Kein Leistungsverweigerungsrecht bei Vertragspartei auf Terrorliste

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Aufnahme auf Terrorlisten und ihre Auswirkungen auf bestehende Vertragsverhältnisse

Im Spannungsfeld zwischen internationalem Terrorismusbekämpfungsrecht und dem deutschen Zivilrecht rücken praxisrelevante Fragen in den Fokus, sobald eine Vertragspartei auf einer sogenannten Terrorliste geführt wird. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hatte im November 2021 die Möglichkeit, zu zentralen Aspekten dieser Konstellation Stellung zu beziehen (Az.: 6 U 65/20). Die Entscheidung beleuchtet die Reichweite des Leistungsverweigerungsrechts sowie die Auswirkungen unionsrechtlicher Sanktionsmechanismen auf private Vertragsbeziehungen.

Hintergrund: Sanktionslisten und Terrorfinanzierung

Im Rahmen der internationalen Terrorismusbekämpfung verfolgen die Europäische Union und andere Akteure eine konsequente Sanktionspraxis, die unter anderem mittels sogenannter Terrorlisten, wie zum Beispiel der EU-Verordnung 2580/2001, umgesetzt wird. Hierdurch werden natürliche und juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen, denen eine Verbindung zu terroristischen Aktivitäten vorgeworfen wird, in eigens geführte Register aufgenommen. Für gelistete Parteien gelten vielfältige Restriktionen: Vermögenswerte sind einzufrieren, wirtschaftliche Ressourcen dürfen unter keinen Umständen bereitgestellt werden und Zahlungsflüsse sind untersagt.

Auswirkungen der Listung auf zivilrechtliche Leistungsbeziehungen

Leistungsverweigerungsrechte im Vertragsverhältnis

Im deutschen Vertragsrecht genießt der Grundsatz der Vertragstreue (pacta sunt servanda) einen hohen Stellenwert. Befindet sich eine Vertragspartei jedoch auf einer Sanktions- oder Terrorliste, entstehen besondere Fragestellungen: Berechtigt die Eintragung einer Partei auf einer solchen Liste die andere Seite, fällige Leistungen einzustellen oder dauerhaft zu verweigern?

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main verneinte dies für den konkreten Fall: Die Listung einer Partei allein begründet kein generelles Leistungsverweigerungsrecht für die andere Partei. Insbesondere der Eintritt einer aufschiebenden oder auflösenden Bedingung im Sinne des § 275 BGB (Unmöglichkeit) liege durch die bloße Aufnahme in die EU-Terrorliste nicht zwingend vor. Vielmehr ist die eingeschränkte Verfügbarkeit der zivilrechtlichen Ansprüche regelmäßig nur temporär: Für die Dauer des Sanktionsregimes werden Ansprüche, etwa auf Zahlung, zwar blockiert, erlöschen aber nicht endgültig.

Rechtslage bei eingefrorenen Vermögenswerten

Aus unionsrechtlicher Sicht führt die Listung nach der EU-Verordnung dazu, dass über die Vermögenswerte einer gelisteten Person im Ergebnis nicht mehr verfügt werden darf. Die Verpflichtung Dritter zur Leistungserbringung – beispielsweise die Zahlung eines Kaufpreises – besteht weiterhin, sie ist jedoch für die Dauer der Sanktion suspendiert. Die Forderung bleibt bestehen, kann aber nicht erfüllt werden. Der Leistungsverweigernde kann sich darauf berufen, dass die Erfüllung seiner Verpflichtung aktuell unionsrechtlich untersagt ist. Dieses Verbot wirkt nicht als dauerhafte Leistungsverweigerung, sondern als temporäre Beschränkung.

Beendigung oder Suspendierung von Verträgen?

Ein Verweis auf Vertragsbeendigungs- oder Rücktrittsrechte kommt in diesen Konstellationen nur unter engen Voraussetzungen in Betracht. Weder ein automatischer Wegfall der Geschäftsgrundlage noch eine dauerhafte Unmöglichkeit begründen einen Anspruch auf Beendigung des Vertragsverhältnisses bei bloßer Aufnahme einer Partei auf eine Terrorliste. Sobald die Sanktion aufgehoben wird, lebt der Anspruch wieder auf beziehungsweise kann ordnungsgemäß erfüllt werden.

Interessenabwägung und Schutzmechanismen

Das Spannungsfeld zwischen der Unterbindung terroristischer Finanzströme und der Wahrung zivilrechtlicher Vertragspflichten verlangt eine differenzierte Interessenabwägung. Während die Zielsetzung des Sanktionsrechts – die wirksame Bekämpfung des Terrorismus – im Vordergrund steht, bleibt gleichwohl die Verlässlichkeit privatwirtschaftlicher Beziehungen gewahrt: Die Rechtsordnung nimmt eine temporäre Suspendierung in Kauf, ohne die zivilrechtlichen Ursprungsansprüche endgültig erlöschen zu lassen.

Praktische Relevanz für Wirtschaftsakteure

Für Unternehmen, Investoren und weitere Beteiligte ergeben sich aus der Entscheidung des OLG Frankfurt wichtige Hinweise: Die Interessen der Vertragspartner werden im Sanktionsfall durch ein faktisches Erfüllungshindernis beeinflusst, das aber nicht in einem vollständigen Wegfall des Anspruchs mündet. Aus Sicht der Vertragspraxis empfiehlt es sich, etwaige Sanktionen und Listungen im Blick zu behalten und gegebenenfalls auf individuelle vertragliche Regelungen zurückzugreifen, um die Parteien abzusichern.

Dieser Beschluss stellt einen wesentlichen Anhaltspunkt dafür dar, wie das Zusammenspiel von Unionsrecht und deutschem Vertragsrecht im Angesicht von Sanktionsmechanismen ausgestaltet ist. Offen bleibt, in welchen Ausnahmefällen – etwa bei dauerhafter Listung oder weiteren Komplikationen – weitergehende Rechte entstehen könnten. Laufende Verfahren oder neue Rechtsprechung könnten dies noch präzisieren.

Zusammenfassung und Ausblick

Die Listung einer Vertragspartei auf, beispielsweise, der EU-Terrorliste hemmt gemäß aktueller Rechtsprechung die Erfüllbarkeit zivilrechtlicher Ansprüche lediglich temporär, berührt aber nicht deren Rechtsgrund. Ein Leistungsverweigerungsrecht resultiert hieraus allein nicht. Gleichwohl empfiehlt sich hinsichtlich Details weiterhin eine sorgfältige rechtliche Analyse.

Wer Fragen zu den Auswirkungen von Sanktionen auf bestehende Vertragsverhältnisse, zu aktuellen Entwicklungen im Sanktionsrecht oder zur sicheren Umsetzung von Geschäftsbeziehungen im internationalen Kontext hat, findet bei MTR Legal Rechtsanwälte kompetente Ansprechpartner – national wie international. Wir begleiten Ihren Weg durch komplexe rechtliche Fragestellungen und stehen Ihnen mit vielschichtiger Erfahrung zur Seite.

Quelle:

OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 04.11.2021, Az.: 6 U 65/20

(https://urteile.news/OLG-Frankfurt-am-Main_6-U-6520_Kein-Leistungsverweigerungsrecht-wegen-Aufnahme-der-Vertragspartei-auf-die-sog-Terrorliste~N31008)

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