Öffentliche Zustellung im internationalen Rechtsverkehr – Besonderheiten bei Klagen gegen chinesische Unternehmen
Die internationale Zustellung von Klagen stellt die Parteien im Zivilprozess vor erhebliche Herausforderungen, sobald die Gegenseite ihren Sitz im Ausland hat. Wenn sich das beklagte Unternehmen in der Volksrepublik China befindet, treten zusätzliche verfahrensrechtliche Hürden auf. Die Praxis der öffentlichen Zustellung gewinnt daher immer mehr an Bedeutung, wie eine aktuelle Entscheidung des Landgerichts Frankfurt am Main vom 7. Februar 2025 (Az. 2-06 O 426/24) verdeutlicht.
Internationale Zustellung: Verfahrensmechanismen und Hürden
Regelmäßige Zustellungswege
Ausgangspunkt für die gerichtliche Zustellung von Klagen mit Auslandsbezug ist die Anwendung internationaler Übereinkommen und nationalen Verfahrensrechts. Die Haager Zustellungsübereinkommen von 1965 (HZÜ) bildet dabei das maßgebliche Regelwerk, dem auch die Volksrepublik China angehört. Es regelt die Übermittlung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke ins Ausland und setzt die Benennung einer Zentralbehörde im Empfängerstaat voraus. Die deutsche Justiz hat hierfür festgelegte Abläufe: Übermittlung per Gericht, Einschaltung der deutschen Zentralstelle und Überführung in das ausländische Verfahren.
Praktische Schwierigkeiten mit China
Die eigentliche Herausforderung ergibt sich im Verhältnis zur Volksrepublik China: Dort sind die Verfahrensbedingungen für ausländische Rechtshilfeansuchen oftmals restriktiv ausgestaltet. Die chinesischen Behörden prüfen Zustellungsersuchen äußerst streng und verweigern in nicht wenigen Fällen die Mitwirkung. Das betrifft beispielsweise Situationen, in denen eine inländische Zustellung aus politischen oder inhaltlichen Gründen als unzulässig angesehen wird. Die Folge ist eine erhebliche Verzögerung des Verfahrens oder, wie häufig berichtet, eine Zustellung, die letztlich ins Leere läuft.
Öffentliche Zustellung als ultima ratio
Voraussetzungen und Verfahren
Scheitert die ordnungsgemäße Zustellung im Ausland oder erscheint sie aussichtslos, eröffnet die deutsche Zivilprozessordnung (ZPO) die Möglichkeit zur öffentlichen Zustellung gemäß § 185 ZPO. Vorrang hat allerdings stets der Versuch, die jeweils vorgesehenen internationalen Verfahren auszuschöpfen.
Im zugrundeliegenden Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main wurde die öffentliche Zustellung einer Klage gegen ein in China ansässiges Unternehmen angeordnet, nachdem die herkömmlichen Zustellungswege nachweislich ohne Ergebnis geblieben waren. Das Gericht stützte sich in seiner Entscheidung darauf, dass eine Zustellung nach den Regeln des HZÜ nicht erfolgversprechend war und auch ein weiterer Versuch keine höhere Erfolgsaussicht bot. Die erforderlichen Voraussetzungen der Erfolglosigkeit und Unzumutbarkeit einer anderweitigen Zustellung lagen somit vor.
Abwägung der prozessualen Interessen
Das Gericht hat im Einzelnen geprüft, ob eine öffentliche Zustellung im Sinne des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs sowie des fairen Verfahrens dennoch gerechtfertigt ist. Die Entscheidung macht deutlich, dass formelle Anforderungen und tatsächliche Gegebenheiten abgewogen werden müssen. Der Schutz des Beklagten vor einer „pro forma“-Zustellung wird dabei ebenso berücksichtigt wie das legitime Interesse des Klägers an der gerichtlichen Durchsetzung seiner Rechte. Die öffentliche Zustellung bleibt daher auf eine Ausnahmesituation beschränkt, in der eine rechtlich vorgesehene Zustellung nachweislich scheitert.
Rechtsfolgen der öffentlichen Zustellung im deutsch-chinesischen Kontext
Beginn von Fristen und Eintritt der Rechtskraft
Mit der öffentlichen Zustellung gilt das Schriftstück als zugestellt und setzt die prozessualen Fristen in Lauf, obwohl eine tatsächliche Kenntnisnahme durch den im Ausland befindlichen Beklagten in der Regel nicht gesichert ist. Im internationalen Kontext, insbesondere wenn das beklagte Unternehmen seinen Geschäftssitz in der Volksrepublik China hat, kann sich dies auf die tatsächliche Wahrnehmung der Verteidigungsrechte auswirken. Dies ist dem deutschen Gesetzgeber ebenso bewusst wie den Gerichten, weshalb die Zulässigkeit nur unter klar dokumentierten Umständen angenommen wird.
Anerkennung und Vollstreckung im Ausland
Ein weiteres Konfliktfeld besteht in der Frage, ob ein in Deutschland gegen ein chinesisches Unternehmen erwirktes Urteil in China anerkannt und vollstreckt werden kann. Die Umstände der öffentlichen Zustellung können im Einzelfall dazu führen, dass die chinesischen Behörden einer Anwendung des ausländischen Urteils widersprechen, falls sie die Gewährleistung prozessualer Rechte als nicht ausreichend erachtet sehen. Dies ist insbesondere zu beachten, wenn eine spätere Vollstreckung in China angestrebt wird.
Fazit und Ausblick
Die durch das Landgericht Frankfurt am Main getroffene Entscheidung unterstreicht die weiterhin bestehende Komplexität internationaler Rechtsdurchsetzung, insbesondere bei wirtschaftsrechtlichen Streitigkeiten mit Bezug zu China. Die Möglichkeiten der öffentlichen Zustellung eröffnen einen Weg, Rechtsschutz zu erreichen, bleiben allerdings an hohe Anforderungen gebunden. Maßgeblich ist stets, dass sämtliche zumutbaren und vorgesehenen Zustellungswege ausgeschöpft wurden und eine erneute Zustellung keinerlei Mehrwert erwarten lässt.
Die Entwicklung im internationalen Zustellungsrecht, gerade mit Blick auf die wirtschaftlichen Beziehungen zu Unternehmen in China, bleibt ein dynamisches Feld mit erheblichen prozessualen Besonderheiten. Es empfiehlt sich daher, bei grenzüberschreitenden Streitigkeiten und dazugehörigen Fragen zur Zustellung fachkundige Unterstützung in Betracht zu ziehen.
Für weitergehende Informationen und eine individuelle Einschätzung unterstützen Sie die Rechtsanwälte von MTR Legal bundesweit und international – stets unter Berücksichtigung der aktuellen Entwicklungen und der rechtlichen Rahmenbedingungen.