Musik im Pizzaliefer-Shop: Keine Urheberrechtsverletzung

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Musikbeschallung im Verkaufsraum: Umfang und Grenzen der öffentlichen Wiedergabe aus urheberrechtlicher Sicht

Die Frage, ob die Wiedergabe von Musik im Verkaufsraum eines Pizzalieferservice eine Verletzung von Urheberrechten darstellt, ist Gegenstand einer aktuellen Entscheidung des Amtsgerichts Frankfurt am Main (Urt. v. 17.08.2022, Az.: 32 C 1565/22 (90)). Das Gericht hatte darüber zu befinden, ob das Abspielen von Musik im Kassenbereich eines gastronomischen Lieferbetriebs eine „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne des Urheberrechtsgesetzes darstellt und damit eine Vergütungspflicht nach § 15 Abs. 3 UrhG gegenüber Verwertungsgesellschaften auslöst. Die nachfolgende Auswertung beleuchtet die rechtlichen Hintergründe, die Einordnung des Begriffs der „Öffentlichkeit“ sowie die Relevanz für die unternehmerische Praxis.

Rahmenbedingungen des Falls

Sachverhalt und Streitstand

Im Zentrum des Rechtsstreits stand das Abspielen von Hintergrundmusik innerhalb des für Kunden zugänglichen Thekenbereichs eines Pizzabetriebs, bei dem der weit überwiegende Anteil der Bestellungen telefonisch oder online eingeht. Das Musikangebot diente vorrangig der akustischen Untermalung im Rahmen kurzer persönlicher Kontakte – etwa bei der Abholung oder Zahlung von Speisen. Die Verwertungsgesellschaft machte geltend, dadurch finde eine öffentliche Wiedergabe geschützter Werke statt, welche einer entsprechenden Lizenzierung und Vergütung bedürfe.

Die relevante urheberrechtliche Norm

Die öffentliche Wiedergabe gemäß § 15 Abs. 3 UrhG stellt das Recht des Urhebers sicher, die Nutzung seiner Werke gegenüber einer „Öffentlichkeit“, d. h. einer Mehrzahl von Personen außerhalb eines engen persönlichen Kreises, exklusiv zu gestatten oder zu versagen. Eine Verletzungshandlung liegt dann vor, wenn ein Werk ohne entsprechende Erlaubnis einem nicht bestimmten Personenkreis zugänglich gemacht wird.

Juristische Einordnung: „Öffentliche Wiedergabe“ im Kontext von Betrieben

Begriff der Öffentlichkeit und europarechtlicher Hintergrund

Der Gesetzgeber und die Rechtsprechung orientieren sich für die Auslegung des Begriffs „Öffentlichkeit“ an unionsrechtlichen Vorgaben des Artikels 3 der Richtlinie 2001/29/EG (InfoSoc-Richtlinie). Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 15.3.2012, C-135/10, SCF Consorzio Fonografici), ist entscheidend, ob eine nicht bestimmbare Mehrzahl von Personen mit der Nutzung angesprochen wird und dies zu kommerziellen Zwecken geschieht. Für gastronomische Betriebe ist anerkannt, dass die Wiedergabe von Musik für Gäste grundsätzlich als öffentlich zu qualifizieren ist, sofern diese einen relevanten wirtschaftlichen Nutzen darstellt und für eine nicht definierte Allgemeinheit bestimmt ist.

Abgrenzung: Interne Nutzung versus Außendarstellung

Im vorliegenden Fall war zu beurteilen, ob die wenigen, meist kurzzeitigen Kundenkontakte im Kassenbereich bereits eine „Öffentlichkeit“ im urheberrechtlichen Sinne repräsentieren. Das Amtsgericht Frankfurt am Main differenzierte danach, ob sich der Personenkreis, dem die Musik zugänglich gemacht wird, von einem privaten Kreis abhebt und ob ein spürbarer Vorteil für das Geschäft entsteht. Da der Betrieb primär auf die telefonische oder digitale Entgegennahme von Bestellungen ausgerichtet ist und persönliche Kundenkontakte im öffentlichen Raum auf ein absolutes Minimum beschränkt sind, erkannte das Gericht keinen wirtschaftlich relevanten oder auf die Allgemeinheit bezogenen Vorteil durch die Musikbeschallung.

