Lebzeitige Wohnungsübertragung und Ausgleichspflicht bei Pflichtteil

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Lebzeitige Übertragungen von Immobilien und ihre Auswirkungen auf den Pflichtteilsanspruch

Die lebzeitige Übertragung von Immobilien innerhalb der Familie wirft häufig komplexe Fragen im Hinblick auf Pflichtteilsansprüche nach dem Ableben des Übertragenden auf. Eine differenzierte Betrachtung aktueller Rechtsprechung, insbesondere auch des Urteils des Landgerichts Coburg vom 21. Dezember 2007 (Az.: 14 O 522/06), führt zu einer vertieften Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen, unter denen eine Anrechnung auf den Pflichtteilspflichtigen erfolgt und welche Folgen sich daraus im Erbfall ergeben können.

Rechtliche Grundlagen: Pflichtteilsrecht und Schenkungen zu Lebzeiten

Der Pflichtteil und dessen Sicherung

Nach deutschem Erbrecht steht bestimmten nahen Angehörigen des Erblassers – den sogenannten Pflichtteilsberechtigten – auch dann ein Mindestanspruch auf den Nachlass zu, wenn sie durch letztwillige Verfügung nicht oder nur zu einem geringeren Anteil bedacht wurden. Dieser Pflichtteil bezieht sich grundsätzlich auf den Bestand des Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls, § 2311 BGB.

Schenkungen und ihre Berücksichtigung

Lebzeitige Zuwendungen des Erblassers werden nach § 2325 BGB (Pflichtteilsergänzungsanspruch) unter bestimmten Voraussetzungen berücksichtigt. Besteht eine Pflichtteilsberechtigung, so können Schenkungen, die der Erblasser innerhalb von zehn Jahren vor seinem Tod vorgenommen hat, den Pflichtteilsergänzungsanspruch der Berechtigten erhöhen. Die Behandlung von unentgeltlichen Übertragungen von Immobilien – nicht selten der Familienwohnsitz – bildet hierbei einen Schwerpunkt der gerichtlichen und außergerichtlichen Auseinandersetzung.

Maßgebliche Fragestellung: Wann löst die Übertragung eines Wohnanwesens eine Ausgleichspflicht aus?

Streitgegenstand und Entscheidungsgründe des LG Coburg

Im Verfahren vor dem Landgericht Coburg (Az.: 14 O 522/06) war zu klären, ob die lebzeitige Übertragung eines Wohnanwesens durch die Erblasserin auf eines ihrer Kinder nach ihrem Tod zu einer Ausgleichspflicht gegenüber den Pflichtteilsberechtigten führt. Streitentscheidend war, ob die Übertragung tatsächlich als Schenkung im Sinne des § 2325 BGB zu qualifizieren war und ob gegebenenfalls ein Pflichtteilsergänzungsanspruch besteht.

Das Landgericht lehnte im konkreten Fall eine Ausgleichspflicht ab und stellte darauf ab, dass keine unentgeltliche Schenkung, sondern eine gemischte Schenkung mit Gegenleistungen vorlag. Insbesondere betonte das Gericht, dass beachtliche Pflegeleistungen und andere im Übertragungsvertrag vereinbarte Pflichten der Übertragungsempfängerin zu einer werthaltigen Gegenleistung führten, die den Charakter einer Schenkung entfallen ließen.

Wirtschaftlicher Wert der Gegenleistungen

Für die Qualifikation einer Übertragung als Schenkung im Rahmen des Pflichtteilsergänzungsrechts ist entscheidend, inwieweit tatsächlich eine Vermögensminderung ohne entsprechende Gegenleistung vorliegt. Erbringen die Empfänger von Vermögenswerten substanzielle Gegenleistungen, wie beispielsweise die Übernahme der Pflege des Erblassers, Wohnrechtsgewährung oder andere Versorgungsverpflichtungen, vermindert dies den schenkungsfähigen Überschuss.

Zu prüfen ist stets, ob die vereinbarten Gegenleistungen dem objektiven Wert der übertragenen Immobilie entsprechen oder lediglich einen Teilwert abdecken. Übersteigt der Wert der Gegenleistung den Wert der Immobilie oder steht diesem zumindest gleich, entfällt in der Regel der Charakter der Schenkung und damit die Pflichtteilsergänzung.

Die Rolle des Nießbrauchs und Wohnrechts

Übertragungs- und Schenkungsverträge enthalten häufig Vorbehalte wie Nießbrauchsrechte oder Wohnrechte zugunsten des Übertragenden. Auch der Wert solcher Rechte ist bei der Bewertung der unentgeltlichen Zuwendung im Kontext der Pflichtteilsergänzung zu berücksichtigen. Die komplexe Bewertung und Berücksichtigung dieser Rechte kann im Einzelfall das Ergebnis der Anrechnung maßgeblich beeinflussen.

Besondere Herausforderungen bei Familienimmobilien

Familieninterne Besonderheiten

Gerade bei der Übertragung von im Familienbesitz befindlichen Wohnimmobilien sind neben rein wirtschaftlichen Aspekten oftmals auch familiäre Erwägungen und Generationengerechtigkeit zu berücksichtigen. Im Einzelfall können persönliche Verpflichtungen, wie die Betreuung des Erblassers oder die Sicherstellung des Familienstammsitzes, eine gewichtige Rolle spielen.

Zeitliche Dimensionen und rechtliche Folgen

Eine Besonderheit des Pflichtteilsergänzungsanspruchs ist dessen eingeschränkte zeitliche Wirksamkeit: Schenkungen, die länger als zehn Jahre vor dem Erbfall erfolgten, bleiben außer Ansatz (§ 2325 Abs. 3 BGB). Allerdings beginnt die Frist bei bestimmten Gestaltungen – wie der Vorbehalt umfangreicher Nutzungsrechte am übertragenden Objekt – nicht zu laufen, solange der Übertragende sich die wirtschaftliche Verfügungsgewalt vorbehält.

Ausblick auf die aktuelle Rechtsentwicklung

Das Urteil des Landgerichts Coburg ist im Kontext einer stetig fortentwickelten Rechtsprechung zum Pflichtteilsrecht und der Behandlung lebzeitiger Immobilienübertragungen zu sehen. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellt dabei im internationalen Erbrecht und bei grenzüberschreitenden Konstellationen regelmäßig nochmals gesteigerte Anforderungen an die Tragweite und Bewertung von Schenkungen und Gegenleistungen.

In noch nicht abgeschlossenen oder strittigen Verfahren ist das Ergebnis stets abhängig vom konkreten Einzelfall und der gerichtlichen Würdigung aller maßgeblichen Umstände. Es gilt die Unschuldsvermutung und die Berücksichtigung aller relevanten Aspekte.

Abschließende Hinweise

Das Erbrecht und insbesondere die Pflichtteilsergänzung im Zusammenhang mit lebzeitigen Übertragungen von Familienimmobilien erfordern eine individuelle, präzise Prüfung der zivilrechtlichen und wirtschaftlichen Aspekte. Für vermögende Privatpersonen, Unternehmen und Investoren mit erbrechtlichen Fragestellungen empfiehlt sich vor dem Hintergrund der vielfältigen rechtlichen Fallstricke ein strukturierter und fachlich fundierter Beratungsansatz – eine Möglichkeit hierzu bietet MTR Legal unter dem Bereich Rechtsberatung im Erbrecht.

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