Kein Anspruch auf Löschung einer Abmahnung nach Arbeitsende

News  >  Datenschutz  >  Kein Anspruch auf Löschung einer Abmahnung nach Arbeitsende

Arbeitsrecht-Anwalt-Rechtsanwalt-Kanzlei-MTR Legal Attorneys
Steuerrecht-Anwalt-Rechtsanwalt-Kanzlei-MTR Legal Attorneys
Home-Anwalt-Rechtsanwalt-Kanzlei-MTR Legal Rechtsanwälte
Arbeitsrecht-Anwalt-Rechtsanwalt-Kanzlei-MTR Legal Attorneys

Keine datenschutzrechtliche Verpflichtung zur Entfernung einer Abmahnung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses – Entscheidung des LAG Niedersachsen

Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen (Urteil vom 19. Juni 2024, Az. 11 Sa 1180/20) hat sich eingehend mit der Frage befasst, ob nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses ein Anspruch auf Löschung einer im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis erteilten Abmahnung aus der Personalakte auf datenschutzrechtlicher Grundlage besteht. Die Entscheidung verdeutlicht, dass die datenschutzrechtlichen Vorschriften – insbesondere die Bestimmungen der DSGVO – den bloßen Wunsch eines ehemaligen Arbeitnehmers nach vollständiger Beseitigung von Abmahnungen aus der Personalakte für sich genommen nicht zwingend stützen.

Ausgangslage und Streitstand

Mit dem Ende eines Arbeitsverhältnisses stellen sich häufig Fragen zum Umgang mit in der Personalakte befindlichen Dokumenten, etwa Abmahnungen, Bewertungen oder Zeugnissen. Zentral ist dabei – neben arbeitsrechtlichen Aspekten – zunehmend der Datenschutz, insbesondere das Recht auf Löschung personenbezogener Daten nach Art. 17 DSGVO.

Im vorliegenden Fall verlangte der Kläger nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Entfernung einer während des Arbeitsverhältnisses ausgesprochenen Abmahnung aus den Personalunterlagen. Der Arbeitgeber lehnte dies ab und berief sich auf die Notwendigkeit der weiteren Aufbewahrung zu Beweiszwecken, insbesondere im Hinblick auf mögliche Arbeitsrechtsstreitigkeiten oder nachvertragliche Auseinandersetzungen.

Rechtliche Bewertung des Landesarbeitsgerichts

Anwendbarkeit der DSGVO auf Inhalte der Personalakte

Das LAG Niedersachsen bestätigt, dass personenbezogene Daten aus Arbeitsverhältnissen grundsätzlich dem Anwendungsbereich der DSGVO unterliegen. Hierzu zählen insbesondere auch Abmahnungen, die in Personalakten gespeichert sind. Dennoch ist die Möglichkeit der Löschung nicht schrankenlos.

Interessenabwägung und Aufbewahrungspflichten

Nach Ansicht des Gerichts muss eine Interessenabwägung zwischen dem Löschungsinteresse des ehemaligen Arbeitnehmers und den berechtigten Interessen des ehemaligen Arbeitgebers erfolgen. Nach Art. 17 Abs. 1 lit. a DSGVO besteht kein Löschungsanspruch, solange die weitere Verarbeitung – im vorliegenden Zusammenhang also Speicherung und Vorhaltung der Abmahnung – zur Erfüllung rechtlicher Verpflichtungen oder zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen erforderlich ist.

Das LAG betont, dass Abmahnungen auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Sicherung von Beweismitteln für etwaige zukünftige Rechtsstreitigkeiten – zum Beispiel im Rahmen einer Auseinandersetzung über ein Arbeitszeugnis, eine nachträgliche Kündigungsschutzklage oder Schadensersatzklagen – von Bedeutung sein können. Die bloße Beendigung des Arbeitsverhältnisses beseitigt daher die Schutzwürdigkeit der Arbeitgeberinteressen nicht automatisch.