Maßgebliche Urteilsgründe

Das Gericht stellte klar, dass sich der Personenkreis, der die Musik wahrnehmen kann, auf einen engen Rahmen beschränkt. Insbesondere bleibt der Zugang auf Personen mit unmittelbarem Bezug zum Geschäftsbetrieb – wie Abholer einzelner Bestellungen – limitiert. In Abgrenzung zu Gaststätten oder Cafés, in denen Musik zur gezielten Kundenbindung und Aufenthaltsverlängerung genutzt wird, spielt die musikalische Untermalung bei Liefer- oder Abholdiensten eine untergeordnete, regelmäßig vernachlässigbare Rolle für das Geschäftsmodell. Von daher wurde eine lizenzpflichtige öffentliche Wiedergabe verneint.

Praxisauswirkungen und Abgrenzungsfragen

Relevanz für Unternehmen im Gastronomiebereich

Die Entscheidung konkretisiert die Voraussetzungen, unter denen bestimmte Nutzungsformen von Musik im Einzelhandel oder der Gastronomie als urheberrechtlich relevante öffentliche Wiedergabe eingestuft werden können. Sie verdeutlicht, dass nicht jede Form der Hintergrundbeschallung zwangsläufig eine Vergütungspflicht auslöst. Entscheidend ist die tatsächliche Ausgestaltung des Betriebskonzepts und der Umfang des Kundenkontakts, wobei nach wirtschaftlicher Bedeutung und nach Reichweite der Wahrnehmbarkeit abzugrenzen ist.

Differenzierung nach Nutzungsszenarien

Das Urteil dürfte insbesondere dann relevant sein, wenn Unternehmen hybride Geschäftsmodelle verfolgen oder auf unterschiedliche Vertriebswege (Vor-Ort-Geschäft, Lieferung, Abholung) setzen. Bereits geringe Veränderungen in den Betriebsabläufen – etwa die Umwandlung eines Lieferbetriebs in einen Imbiss mit Verzehrbereich – können eine abweichende rechtliche Bewertung nach sich ziehen. Eine genaue Analyse des Verkehrs an Endkunden und des geschäftlichen Schwerpunkts ist daher unabdingbar.

Bedeutung für das Kollektivrecht der Verwertungsgesellschaften

Zugleich rückt das Urteil die Bedeutung der Verwertungsgesellschaften und der Systematik kollektiver Rechtewahrnehmung in den Fokus. Die Rechteinhaber sind auf die wirksame Lizenzierung der öffentlichen Nutzung ihrer Werke angewiesen. Eine restriktive Auslegung des Öffentlichkeitsbegriffs kann Auswirkungen auf die Einnahmenströme der Verwertungsgesellschaften haben, weshalb Auseinandersetzungen auf diesem Gebiet weiterhin zu erwarten sind.

Rechtsschutz und rechtliche Einordnung

Die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen sind für vergleichbare Sachverhalte im Bereich der urheberrechtlichen öffentlichen Wiedergabe zu berücksichtigen. Es handelt sich jedoch stets um eine einzelfallbezogene Prüfung, bei der betriebliche Besonderheiten maßgeblich sind. Sofern vergleichbare Rechtsfragen offen oder streitig sind, ist auf die Unschuldsvermutung und die Besonderheiten der Einzelfallabwägung hinzuweisen.

Unternehmen, Investoren sowie vermögende Privatpersonen, die rechtliche Fragestellungen rund um die Nutzung von Musik und anderen urheberrechtlich geschützten Werken im eigenen Geschäftsbetrieb haben, können sich weiterführend über die Möglichkeiten einer kompetenten Rechtsberatung im Urheberrecht informieren. Nähere Hinweise sowie die Möglichkeit zur Kontaktaufnahme finden Sie auf der Seite für Rechtsberatung im Urheberrecht.

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