Kurzfristige Verpachtung von Stall und Kuhherde zur Milchabgabe vermeiden

News  >  Intern  >  Kurzfristige Verpachtung von Stall und Kuhherde zur Milchabgabe vermeiden

Arbeitsrecht-Anwalt-Rechtsanwalt-Kanzlei-MTR Legal Attorneys
Steuerrecht-Anwalt-Rechtsanwalt-Kanzlei-MTR Legal Attorneys
Home-Anwalt-Rechtsanwalt-Kanzlei-MTR Legal Rechtsanwälte
Arbeitsrecht-Anwalt-Rechtsanwalt-Kanzlei-MTR Legal Attorneys

Hintergrund zur Milchabgabe im Kontext des Milchquotenrechts

Mit der Einführung und Ausgestaltung der Milchquote verfolgte der Gesetzgeber der Europäischen Union das Ziel, die Milchproduktion innerhalb der Mitgliedstaaten zu regulieren und Überschüsse durch eine mengenmäßige Limitierung einzudämmen. Diese Milchquote war eng an die Produktionsmengen eines Betriebs gebunden. Wurde die jeweilige Quote überschritten, fiel eine sogenannte Milchabgabe – umgangssprachlich Überlieferungsabgabe – an. Die Regelungen hierzu sind in den einschlägigen europarechtlichen Vorschriften und im deutschen Milchquotenrecht detailliert normiert.

Vor diesem Hintergrund stellt sich seit jeher die Frage, wie Betriebsinhaber auf betriebliche Engpässe oder Veränderungen reagieren können, insbesondere im Hinblick auf temporäre Betriebsverpachtungen und den Einfluss solcher Gestaltungen auf die Abgabepflicht. Das nachfolgende Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) – Az.: VII R 28/06, ergangen am 26.11.2007 – behandelt einen Sachverhalt, der diese Fragestellung auf ein neues rechtliches Prüfungsniveau hebt.

Sachverhalt und rechtliche Fragestellung

Ausgangslage und Streitgegenstand

Im streitgegenständlichen Fall hatte ein Landwirt unmittelbar vor dem Ende des Quotenjahres sowohl seine Stallgebäude als auch die Milchviehherde für einen kurzen Zeitraum – konkret einen Monat – an einen Dritten verpachtet. Während des Pachtzeitraums war unstrittig weiterhin dieselbe Herde auf der Anlage, betrieben und bewirtschaftet wurde die Anlage formal durch den Pächter. Der bisherige Betriebsinhaber, der zuvor die Quote überschreitende Milchmengen produziert hatte, argumentierte, durch die temporäre Verpachtung bestehe keine Milchabgabepflicht mehr für ihn, da die Milcherzeugung im relevanten Zeitraum nicht von ihm, sondern von dem Pächter zu verantworten sei.

Zentrale Rechtsfragen

Im Rahmen des Verfahrens war insbesondere zu entscheiden, wer in einem derartigen Sachverhalt als „Milcherzeuger“ im Sinne des Milchquotenrechts gilt und ob durch kurzfristige, formal wirksame Verpachtungen eine Befreiung von der Milchabgabepflicht erzielt werden kann. Die maßgeblichen Erwägungen beziehen sich auf die wirtschaftliche und tatsächliche Verantwortung für die Erzeugung sowie auf die Möglichkeit des Rechtsmissbrauchs.

Würdigung des Bundesfinanzhofs

Maßgeblichkeit der tatsächlichen Betätigung

Nach Auffassung des BFH kommt es nicht allein auf die zivilrechtliche Gestaltung des Pachtverhältnisses an, sondern auf die tatsächlichen Verhältnisse sowie die wirtschaftliche Verantwortung während des fraglichen Zeitraums. Entscheidend sei, ob ein unfreiwilliges Unterliegen unter das erlassene Abgabesystem durch gezielte Rechtsgestaltungen verhindert werden soll.

Der BFH betonte, dass der Begriff des „Milcherzeugers“ im Sinne des europäischen und nationalen Rechts funktional auszulegen ist: Maßgeblich ist, wer im maßgeblichen Zeitraum Milch erzeugt und abliefert – unabhängig von bloßen Besitz oder Eigentumsverhältnissen.

