Prozesskostenhilfe für Wohnungseigentümergemeinschaft nur bei nachgewiesener Bedürftigkeit

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Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe im Kontext der Wohnungseigentümergemeinschaft: Horizont und Konsequenzen der BGH-Rechtsprechung vom 30.06.2020

Die am 30.06.2020 ergangene Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Az.: V ZB 111/18) hat zu einer weitergehenden Klärung der Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe an Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) beigetragen. Die höchstrichterliche Feststellung, dass nicht nur die finanzielle Lage der Gemeinschaft, sondern darüber hinaus auch die der einzelnen Wohnungseigentümer auskunftsrelevant ist, hat dabei erhebliche praktische Implikationen. Im Folgenden werden die Grundzüge des Urteils, dessen Einordnung in den Kontext der WEG-Reform und speziell die sich daraus ergebenden Herausforderungen für betroffene Gemeinschaften und deren Vertretungen untersucht.

Hintergrund und Sachverhalt

Prozesskostenhilfe als grundlegendes Instrument

Prozesskostenhilfe (PKH) dient im deutschen Zivilprozessrecht der Verwirklichung des Rechtsstaatsprinzips, indem bedürftigen Antragstellern der Zugang zu Gerichten ermöglicht wird. Maßgeblicher Maßstab ist die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der antragstellenden Partei, um einem Ungleichgewicht bei der Rechtsdurchsetzung entgegenzuwirken. Während bei natürlichen Personen die Vermögenssituation klar im Vordergrund steht, wirft die Anwendung im Rahmen der WEG als teilrechtsfähige Gemeinschaft zahlreiche Abgrenzungsfragen auf.

Typische Prozesskonstellationen der Wohnungseigentümergemeinschaften

Wohnungseigentümergemeinschaften sind regelmäßig in gerichtliche Auseinandersetzungen involviert – etwa bei Beschlussanfechtungen, bei Streitigkeiten über die Geltendmachung von Rückständen oder bei Meinungsverschiedenheiten über die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums. Dabei ist häufig der Wirtschaftsplan der Gemeinschaft oder die Solidität einzelner Eigentümer ausschlaggebend für Prozessentwicklungen.

Im entschiedenen Fall wurde seitens der WEG Prozesskostenhilfe beantragt. Strittig war, ob lediglich die wirtschaftlichen Verhältnisse der Gemeinschaft für die Beurteilung heranzuziehen sind oder ob auch die persönliche finanzielle Situation der einzelnen Mitglieder berücksichtigt werden muss.

Kernaussagen und Begründungsstruktur des BGH

Duale Prüfung der Bedürftigkeit

Der BGH hat eindeutig festgelegt, dass die Bedürftigkeit im Sinne von § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO hinsichtlich beider Ebenen zu beurteilen ist: Zum einen bezüglich der Wohnungseigentümergemeinschaft, zum anderen hinsichtlich aller in ihr zusammengeschlossenen Eigentümer. Die Leistungskraft der Gemeinschaft allein genügt demnach nicht.

Diese Auslegung begründet der Senat insbesondere mit der übergeordneten Erwägung, dass die finanzielle Gesamtbelastung letztlich auf die einzelnen Wohnungseigentümer zurückfällt. Lediglich dann, wenn sowohl die Gemeinschaft aus den Rücklagen und verfügbaren Mitteln zur Prozessführung nicht imstande ist als auch keine ausreichenden Zahlungskapazitäten der einzelnen Mitglieder bestehen, ist der Zugang zu Prozesskostenhilfe zu gewähren.

Praktische Auswirkungen auf das Verfahren

In der Praxis ist die Antragstellerin – die WEG – gehalten, umfassende Angaben nicht nur über die eigenen Finanzen (Kontoauszüge, Rücklagennachweise, offene Forderungen), sondern auch über die Vermögens- und Einkommensverhältnisse sämtlicher Wohnungseigentümer beizubringen. Die dabei bestehende Mitwirkungspflicht erstreckt sich in zweiter Linie auf die Eigentümer selbst, sodass ein Antrag insgesamt unzulässig wird, wenn keine entsprechenden Nachweise vorgelegt werden.

