Überblick zur Entscheidung des LG Hanau zur erleichterten Kündigung nach § 573a BGB
Das Landgericht Hanau hat sich mit Urteil vom 25. Oktober 2023 (Az.: 2 S 107/22, nicht rechtskräftig) eingehend mit der Frage befasst, ob der Vermieter einer nur wochenweise genutzten Wohnung ein erleichtertes Kündigungsrecht gemäß § 573a BGB in Anspruch nehmen kann. Dabei hatte das Gericht insbesondere zu klären, ob der Zweck, zu dem der Mieter die Wohnung nutzt, Einfluss auf die Anwendbarkeit des gesetzlichen Kündigungsprivilegs hat. Die nachfolgende Analyse befasst sich mit den wesentlichen Entscheidungsinhalten und beleuchtet den Kontext der Rechtsprechung.
Grundzüge des Kündigungsrechts im Wohnraummietverhältnis
Das Kündigungsrecht ohne berechtigtes Interesse nach § 573a BGB
Nach geltender Gesetzeslage ist die ordentliche Kündigung eines Wohnraummietvertrages durch den Vermieter grundsätzlich nach § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB an ein berechtigtes Interesse – etwa Eigenbedarf oder wirtschaftliche Verwertung – geknüpft. § 573a BGB statuiert hiervon eine Ausnahme, indem für bestimmte Kleinstwohnungen die Möglichkeit eröffnet wird, das Mietverhältnis ohne Angabe eines besonderen Kündigungsgrundes zu beenden, sofern der Vermieter im selben Gebäude wohnt und die Wohnung nicht mehr als zwei Wohnungen umfasst.
Motivation des Gesetzgebers
Hintergrund dieser Sonderregelung ist vor allem der Schutz des privaten Vermieters gegenüber dem Schutzbedürfnis des Mieters. Typischerweise trifft dies auf sogenannte Zweifamilienhäuser zu, bei denen der Vermieter und nur ein weiterer Mietparteienhaushalt gemeinsam das Gebäude bewohnen. Der Gesetzgeber wollte hier dem eng begrenzten Interessenkonflikt zwischen den Parteien Rechnung tragen und die soziale Bindung zwischen Mieter und Vermieter berücksichtigen.
Das Urteil des LG Hanau: Wesentliche Erwägungen
Maßgebliche Kriterien für die Anwendung des § 573a BGB
Im zu entscheidenden Fall bewohnte der Vermieter eine Wohnung im Haus dauerhaft, während die vermietete Einheit lediglich vom Mieter und dessen Tochter an einzelnen Wochenenden genutzt wurde. Zwischen den Nutzungsintervallen stand die Wohnung leer. Der Vermieter beantragte im Kündigungsschreiben die Anwendung der erleichterten Kündigungsmöglichkeit gemäß § 573a Abs. 1 BGB.
Das Landgericht Hanau wies jedoch darauf hin, dass das Tatbestandsmerkmal des „bewohnten Wohnhauses mit nicht mehr als zwei Wohnungen“ im Sinne des § 573a BGB eine dauerhafte Nutzung der vermieteten Wohnung als Lebensmittelpunkt des Mieters voraussetzt. Sei dies, wie vorliegend, lediglich eine gelegentliche oder nur vorübergehende Nutzung – etwa als Wochenenddomizil – stehe dies der Anwendbarkeit des § 573a BGB entgegen.
Abgrenzung zu anderen Formen der Wohnraumnutzung
Mit dieser Auffassung übernimmt das Landgericht eine restriktive Auslegung des § 573a BGB. Die Instanzgerichte vertreten hierbei eine deutliche Linie: Die Sozialschutzfunktion des Wohnraummietrechts, wie sie in § 573a BGB zum Ausdruck kommt, soll nur dann eingreifen, wenn der Mieter die gemieteten Räume als Lebensmittelpunkt oder zumindest zum dauerhaften Wohnen nutzt. Zeitweilige, spezifisch eingeschränkte Nutzungen – beispielsweise als Wochenendwohnung, Nebenwohnung oder Ferienwohnung – erfüllen die maßgeblichen Voraussetzungen nicht.
Das Gericht leitete dies auch daraus ab, dass mit abweichenden Mietnutzungskonstellationen (z. B. Wohnraumvermietung zu Ferienzwecken, Berufspendlerwohnungen oder typischen Nebenwohnsitzen) regelmäßig andere Interessenlagen als beim klassischen Mietwohnen mit dauerhafter Wohnsitznahme verbunden sind.
Bedeutung für Vertragsparteien im Wohnraummietverhältnis
Praktische Folgen der Entscheidung
Vermieter sind in ihrer Dispositionsfreiheit über vermieteten Wohnraum erheblich eingeschränkt, sobald der tatsächliche, auf Dauer angelegte Lebensmittelpunkt des Mieters in der Mietsache liegt. Die bloß vorübergehende Nutzung eröffnet hingegen keinen Zugang zur erleichterten Kündigungsmöglichkeit. Für Vertragsverhältnisse, die typischerweise durch gelegentliche oder saisonale Nutzung geprägt sind, steht daher allein die ordentliche Kündigung mit Nachweis eines berechtigten Interesses zur Verfügung.
Einordnung in die Rechtsentwicklung
Mit seiner Entscheidung folgt das Landgericht Hanau der wohl überwiegenden Auffassung in Literatur und Rechtsprechung. Die Differenzierung nach dem tatsächlichen Wohnzweck ist konsequent, da nur so die Schutzmechanismen asymmetrischer Mietverhältnisse – Mieterschutz vs. Vermieterinteresse – gewahrt werden können. Gerichte heben in ständiger Rechtsprechung darauf ab, dass eine am tatsächlichen Lebensmittelpunkt des Mieters orientierte Nutzung das entscheidende Abgrenzungskriterium ist, um Missbrauch des erleichterten Kündigungsrechts zu verhindern.
Ausblick und Bedeutung für künftige Rechtsprechung
Die Entscheidung des Landgerichts Hanau konkretisiert die Rechtspraxis und schafft zusätzliche Klarheit hinsichtlich der Anwendbarkeit des § 573a BGB. Insbesondere für Vermieter bietet das Urteil Orientierung, dass ausnahmsweise eingeräumte Kündigungsrechte als eng begrenzte Schutzinstrumente im Gesetz verstanden werden müssen. Für Mieter wird sichergestellt, dass der weitgehende Schutz vor grundloser Kündigung auch bei teilweiser Nutzung einer Wohnung nicht unterlaufen werden kann.
Auch bei künftigen vertraglichen Gestaltungen rund um Wohnungen, die nicht ausschließlich als dauerhafte Hauptwohnung dienen, dürfte der Kontext der tatsächlichen Nutzung künftig maßgeblich sein und sich auf weitere Fälle übertragen lassen. Angesichts teils abweichender Regelungen und neuer Wohnformen gewinnt eine differenzierte Betrachtung zusätzlich an Bedeutung.
Hinweis zur aktuellen Rechtslage
Das Urteil des Landgerichts Hanau ist noch nicht rechtskräftig; mögliche Rechtsmittelverfahren können den Ausgang beeinflussen. Es bleibt daher mit Blick auf eine endgültige Klärung der Rechtsfrage vorläufig abzuwarten (Stand: 27.10.2025, Quelle: urteile.news).
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