Prüfung auf Gestaltungsmissbrauch

Zudem prüft das Gericht, ob eine Gestaltung missbräuchlich im Sinne von § 42 AO (Abgabenordnung) ist. Besteht die zeitliche und wirtschaftliche Nahtlosigkeit zwischen Pächter und Verpächter, insbesondere wenn der ehemalige Betriebsinhaber im Hintergrund weiterhin sämtliche betriebliche Einflussmöglichkeiten behält und die Milchviehhaltung rein formal übertragen wurde, kann eine Umgehung der Abgabenpflicht vorliegen. Diese würde dann steuerrechtlich nicht anerkannt werden.

Im entschiedenen Fall sah der BFH Anhaltspunkte für eine lediglich formale Übertragung der Milchproduktion. Insbesondere war zu berücksichtigen, dass der vorherige Betriebsinhaber (Verpächter) die wesentlichen Voraussetzungen der Produktion – namentlich das Vieh, die Ställe und die bestehende Betriebsorganisation – weiterhin zur Verfügung stellte und die Übertragung in engem zeitlichem Zusammenhang zur Abgabenfälligkeit erfolgte.

Bedeutung für die Praxis und weitere Entwicklungen

Anforderungen an betriebliche Gestaltung

Das Urteil unterstreicht, dass kurzfristige Pachtverträge und betriebliche Übertragungen auf dem Gebiet der Milchproduktion einer engen Prüfung unterliegen. Es genügt nicht, allein den Rechtsschein einer Betriebsübergabe zu setzen, um der Milchabgabe zu entgehen. Vielmehr wird die Substanz der wirtschaftlichen Verantwortung gewürdigt.

Gestaltungen, die allein auf eine formalrechtliche Verschiebung der Verantwortung abzielen, ohne dass tatsächlich ein substantieller Wechsel in der Führung und Organisation der Milchwirtschaft eintritt, treffen nicht auf die Billigung der zuständigen Behörden und des Gerichts.

Europarechtliche Einordnung

Auch im Lichte europarechtlicher Vorgaben lässt sich eine missbräuchliche Umgehung der Abgabenpflicht nicht rechtfertigen. Die Kommission hat in ihren Auslegungen mehrfach betont, dass eine zweckorientierte Anwendung der Milchquotenregelungen erfolgen muss. Es ist stets auf die tatsächlichen wirtschaftlichen Vorgänge abzustellen, nicht allein auf die rechtliche Gestaltungsform. Damit bleibt der Versuch, durch kurzfristige Pachtverträge oder Übertragungen von Milchkontingenten die Abgabenlast zu vermeiden, jedenfalls dann zweifelhaft, wenn es im Kern an einem substantiellen Betriebswechsel fehlt.

Fazit und Ausblick

Die Entscheidung des BFH zu kurzfristigen Verpachtungen von Milchviehbetrieben im Kontext der Milchabgabe verdeutlicht, dass die Geltendmachung einer Befreiung von der Milchabgabepflicht auf solider rechtlicher und tatsächlicher Grundlage beruhen muss. Ein Wechsel in der Person des Milchlieferanten ist nur dann relevant, wenn auch ein echter wirtschaftlicher und betrieblicher Übergang vorliegt. Maßnahmen, die darauf ausgerichtet sind, allein durch formale Gestaltungsvorgänge die geltenden Regelungen zu umgehen, finden keine Anerkennung – weder national noch europarechtlich.

Weitere Entwicklungen betreffen insbesondere die Fortentwicklung der Rechtsprechung im Bereich der landwirtschaftlichen Abgabenregelungen sowie die Anpassung der gesetzlichen Vorgaben an den Wandel agrarwirtschaftlicher Strukturen. Unternehmer, Investoren und betroffene Betriebe sollten komplexe Gestaltungsfragen vor diesem Hintergrund stets sorgfältig und unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtslage prüfen lassen.

Sofern Sie als Unternehmen, Investor oder Privatperson vor ähnlichen steuerrechtlichen Fragestellungen im Bereich der Landwirtschaft, Agrarförderung oder anderer Abgabenregelungen stehen, empfiehlt sich eine fundierte rechtliche Einordnung. Für eine individuelle Rechtsberatung im Steuerrecht steht Ihnen das Team von MTR Legal zur Verfügung. Weiterführende Informationen finden Sie unter Rechtsberatung im Steuerrecht.

Sie haben ein rechtliches Anliegen?

Reservieren Sie Ihre Beratung – Wählen Sie Ihren Wunschtermin online oder rufen Sie uns an.
Bundesweite Hotline
Jetzt erreichbar

Jetzt Rückruf buchen

oder schreiben Sie uns!