Begründung mit Verweis auf Interessen der Gesamtheit

Zur Begründung verweist der BGH auf die Konstruktion der Wohnungseigentümergemeinschaft als Fremdorganschaft, die nach außen im eigenen Namen, im Innenverhältnis aber als Verband der individuellen Mitglieder agiert. Die Prozesskosten eines Rechtsstreits können damit letztlich durch eine Sonderumlage den einzelnen Wohnungseigentümern auferlegt werden. Daraus resultiert, dass die wirtschaftliche Mitwirkungs- und Darlegungspflicht letztlich im gemeinschaftlichen Interesse liegt.

Systematische Einordnung und rechtspolitische Konsequenzen

Auswirkungen auf die prozessuale Praxis

Die Entscheidung trägt dazu bei, dass die Beantragung von Prozesskostenhilfe durch WEGs in vielen Fällen mit einem erhöhten administrativen Aufwand verbunden ist. Insbesondere größere Gemeinschaften mit zahlreichen Mitgliedern sehen sich regelmäßig mit komplexen Datenabfragen und teils auch rechtlichen Hürden hinsichtlich der Einholung und Verarbeitung personenbezogener Finanzdaten konfrontiert.

Datenschutzrechtliche Herausforderungen

Die Notwendigkeit zur Auskunftserteilung kollidiert potenziell mit den datenschutzrechtlichen Schutzinteressen der Eigentümer. Zwar erfolgt die Verpflichtung zur Offenlegung im Rahmen gesetzlicher Mitwirkungserfordernisse, eine sorgfältige Handhabung und Zweckbegrenzung der Datenerhebung sind jedoch unerlässlich. Hier sind Verwalter und Gemeinschaften zur strikten Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorgaben verpflichtet. Dieses Spannungsfeld zwischen prozessualem Zwang und informationeller Selbstbestimmung ist weiterhin praxisrelevant und nicht abschließend geklärt.

Mögliche Risiken bei Nichtbeachtung der Rechtsprechung

Erfolgt die Antragstellung auf Prozesskostenhilfe ohne ordnungsgemäße Offenlegung der individuellen Verhältnisse sämtlicher Wohnungseigentümer, ist der Antrag regelmäßig unzulässig. Gemeinschaften riskieren in diesem Fall eine Ablehnung und damit eine erhebliche Kostenbelastung, sofern Gerichts- oder Anwaltskosten anderweitig nicht aufgebracht werden können. Gleichzeitig besteht auch die Möglichkeit, dass einzelne Eigentümer die Mitwirkung verweigern, was zu internen Spannungen im Verbandsverhältnis führen kann.

Bedeutung für die Verwaltung und Interessengruppen

Die Entscheidung des BGH bringt auch für die Rolle der Hausverwalter und die Organe der WEG neue Herausforderungen mit sich. Sie sind nunmehr gehalten, im Vorfeld gerichtlicher Auseinandersetzungen die betroffenen Mitglieder für die notwendige Auskunftserteilung zu sensibilisieren, um reibungslose Antragsverfahren zu ermöglichen.

Darüber hinaus wird die Stellung der Wohnungseigentümergemeinschaft im Prozess gestärkt, zugleich steigt jedoch die Verantwortung für ein geordnetes und transparentes Finanzmanagement innerhalb der Gemeinschaft.

Ausblick und Hinweise auf offene Fragen

Die BGH-Entscheidung leistet einen wesentlichen Beitrag zur Vereinheitlichung der Rechtsprechung, lässt aber gleichwohl bestimmte Anwendungsfragen offen – etwa zur konkreten Zumutbarkeit der Mitwirkungspflichten oder zu Sonderkonstellationen großer Gemeinschaften. Die konsequente Umsetzung der neuen Anforderungen wird die Prozesspraxis weiterhin intensiv beschäftigen.

Für Unternehmen, Investoren sowie vermögende Privatpersonen mit Immobilieninteressen in Deutschland ergibt sich hieraus ein erheblicher Regelungs- und Prüfungsbedarf hinsichtlich der Verfahrensabläufe bei Prozessbeteiligungen von Wohnungseigentümergemeinschaften.

Bei weitergehenden rechtlichen Fragestellungen rund um die prozessuale Durchsetzung von Ansprüchen empfiehlt es sich, professionelle Unterstützung einzuholen. Weitere Informationen zu den Beratungsleistungen im Bereich Prozessführung sind unter folgendem Link abrufbar: Prozessführung.

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