Mietvertrag und Schadensersatzklausel bei Wohnungsverkauf prüfen

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Unzulässiger Schadensersatzverzicht im Zusammenhang mit verzögertem Wohnungsverkauf: Entscheidung des AG Hanau

Die rechtliche Wirksamkeit von Vereinbarungen zwischen Parteien im Kontext eines Immobilienerwerbs kann mit erheblichen Fallstricken verbunden sein. Dies zeigt die aktuelle Entscheidung des Amtsgerichts Hanau (Az.: 32 C 243/21), das sich mit der Frage der Sittenwidrigkeit von kombinierten Mietverträgen und umfassenden Schadensersatzverzichten im Zusammenhang mit einem verzögerten Wohnungsverkauf auseinandergesetzt hat. Die Entscheidung beleuchtet insbesondere das Spannungsverhältnis zwischen Vertragsfreiheit und den Schranken der Sittenwidrigkeit gemäß § 138 BGB.

Verlauf der Vertragsbeziehung und Streitgegenstand

Im Mittelpunkt stand der Verkauf einer Wohnung, in dessen Vorbereitung der bislang dort wohnende Verkäufer und der potentielle Erwerber einen Mietvertrag abschlossen, der auf die Zeit bis zur geplanten Eigentumsumschreibung beschränkt war. Im Mietvertrag fanden sich darüber hinaus vertragliche Bestimmungen, wonach auf sämtliche Ansprüche – insbesondere aus etwaigen Verzögerungen der Eigentumsumschreibung – ausdrücklich verzichtet wird. Nachdem der Eigentumsübergang verweilt und eine erhebliche Verzögerung auf Seiten des Verkäufers eingetreten war, machte der zukünftige Erwerber gegenüber dem ehemaligen Eigentümer Schadensersatzansprüche geltend, etwa für entgangene Nutzungsmöglichkeiten und entstandene Kosten.

Zentral im Streit war nicht allein die berechtigte Erwartung des Wohnungserwerbers auf zeitnahen Vollzug des Kaufvertrags, sondern vor allem die Frage, ob der vertraglich vereinbarte umfassende Schadensersatzverzicht wirksam und damit rechtlich durchsetzbar sein konnte.

Sittenwidrigkeit von kombinierten Mietverträgen und Haftungsausschlüssen

Grenzen vertraglicher Gestaltungsfreiheit

Das Amtsgericht Hanau stellte zunächst klar, dass die private Gestaltungsfreiheit – insbesondere bei der Ausgestaltung mietvertraglicher Beziehungen im Rahmen eines Immobilienerwerbs – zwar grundsätzlich weit reicht. Die Vertragsparteien können Absprachen zu Übergabezeitpunkten oder der Nutzungsmöglichkeit der Immobilie nach freiem Ermessen treffen.

Allerdings ist die Vertragsfreiheit beschränkt, wenn Abreden gegen die guten Sitten im Sinne von § 138 BGB verstoßen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn durch eine Vertragsgestaltung ein Vertragspartner strukturell unangemessen benachteiligt wird oder die bestehende Vertragsparität erheblich gestört wird.

Bewertung des Schadensersatzverzichts

Konzeptionell verbot das Gericht, dass ein Vertragspartner im Rahmen eines nur vorübergehenden Mietverhältnisses im Kontext eines beabsichtigten Erwerbs der Immobilie auf sämtliche Schadensersatzansprüche im Vorfeld verzichten müsse. Gerade in Fällen, in denen nachvertragliche Pflichten – etwa die rechtliche und tatsächliche Eigentumsübertragung – über einen längeren, vom Erwerber nicht übersehbaren Zeitraum hinaus offenbleiben, könne ein uneingeschränkter Verzicht nicht aufrechterhalten werden.

Das Gericht sah insbesondere, dass eine solche Abrede in der Praxis zu einer erheblichen Verschiebung des wirtschaftlichen Risikos auf die Seite des Erwerbers führt. Dem zukünftigen Wohnungseigentümer würde die Durchsetzung berechtigter Ersatzansprüche selbst bei groben Pflichtverletzungen – etwa mutwilligen oder nicht gerechtfertigten Verzögerungen der Eigentumsumschreibung – unmöglich gemacht.

