Entscheidung des OVG Rheinland-Pfalz: Verpflichtung zur Sperrung pornografischer Internetseiten durch Netzanbieter
Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (Az. 2 B 10575/25.OVG und 2 B 10576/25.OVG, Veröffentlichung vom 1. August 2025) befasste sich jüngst mit der Fragestellung, inwieweit Netzbetreiber verpflichtet sind, pornografische Angebote im Internet durch technische Sperrmaßnahmen zu blockieren, wenn keine zwingende Altersverifikation stattfindet. Die Problematik weist erhebliche rechtliche und praktische Relevanz auf – insbesondere für Unternehmen der digitalen Infrastruktur, Inhalteanbieter und Akteure des Vertriebes von Telemediendiensten.
Hintergrund der Verpflichtung zur Netzsperre
Gesetzliche Grundlagen und Jugendschutz
Zentral für die Entscheidung waren Bestimmungen des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages (JMStV) und das Telemediengesetz (TMG, inzwischen größtenteils durch das TTDSG abgelöst). Danach ist die Bereitstellung pornografischer Inhalte im Netz grundsätzlich nur dann zulässig, wenn wirksame technische Vorkehrungen zur Verhinderung des Zugriffs Minderjähriger vorgehalten werden. Missachtet ein Inhalteanbieter diese Vorgabe, kann sich eine Sperrverpflichtung für den Netzbetreiber aus § 7 Abs. 4 JMStV ergeben – allerdings greift diese nur als sog. subsidiäre Maßnahme, falls prioritäre Schritte gegen den eigentlichen Anbieter aussichtslos erscheinen.
Aktueller Anlass: Beanstandung von Websites ohne Alterskontrolle
Im vorliegenden Sachverhalt störte sich die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) daran, dass mehrere beliebte Internetseiten pornografische Werke ungeschützt anbieten, ohne einen effektiven Altersnachweis zu verlangen. Nachdem Maßnahmen gegen Inhalteanbieter ins Leere liefen – häufig aufgrund fehlender Zustellmöglichkeiten mit ausländischem Sitz – wurde ein Netzbetreiber zur Sperrung anwiesen.
Kernaspekte der OVG-Entscheidung
Subsidiarität und Zumutbarkeitspflichten
Das OVG Rheinland-Pfalz bestätigte, dass die Sperrverfügung rechtmäßig sei, sofern die Durchsetzung des Jugendschutzes gegenüber dem Primärverantwortlichen unmöglich geblieben ist. Die subsidiäre Verantwortlichkeit des Access-Providers beruht dabei auf der faktischen Möglichkeit, mittels DNS-Sperren den Zugang zu den rechtswidrigen Angeboten zu erschweren.
Allerdings stellte das Gericht klar, dass die Zumutbarkeit der Maßnahme zu prüfen ist. Zugangssperren müssen geeignet und erforderlich sein; gleichwohl wird nicht die völlige Unmöglichkeit des Zugriffs verlangt, sondern ein deutlich erschwerter Zugang. Umgehungslösungen mittels VPN oder alternativen DNS-Servern stehen der Pflicht zur Sperranordnung grundsätzlich nicht entgegen.
Abwägung mit Kommunikationsfreiheit und wirtschaftlichen Interessen
Zugleich unterstrich das OVG, dass die Anordnung einer Netzsperre tief in die Grundrechte eingreife – namentlich das Fernmeldegeheimnis sowie die unternehmerische Betätigungsfreiheit der Netzbetreiber. Eine sachgerechte Abwägung sei notwendig: Rechte der Angebotsnutzer, technische und wirtschaftliche Zumutbarkeit sowie das öffentliche Interesse am effektiven Schutz Minderjähriger vor entwicklungsbeeinträchtigenden Inhalten müssten in Ausgleich gebracht werden.
Technische und tatsächliche Reichweite der Sperren
Die Entscheidung befasst sich auch mit der technischen Wirksamkeit und Verhältnismäßigkeit von DNS-Sperren. Das OVG erkennt an, dass diese keine absolute Blockade bewirken, sondern eine Hürde darstellen. Gleichwohl hat der Netzbetreiber dafür Sorge zu tragen, dass die Sperranordnung im Rahmen technisch verfügbarer Möglichkeiten umgesetzt wird.
Bedeutung für die Praxis der Telekommunikations- und Internetwirtschaft
Konsequenzen für Access-Provider und Inhalteplattformen
Die Entscheidung markiert eine deutliche Klarstellung der Verantwortlichkeit von Access-Providern im Spannungsfeld zwischen Jugendschutz und Netzneutralität. Unternehmen sind gehalten, interne Prozesse sowie technische Infrastruktur laufend auf Compliance mit regulatorischen Vorgaben zum Schutz Minderjähriger zu überprüfen. Plattformanbieter und Distributoren von Telemediendiensten – insbesondere mit internationalem Bezug – müssen berücksichtigen, dass eine fehlende Altersprüfung ihrer Angebote mittelbar zu Eingriffen in den Zugang auf Netzebene führen kann.
Internationale Herausforderungen und Kooperation
Gerade bei weltweit agierenden Inhalteanbietern entstehen zusätzliche Hürden, da Behörden auf eine effektive Rechtsdurchsetzung im Ausland oftmals wenig Einfluss haben. Die subsidiäre Inanspruchnahme von Zugangsvermittlern ist vor diesem Hintergrund Ausdruck eines regulatorischen Pragmatismus – birgt jedoch Risiken in Bezug auf technische Effizienz, Wirtschaftlichkeit und innovationsfreundliche Rahmenbedingungen.
Fortbestehende Rechtsfragen und laufende Verfahren
Es bleibt festzuhalten, dass gegenwärtig die dogmatische Einbettung und praktische Umsetzung von Netzsperren weiterhin Gegenstand rechtspolitischer und technischer Diskussionen ist. Auch ist die rechtliche Bewertung der Zumutbarkeitsgrenzen und möglicher Alternativlösungen nicht abschließend geklärt. Neue Entwicklungen im europäischen Recht, insbesondere mit Blick auf Digital Services Act und verwandte Verordnungen, könnten die Lage nachhaltig beeinflussen.
Weiterführender Beratungsbedarf im Bereich IT- und Plattformregulierung
Für unternehmerisch tätige Mandanten aus der Digitalwirtschaft ist eine tiefgehende Auseinandersetzung mit den Erfordernissen der Plattform- und Zugangskontrolle ebenso geboten wie eine jederzeit aktuelle Bewertung regulatorischer Risiken. Wer im Umfeld von Telemediendiensten, E-Commerce oder der Internet-Infrastruktur tätig ist, sieht sich komplexen Anforderungen gegenüber, die neben nationalen Vorgaben auch internationale Rechtslagen reflektieren müssen.
Für alle Akteurinnen und Akteure, die rechtlichen Gesprächsbedarf im Zusammenhang mit Netzsperren, Plattformregulierung und weiteren Fragen an die Verantwortlichkeit in der digitalen Infrastruktur sehen, empfiehlt sich die Inanspruchnahme einer qualifizierten Rechtsberatung im IT-Recht. Weitere Informationen finden Sie unter Rechtsberatung im IT-Recht.