Rechtliche Bewertung von Beweistermitterminen während pandemischer Ausnahmesituationen
Die COVID-19-Pandemie hat in vielen Verfahrenskonstellationen den Umgang mit Präsenzterminen vor Gericht und im Rahmen gerichtlicher Beweiserhebungen grundlegend verändert. Gleichwohl stellt sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Verlegung von Ortsterminen zur Beweisaufnahme im Zivilverfahren zulässig ist – insbesondere, wenn Pandemie-Schutzmaßnahmen von staats- oder verwaltungsseitiger Seite nicht (mehr) zwingend vorgeschrieben sind. Die Entscheidung des Landgerichts Saarbrücken vom 14. Juli 2020 (Az.: 15 OH 6/19) liefert zentrale Anhaltspunkte für eine differenzierte rechtliche Einordnung dieses Themas.
LG Saarbrücken: Keine pauschale Verlegung aufgrund abstrakter Pandemiebedenken
Das Landgericht Saarbrücken hatte über den Einwand eines Antragstellers zu befinden, der in einem selbständigen Beweisverfahren die Verlegung eines anberaumten Ortstermins begehrte. Begründet wurde dies mit der nach wie vor bestehenden Sars-CoV-2-Pandemie und daraus abgeleiteten gesundheitlichen Schutzinteressen.
Maßstab der richterlichen Terminsplanung
Das Gericht stellte entscheidend darauf ab, dass bei der Anberaumung und Durchführung von Ortsterminen stets eine sorgfältige Abwägung zwischen effektiver Rechtsdurchsetzung, Wahrung rechtlicher Gehörsansprüche und berechtigten Gesundheitsschutzinteressen vorzunehmen ist. Eine pauschale Gefährdungsprognose aufgrund allgemeiner Risiken einer Infektionsausbreitung genügt diesen Anforderungen nicht ohne Weiteres. Vielmehr ist es geboten, das konkrete Infektionsgeschehen am Ort des Termins sowie spezifische individuelle Risiken stichhaltig darzulegen.
Relevanz bestehender Schutzvorkehrungen
In dem vorliegenden Fall verwies das Landgericht auf das Fehlen behördlicher Einschränkungen für Zusammenkünfte im relevanten Zeitpunkt sowie auf bestehende Schutz- und Hygienekonzepte, die eine risikoadäquate Prozessführung ermöglichen. Auch bei grundsätzlich bestehenden pandemiebedingten Risiken indiziert somit weder der Umstand einer laufenden Pandemie für sich gesehen noch die allgemeine Angst vor Infektion ein zwingendes Verlegungserfordernis. Konkrete medizinisch begründete Risiken auf Seiten der Prozessbeteiligten könnten in solchen Konstellationen zwar weiterhin zu einer abweichenden Entscheidung führen, waren jedoch vorliegend nicht substantiiert dargetan.
Prozessuale Grundsätze und effektive Gewährleistung von Parteirechten
Verfahrensgestaltung im Lichte des Justizgewährungsanspruchs
Die richterliche Beurteilung unterstreicht die zentrale Bedeutung des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz. Das Zivilverfahrensrecht ist grundsätzlich auf eine zügige, sachgerechte und abschließende Klärung des Streitgegenstands gerichtet. Unabdingbar ist dabei auch die persönliche Wahrnehmung von Beweiserhebungen, insbesondere soweit diese – wie bei Ortsterminen – nicht durch schriftliche oder fernmündliche Verfahren vollständig zu ersetzen sind.
Praktische Auswirkungen auf die Parteihandhabung
Die Entscheidung verdeutlicht, dass bloße Unsicherheit oder abstrakte Gefahrenlagen in aller Regel nicht ausreichen, um Verfahrensverzögerungen zu rechtfertigen. Gerichtstermine finden demnach grundsätzlich statt, wenn dies unter Einhaltung angemessener Schutzmaßnahmen und gerade nicht unter Verletzung zwingender Infektionsschutzvorgaben erfolgt. Die Parteien treffen Verpflichtungen, etwaige besondere Schutzbedürfnisse rechtzeitig und substanziiert anzuzeigen.
Folgen für die gerichtliche Praxis und künftige Verfahrensdurchführung
Leitlinien für den Umgang mit vergleichbaren Konstellationen
Das Urteil liefert einen wesentlichen Referenzpunkt für die Auslegung und Anwendung von § 355 ZPO i. V. m. § 128a ZPO im Kontext außergewöhnlicher Gesundheitslagen. Neben der Beachtung gerichtlicher Fürsorgepflichten verbietet sich dabei eine undifferenzierte Aussetzung oder Aufhebung von Terminen wegen allgemeiner Pandemielagen. Nur bei konkreter, tatbestandlich belegter Risikoexposition entfällt die Obliegenheit zur Teilnahme an Terminen vor Ort.
Bedeutung für Unternehmen, Investoren und Vermögenspersonen
Verfahrensbeteiligte, insbesondere mit hohem wirtschaftlichem Interesse am Ausgang des Verfahrens, müssen sich darauf einstellen, dass Pandemien allein keine generelle Verzögerung oder Umgestaltung prozessualer Abläufe bewirken. Eine rechtssichere Einschätzung der Zulässigkeit, Modalitäten und Risiken gerichtlicher Präsenztermine ist daher integraler Bestandteil strategischer Prozessführung.
Fazit und Ausblick
Die Entscheidungsgrundsätze des Landgerichts Saarbrücken setzen klare Maßstäbe für die Bewertung pandemiebedingter Einwände gegen Ortstermine im gerichtlichen Beweisverfahren. Gerichtliche Terminierungen sind nicht allein durch abstrakte Gesundheitsgefahren in Frage gestellt, sondern bedürfen einer einzelfallbezogenen Abwägung, in besonderem Maße unter Berücksichtigung der effektiven Rechtsdurchsetzung und gesetzlicher Fürsorgepflichten. Offene Rechtsfragen zur Prozessführung unter außergewöhnlichen äußeren Umständen sind Gegenstand vertiefter rechtlicher Prüfung.
Für Unternehmen, Investoren und vermögende Privatpersonen, die in komplexen Streitverfahren eingebunden sind, ist eine vorausschauende und rechtssichere Verfahrensgestaltung von erheblicher Bedeutung. Vertiefende Informationen und weitere rechtliche Einschätzungen zur Prozessführung finden Sie unter Prozessführung.