Entscheidung des OLG Frankfurt a.M.: Pflicht zur Angabe von E-Mail-Adresse oder Mobilnummer beim Bahnticketkauf nicht rechtmäßig
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat sich mit einer datenschutzrechtlich bedeutsamen Frage im Online-Ticketvertrieb der Deutschen Bahn befasst. Gegenstand des Verfahrens war die Praxis, beim Kauf eines Online-Tickets zwingend die Angabe einer E-Mail-Adresse oder einer Mobiltelefonnummer zu verlangen. Das Gericht erachtete die Vorgehensweise für unstatthaft und erklärte den damit verbundenen Zwang für unzulässig (OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 30.05.2024, Az.: 6 U 49/23, die Revision ist anhängig – Stand: Juni 2024. Quelle: juraforum.de).
Hintergrund des Verfahrens
Mit dem fortschreitenden Trend zur Digitalisierung werden personenbezogene Daten beim Erwerb von Fahrausweisen durch die Deutsche Bahn AG systematisch erhoben und verarbeitet. Insbesondere wird seit einiger Zeit beim Abschluss des Online-Ticketkaufs ein Account verlangt, für dessen Anlage zwingend mindestens eine E-Mail-Adresse oder alternativ eine Mobiltelefonnummer mitzuteilen war. Ein Erwerb von Tickets ohne Offenlegung solcher Kontaktdaten war ausgeschlossen.
Gegen diese Praxis wandte sich ein Verbraucherschutzverband. Gerügt wurde insbesondere, dass derartige Datenerhebungen ohne eine hinreichende Rechtsgrundlage erfolgten und eine unangemessene Benachteiligung von Verbrauchern darstellten.
Rechtliche Einordnung durch das OLG Frankfurt a.M.
Anforderungen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)
Die Erhebung personenbezogener Daten wie E-Mail-Adresse und Mobilnummer unterliegt den strikten Vorgaben der DSGVO. Nach Art. 6 Abs. 1 DSGVO dürfen Daten grundsätzlich nur verarbeitet werden, wenn dies zur Vertragserfüllung erforderlich ist oder eine Einwilligung des Betroffenen vorliegt. Das OLG Frankfurt a.M. betonte die Erforderlichkeit zur Zweckerreichung und die Notwendigkeit, die Datenerhebung auf das absolut Erforderliche zu beschränken (Grundsatz der Datenminimierung gem. Art. 5 Abs. 1 lit. c DSGVO).
E-Mail-Adresse und Mobilnummer nicht zwingend für Ticketkauf notwendig
Das OLG argumentierte, dass für den reinen Erwerb und die Kontrolle von Fahrkarten im Grundsatz weder eine E-Mail-Adresse noch eine Mobilnummer zwingend erforderlich sind. Auch eine papierhafte bzw. unmittelbare Online-Bereitstellung von Tickets sei technisch möglich, ohne dass hierfür zwangsweise Kontaktinformationen preisgegeben werden müssten. Insbesondere wurde die Erforderlichkeit der Datenerhebung mit Blick auf alternative Ticketzustellungen und Kontrollen kritisch hinterfragt.
Ein berechtigtes Interesse der Deutschen Bahn AG an einer generellen Datenverwendung wurde im konkreten Kontext nicht anerkannt. Vielmehr müsse der Ticketkauf auch anonym bzw. unter Verwendung auf ein Mindestmaß beschränkter Kontaktdaten möglich bleiben.
Unzulässigkeit der Kopplung von Ticketversand und Kontaktdaten
Der Zwang zur Angabe von Kontaktdaten wurde auch unter verbraucherschutzrechtlichen Aspekten als nicht zulässig bewertet. Das OLG stellte klar, dass eine Kopplung des Ticketkaufs an eine datenschutzrechtlich nicht erforderliche Angabe nicht mit geltendem Recht vereinbar ist. Dies betreffe insbesondere auch den Ausschluss alternativer Erwerbs- und Versandwege.
Bedeutung für Unternehmen im Ticketvertrieb und für Verbraucher
Auswirkungen auf digitale Geschäftsmodelle
Das Urteil des OLG Frankfurt a.M. hat weitreichende Implikationen für Unternehmen, die Online-Vertriebsmodelle mit verpflichtender Registrierung und Angabe von Kommunikationsdaten betreiben. Die Entscheidung verdeutlicht, dass Unternehmen datenschutzrechtliche Anforderungen sorgfältig prüfen und ihre Geschäftsprozesse an den Grundsätzen der Datenminimierung und Verhältnismäßigkeit ausrichten müssen.
Höhere Anforderungen an Gestaltung von Online-Services
Zu berücksichtigen ist, dass Verbraucher die Kontrolle über ihre personenbezogenen Daten behalten sollen und heimliche oder pauschale Datenerhebungen ohne rechtfertigenden Grund nicht akzeptiert werden. Innovative Vertriebswege wie Online-Ticketshops unterliegen damit einer erhöhten datenschutzrechtlichen Sensibilisierung.
Keine Rechtskraft – Weitere Entwicklung bleibt abzuwarten
Es ist hervorzuheben, dass gegen das Urteil die Revision beim Bundesgerichtshof zugelassen wurde. Die endgültige rechtliche Klärung steht somit noch aus. Bis zu einer abschließenden Entscheidung gilt die Unschuldsvermutung hinsichtlich der beanstandeten Unternehmenspraxis. Die weitere Entwicklung wird von Unternehmen und Verbrauchern mit großem Interesse zu verfolgen sein.
Relevanz für die unternehmerische Datenverarbeitung
Für unternehmerische Akteure und institutionelle Investoren ist die Entscheidung ein Signal, die Konformität bestehender Datenverarbeitungsvorgänge regelmäßig zu evaluieren und an die jeweils aktuelle Rechtslage sowie an die Rechtsprechung im Datenschutzbereich anzupassen. Zugleich verdeutlicht das Urteil, dass die Ausgestaltung vertraglicher Prozesse stets im Spannungsfeld zwischen Geschäftserfordernissen und den Rechten der Betroffenen abgewogen werden muss.
Weitergehende Fragestellungen zur datenschutzkonformen Ausgestaltung von E-Commerce- und digitalen Ticketlösungen oder die Einbindung alternativer Kommunikationswege sind Gegenstand laufender Rechtsentwicklung. Unternehmen und Organisationen profitieren von einer fachkundigen Einschätzung, insbesondere im internationalen Kontext und im Hinblick auf sektorspezifische Besonderheiten. Für eine vertiefte rechtliche Würdigung und individuelle Prüfung empfiehlt sich der Austausch mit im Datenschutzrecht erfahrenen Kanzleien – unter anderem bietet MTR Legal unter Rechtsberatung im Datenschutz fundierte Unterstützung und begleitet Mandanten bei der rechtssicheren Umsetzung ihrer Geschäftsmodelle.