Anerkennung ausländischer Urteile zu Ausbildungsrückzahlung im deutschen Rechtssystem
Die grenzüberschreitende Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Gerichtsentscheidungen gewinnt im europäischen Rechtsverkehr stetig an Bedeutung. Gerade bei grenzüberschreitenden Arbeitsverhältnissen und Ausbildungsverträgen stellen sich für Unternehmen und Arbeitnehmer zahlreiche Fragestellungen bezüglich der Durchsetzbarkeit vertraglicher oder richterlich festgestellter Ansprüche in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Eine aktuelle Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt am Main befasst sich mit der Frage, ob ein in Kroatien ergangenes Urteil, das eine Rückzahlung von Ausbildungskosten zum Gegenstand hat, auch im deutschen Hoheitsgebiet anerkannt und vollstreckt werden kann (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 13.01.2022 – Az.: 26 W 2/21; Quelle: urteile.news).
Rechtlicher Hintergrund: Europäische Anerkennungs- und Vollstreckungsmechanismen
Im europäischen Raum gelten für die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen spezielle Regelwerke wie die Brüssel Ia-Verordnung (VO [EU] 1215/2012). Sie regelt, in welchem Umfang Urteile aus einem EU-Mitgliedstaat in anderen Mitgliedstaaten anerkannt und vollstreckt werden können – in der Regel ohne besondere Exequaturverfahren. Dabei ist insbesondere zu prüfen, ob ein Versagungsgrund vorliegt, z.B. wenn die Anerkennung der öffentlichen Ordnung widerspricht oder das rechtliche Gehör verletzt wurde.
Sachverhalt: Rückforderung von Ausbildungskosten nach kroatischem Urteil
Im zugrunde liegenden Fall schloss ein Unternehmen mit einer Arbeitnehmerin in Kroatien einen Vertrag, der Regelungen über bestimmte Ausbildungskosten enthielt. Nach der Ausbildung verließ die Arbeitnehmerin offenbar das Unternehmen, woraufhin dieses auf Grundlage der Vertragsklausel vor einem kroatischen Gericht erfolgreich auf Rückzahlung der Ausbildungskosten klagte. Das kroatische Gericht verurteilte die Arbeitnehmerin zur Leistung der geforderten Beträge. Da sich die Arbeitnehmerin nach Deutschland begeben hatte, beantragte das Unternehmen die Anerkennung und Vollstreckung des Urteils in Deutschland.
Entscheidung des OLG Frankfurt am Main
Das OLG Frankfurt am Main sprach sich für die Anerkennung des kroatischen Urteils in Deutschland aus. Die Voraussetzungen der Brüssel Ia-VO sah das Gericht als erfüllt an. Weder erkannte das Gericht einen Verstoß gegen die deutsche öffentliche Ordnung (ordre public) noch seien Verstöße gegen das rechtliche Gehör ersichtlich geworden. Die Vereinbarung zur Rückzahlung der Ausbildungskosten sei nach kroatischem Recht wirksam und verstoße nicht per se gegen Grundsätze des deutschen Rechtsverständnisses.
Ordre-public-Prüfung
Im Rahmen der sog. ordre-public-Kontrolle prüfte das OLG, ob der Anerkennung schwerwiegende, mit den Grundwerten der deutschen Rechtsordnung unvereinbare Umstände entgegenstehen. Dies war nach Ansicht der Richter nicht der Fall, da Rückzahlungsvereinbarungen zu Ausbildungskosten grundsätzlich sowohl im kroatischen als auch im deutschen Recht zulässig sind, wenn sie bestimmten Anforderungen wie Transparenz und Angemessenheit genügen.
Bedeutung der Regelungen über Ausbildungsrückzahlung
Rechtliche Vereinbarungen über die Rückzahlung von Ausbildungsinvestitionen sind sowohl unter arbeitsrechtlichen als auch unter zivilrechtlichen Gesichtspunkten stets einer Einzelfallbewertung zu unterziehen. Dabei spielen die Dauer der Bindung, die tatsächliche Besserstellung durch die Ausbildung sowie die Verhältnismäßigkeit der Rückforderung eine zentrale Rolle. Das OLG unterstreicht mit seiner aktuellen Entscheidung, dass eine im Mitgliedstaat ergangene Entscheidung, die diesen Grundsätzen Rechnung trägt, auch im Rahmen des deutschen Anerkennungsrechts Bestand haben kann.
Praktische Auswirkungen und Bedeutung für den Wirtschaftsverkehr
Unternehmen wie auch Arbeitnehmer mit grenzüberschreitender Tätigkeit müssen verstärkt damit rechnen, dass in einem EU-Mitgliedstaat erwirkte Entscheidungen zu vertragsrechtlichen Pflichten oder Kostenrückerstattungen im gesamten europäischen Raum durchsetzbar sind. Diese unionsrechtlichen Mechanismen stärken die Rechtssicherheit im innereuropäischen Wirtschaftsverkehr, indem sie die Verlagerung von Vermögenswerten oder Personen innerhalb der EU nicht zur Durchsetzungshürde werden lassen.
Schnittstellen zum deutschen und europäischen Arbeits- und Vertragsrecht
Die Entscheidung verdeutlicht die Notwendigkeit, vertragliche Abreden eindeutig und nach dem jeweils einschlägigen Recht zu gestalten. Insbesondere bei internationalen Arbeits- oder Ausbildungsverhältnissen empfiehlt sich die eingehende Prüfung und Dokumentation der Ausbildungsabrede, der einschlägigen Rückzahlungsregeln sowie der darin enthaltenen Bindungsfristen und Modalitäten. Es gilt zu beachten, dass nationale Gerichte im Rahmen des unionsrechtlichen Anerkennungsverfahrens nur sehr eingeschränkt in die inhaltliche Kontrolle des ausländischen Urteils eintreten können. Dies dient der Einhaltung des Grundsatzes gegenseitigen Vertrauens innerhalb der EU.
Weiterführende Hinweise
Für Unternehmen wie auch Privatpersonen, die Ansprüche aus Arbeits-, Ausbildungs- oder sonstigen Verträgen mit grenzüberschreitendem Bezug durchsetzen oder abwehren möchten, ergeben sich im Zusammenhang mit ausländischen Urteilen vielschichtige Fragestellungen. Von Bedeutung ist, unter welchen Bedingungen und mit welchen formellen Voraussetzungen eine Entscheidung in Deutschland anerkannt und vollstreckt werden kann und ob Gründe vorliegen, die dem entgegenstehen.
Die Rechtsanwälte von MTR Legal begleiten regelmäßig Mandanten bei grenzüberschreitenden Vertragsgestaltungen und der Durchsetzung oder Abwehr von Ansprüchen im europäischen Wirtschaftsraum. Bei rechtlichen Fragen im Zusammenhang mit internationaler Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen, insbesondere von Ausbildungsverträgen oder arbeitsvertraglichen Rückzahlungsvereinbarungen, empfiehlt es sich, frühzeitig fundierten Rechtsrat einzuholen.