Keine Auskunftspflicht für Plattformen bei Identitätsmissbrauch auf Instagram – Entscheidung des LG Koblenz verdeutlicht rechtliche Grenzen
Die Nutzung sozialer Netzwerke ist mit erheblichen Chancen, aber auch mit Risiken verbunden. Zu den häufigsten Rechtsverletzungen gehören Fälschungen von Nutzerprofilen und Identitätsdiebstahl. Die Entscheidung des Landgerichts Koblenz vom 30. September 2023 (Az. 2 O 125/22) beleuchtet die Grenzen des Auskunftsanspruchs gegen Plattformbetreiber wie Instagram, wenn die Identität eines Nutzers missbraucht wurde. Die Entscheidung, die sich im Einklang mit geltender Rechtsprechung und datenschutzrechtlichen Vorgaben befindet, unterstreicht die bestehenden Hürden für Anspruchsteller, wenn der Täter eines Identitätsdiebstahls über eine digitale Plattform anonym agiert.
Sachverhalt und rechtlicher Hintergrund
Im zugrunde liegenden Fall hatte eine betroffene Person die Plattform Instagram auf Herausgabe personenbezogener Daten eines Nutzeraccounts in Anspruch genommen. Anlass war, dass Dritte ein Nutzerprofil mit ihren persönlichen Daten, insbesondere dem Namen und dem Profilbild, erstellt hatten, ohne dass hierzu eine Einwilligung vorlag. Die Betroffene begehrte von Meta Platforms Ireland Limited, dem Betreiber von Instagram, umfassende Auskunft über die hinter dem Fake-Account stehenden Personen, um zivilrechtliche Ansprüche – etwa Unterlassung oder Schadenersatz – geltend machen zu können. Die Plattform verweigerte die Herausgabe unter Verweis auf datenschutzrechtliche und telekommunikationsrechtliche Vorschriften.
Anforderungen an den Auskunftsanspruch
Die rechtliche Prüfung konzentrierte sich auf die Frage, ob die Plattform als sogenannter Diensteanbieter nach Telemedienrecht oder nach Datenschutz-Grundverordnung zur Auskunft verpflichtet werden kann. Dabei nahm das Gericht eine Abwägung zwischen dem Auskunftsinteresse der Verletzten und dem Datenschutzinteresse möglicher Nutzer vor. Insbesondere § 21 Abs. 2 TTDSG (Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetz) und die Bestimmungen des TMG (Telemediengesetz) ermöglichen eine Herausgabe personenbezogener Daten grundsätzlich nur bei einem ausdrücklichen Gesetzesvorbehalt oder nach richterlicher Anordnung.
Keine Anspruchsgrundlage für die Herausgabe von Nutzerdaten
Das Landgericht Koblenz befand, dass Instagram nicht verpflichtet ist, ohne weiteres Auskunft zu erteilen. Zwar sei der Schutz der Persönlichkeit fundamental, doch stehen dem Begehren erhebliche datenschutzrechtliche und telekommunikationsrechtliche Hürden entgegen. Die Voraussetzungen für die Herausgabe personenbezogener Daten lagen im konkreten Fall nicht vor: Eine Anspruchsgrundlage nach DSGVO oder TMG ergab sich nicht, zumal § 21 Abs. 2 TTDSG Auskünfte grundsätzlich nur nach richterlicher Anordnung für Zwecke der Strafverfolgung, Gefahrenabwehr oder zur Durchsetzung urheberrechtlicher Ansprüche gegen nicht benannte Nutzer vorsieht. Für Persönlichkeitsrechtsverletzungen, wie im vorliegenden Fall, ist eine derartige Herausgabe mangels entsprechender gesetzlicher Grundlage durch die Plattform ausgeschlossen.
Bedeutung datenschutzrechtlicher Vorgaben
Ein weiteres gewichtiges Argument für die Entscheidung ist der Schutz der Daten aller Instagram-Nutzer. Auch bei rechtswidriger Nutzung eines Accounts ist das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung des Account-Inhabers zu berücksichtigen. Datenschutzrechtliche Vorgaben aus der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung (Art. 6, Art. 9 DSGVO) sowie die einschlägigen deutschen Gesetze beschränken die Möglichkeiten, außergerichtlich personenbezogene Daten gegenüber Dritten offenzulegen. Das Gericht betonte, dass Meta Platforms eine Offenlegung nur nach Vorlage einer gerichtlichen Anordnung oder im Rahmen eines laufenden Ermittlungsverfahrens zulässig ist.
Auswirkungen und praxisrelevante Aspekte
Die Entscheidung bestätigt den hohen Schutz personenbezogener Daten und die restriktive Auslegung der Auskunftsansprüche gegenüber Plattformbetreibern. Dies bringt für betroffene Personen praktische Schwierigkeiten mit sich, da eine außergerichtliche Verfolgung von anonymen Identitätsdieben erschwert wird. Die Rechtslage verdeutlicht zugleich die Notwendigkeit, im Falle einer Identitätsrechtsverletzung parallel zivilrechtliche und strafrechtliche Schritte zu prüfen, da ein Zugriff auf Daten mutmaßlicher Täter häufig nur auf diesen Wegen ermöglicht wird.
Aktuelle Rechtslage – Potenzielle Ansätze im Gesetzgebungsverfahren
Der Fall zeigt, dass das geltende Recht eine Lücke zwischen dem Schutz der Opfer von Identitätsmissbrauch und den hohen Anforderungen an den Datenschutz aufweist. Gesetzesinitiativen zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung bei Persönlichkeitsverletzungen im digitalen Raum werden in der Fachöffentlichkeit diskutiert, sind jedoch bislang nicht in Kraft getreten. Die Entwicklung der Rechtsprechung bleibt daher von erheblicher Bedeutung für Opfer von Internetdelikten.
Verweis auf laufende Entwicklungen und Unschuldsvermutung
Es sei darauf hingewiesen, dass die Entscheidung auf Grundlage des konkret vorgetragenen Sachverhalts ergangen ist. Laufende oder zukünftige Gesetzgebungsinitiativen können dazu führen, dass Auskunftsansprüche bei Identitätsdiebstahl künftig effektiver durchgesetzt werden können. Bis zu einer solchen Anpassung bleibt die Rechtslage restriktiv.
Quellen
Landgericht Koblenz, Urteil vom 30.09.2023, Az. 2 O 125/22
https://urteile.news/LG-Koblenz_2-O-125_Opfer-von-Identitaetsdiebstahl-bei-Instagram-hat-keinen-Auskunftsanspruch-ueber-Fake-Account-gegen-Instagram~N35436
Sollten weitergehende Fragen zu datenschutz- und persönlichkeitsrechtlichen Fragestellungen im Zusammenhang mit digitalen Plattformen auftreten, stehen die Rechtsanwälte von MTR Legal bei der Einordnung der aktuellen Rechtsprechung sowie bei der Beurteilung individueller Sachverhalte gerne für eine persönliche Beratung zur Verfügung.