Entscheidend argumentierte das Gericht, dass bei einer derart einseitigen Lastenverteilung nicht mehr von einer interessengerechten Ausübung der vertraglichen Gestaltungsfreiheit auszugehen sei. Insbesondere werde der Erwerber in eine Position gebracht, in der er auf essentielle Rechte verzichten müsse, die einen wirksamen Schutz vor Vertragspflichtverletzungen bieten sollen. Das Gericht qualifizierte die Regelung daher als sittenwidrig und damit gemäß § 138 BGB als nichtig.

Schutzgedanke und Rechtsprechung

Durch die Feststellung der Nichtigkeit wollte das Gericht den Grundsatz wahren, wonach keine Partei systematisch benachteiligt oder in ihrer wirtschaftlichen Stellung unangemessen benachteiligt werden darf. Die Entscheidung steht im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung, welche einem vollständigen Haftungsausschluss für künftige Pflichtverletzungen, insbesondere solchen, die schwer wiegenden wirtschaftlichen Schaden nach sich ziehen könnten, regelmäßig eine Absage erteilt.

Das Urteil stärkt insgesamt die Position von Erwerbern, verdeutlicht aber ebenso die Relevanz sensibler Vertragsgestaltung rund um den Eigentumsübergang bei Immobilien.

Bedeutung für die Vertragsgestaltung beim Immobilienerwerb

Vertragliche Komplexität bei Käuferverträgen

Das Urteil führt eindrucksvoll vor Augen, dass bei komplexen Vertragskonstruktionen im Rahmen des Immobilienerwerbs – namentlich beim Zusammenspiel aus Grundstückskaufvertrag und kurzfristigen Miet- oder Nutzungsabreden – große rechtliche Sorgfalt geboten ist. Bereits geringfügige Formulierungs- oder Gestaltungsfehler in Nebenabreden können zur Unwirksamkeit führen und ein wirtschaftliches Risiko für beide Parteien bedeuten.

Anforderungen an Schadensersatzklauseln

Vor der Vereinbarung von Schadensersatzverzichten im Zusammenhang mit verzögerter Eigentumsübertragung ist eine genaue Abwägung der gegenseitigen Interessen sowie der gesetzlichen Schutzmechanismen erforderlich. Es empfiehlt sich, Einzelheiten zur Kompensation bei Verzögerungen oder Störungen klar und ausgewogen zu regeln, ohne einen Vertragsteil gänzlich unangemessen zu benachteiligen.

Ausblick und rechtlicher Kontext

Die Entscheidung des Amtsgerichts Hanau unterstreicht, dass umfassende pauschale Haftungsausschlüsse für zukünftige Pflichtverletzungen, insbesondere in zeitkritischen Konstellationen wie beim Erwerb und Übergang von Wohneigentum, höchst risikobehaftet und regelmäßig rechtlich angreifbar sind.

Gerade in Anbetracht der häufigen Überschneidung komplexer schuldrechtlicher Verpflichtungen beim Immobilienverkauf – etwa durch vorübergehende Mietverhältnisse oder Zwischenfinanzierungen – empfiehlt es sich, die jeweiligen Vertragsklauseln regelmäßig auf ihre rechtliche Belastbarkeit und Angemessenheit zu überprüfen.

Die vollständige Entscheidung und weitere Hintergründe können auf der Seite urteile.news (Aktenzeichen 32 C 243/21) eingesehen werden.


Für Unternehmen, Investoren und vermögende Privatpersonen, die mit Fragen zur Vertragsgestaltung, Haftungsausschlüssen oder zur rechtlichen Risikoallokation bei Immobiliengeschäften konfrontiert sind, kann eine fundierte und umfassende Analyse maßgeblich zur Risikoreduzierung beitragen. Die Rechtsanwälte bei MTR Legal stehen gerne für eine Beratung zur Verfügung.

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