Kriterien für den Löschungsanspruch

Das Gericht verdeutlicht, dass ein Anspruch auf Entfernung grundsätzlich dann bestehen kann, wenn die Datenverarbeitung gegen die datenschutzrechtlichen Vorgaben verstößt (vgl. Art. 17 Abs. 1 lit. d DSGVO). Voraussetzung wäre etwa, dass die Aufbewahrung der Abmahnung nicht (mehr) erforderlich ist und keine überwiegenden berechtigten Interessen des Arbeitgebers vorliegen. Im entschiedenen Fall konnte das LAG jedoch ein solches Überwiegen der Interessen des ehemaligen Arbeitnehmers nicht feststellen.

Implikationen für den Umgang mit personenbezogenen Daten im Arbeitsverhältnis

Praxisrelevanz für Arbeitgeber und Arbeitnehmer

Die Entscheidung bietet Orientierung hinsichtlich der Reichweite von Datenschutzansprüchen ehemaliger Arbeitnehmer. Arbeitgeber können sich unter Verweis auf die Notwendigkeit der Beweisführung etwaigen Löschungs- oder Entfernungsverlangen widersetzen, solange ein objektiv berechtigtes Interesse besteht. Umgekehrt sollten Arbeitnehmer prüfen, ob im Einzelfall die weitere Speicherung wirklich noch erforderlich ist.

Verhältnis zu anderen Löschungsansprüchen und Archivierungsfristen

Das Urteil unterstreicht außerdem, dass die arbeitsrechtlichen Pflichten zur Entfernung von Abmahnungen nach Abschluss des Arbeitsverhältnisses von datenschutzrechtlichen Ansprüchen zu unterscheiden sind. Während etwa in Einzelfällen eine Entfernung auf arbeitsrechtlicher Grundlage verlangt werden könnte, steht ein eigenständiger datenschutzrechtlicher Anspruch unter dem Vorbehalt der dargelegten Interessenabwägung.

Bedeutung über den Einzelfall hinaus

Das LAG Niedersachsen konkretisiert mit seiner Entscheidung die bislang unscharf konturierte Schnittstelle zwischen Datenschutz und arbeitsvertraglichen Nachwirkungen. Besonders in einer Zeit, in der Datenschutzrechte zunehmend ins Zentrum auch arbeitsrechtlicher Streitigkeiten rücken, schafft das Urteil Rechtssicherheit und einen verlässlichen Referenzrahmen für die betroffenen Parteien.

Fazit und Ausblick

Mit der aktuellen Entscheidung stellt das LAG Niedersachsen klar, dass das datenschutzrechtliche Löschungsrecht nach Art. 17 DSGVO im Kontext von Personalakten durch berechtigte Arbeitgeberinteressen begrenzt wird. Die Verweigerung einer vollständigen Entfernung einer Abmahnung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann zulässig sein, sofern sachliche Gründe – namentlich die Wahrung möglicher Rechtspositionen – vorliegen.

Trotzdem sind die Umstände jedes Einzelfalls maßgeblich; insbesondere können sich bei längeren Zeitabläufen nach Vertragsende oder bei offensichtlichem Wegfall eines berechtigten Interesses für beide Seiten neue rechtliche Fragestellungen ergeben.

Sollten Sie zu Fragestellungen rund um den Schutz personenbezogener Daten, die Führung und Aufbewahrung von Personalakten oder verwandte Konfliktfelder rechtlichen Beratungsbedarf sehen, stehen die Anwälte von MTR Legal Ihnen gerne zur Verfügung.

Sie haben ein rechtliches Anliegen?

Reservieren Sie Ihre Beratung – Wählen Sie Ihren Wunschtermin online oder rufen Sie uns an.
Bundesweite Hotline
Jetzt erreichbar

Jetzt Rückruf buchen

oder schreiben Sie uns!