldes vielfältige rechtliche Aspekte relevant werden. Die Anwältinnen und Anwälte von MTR Legal Rechtsanwälte stehen gerne für eine erste Kontaktaufnahme zur Verfügung und begleiten Mandanten umfassend bei entsprechenden Anliegen im Wissenschafts- und Arbeitsrecht.